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Denguefieber: Kurz vor dem Durchbruch

Alljährlich zittern die Länder Asiens vor einer neuen Dengueepidemie. Drei Forschungsprojekte stehen offenbar kurz davor, der heimtückischen Krankheit Herr zu werden.
Moskito
"Der Krieg gegen Dengue wird verschärft." Unter dieser martialischen Schlagzeile berichtete die Tageszeitung "Straits Times" Mitte Juli über die Sorgen der Gesundheitsbehörden Singapurs vor einer Dengueepidemie. Drei Menschen sind bereits an dem von Moskitos übertragenen Fieber gestorben und mehr als 800 wurden mit Symptomen in die Krankenhäuser des südostasiatischen Stadtstaates eingeliefert. In der zweiten Juliwoche infizierten sich 211 Menschen mit dem Denguevirus. "Das ist die höchste Infektionsrate in einer Woche seit zwei Jahren", schrieb die "Straits Times".

Noch sind die Fallzahlen weitaus niedriger als während der letzten Dengueepidemie im Jahr 2005, auf deren Höhepunkt sich 700 Menschen pro Woche mit dem Virus infizierten. Doch die Zeit ist reif für eine neue Epidemie:
Weltweit leben gut 2,5 Milliarden Menschen oder zwei Fünftel der Menschheit in denguegefährdeten Gebieten, 1,8 Milliarden davon alleine in Südostasien und Indien. Jedes Jahr infizieren sich 220 Millionen Menschen mit den Dengueviren, davon erkranken nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisation 50 – 100 Millionen an milden Formen des Denguefiebers. Zwei Millionen aber entwickeln das schwere hämorrhagische Fieber, das in 2,5 Prozent der Fälle tödlich endet. "Vor allem Kinder entwickeln diese schwere Form", sagt die Tropenmedizinerin Sabchareon.
Die Erfahrung zeigt, dass es alle sechs bis sieben Jahre zu einer Denguewelle kommt – selbst in Singapur, obwohl die Stadt seit vielen Jahren eine der effektivsten Denguepräventionskampagnen fährt.

Impfstoff gegen Dengue in greifbarer Nähe

Gegen Dengue ist kein Kraut gewachsen, denn behandeln kann man nur die Symptome. Aber jetzt gibt es Hoffnung: Gleich drei Wissenschaftlerteams testen derzeit ihre neu entwickelten Verfahren gegen die Krankheit. Größte Beachtung findet dabei ein Impfstoff, den die Forscher von Sanofi Pasteur seit 2009 weltweit in 15 Ländern mit 45 000 Probanden in einer klinischen Phase-Drei-Studie erproben.

Eines der Testgebiete ist Ratchaburi, eine thailändische Provinz mit Bergen, Tropfsteinhöhlen, Wäldern und alten Tempeln. Hier nehmen 4000 Kinder im Alter zwischen vier und elf Jahren an der Studie teil. Die Doppelblindstudie – 2608 erhalten den Impfstoff, 1334 in der Kontrollgruppe nicht – ist langwierig. Die Kinder müssen im Abstand von sechs Monaten dreimal geimpft werden. "Der Körper braucht bei einem Lebendimpfstoff viel Zeit zur Produktion von Antikörpern", erklärt Arunee Sabchareon von der Fakultät für Tropenmedizin der Mahidol Universität in Bangkok.

Erste Ergebnisse der Studie werden für Ende 2012 erwartet. Sind sie zufriedenstellend, könnte in den Versuchsländern schon 2015 der Impfstoff auf den Markt kommen. "Der Zeitpunkt der Markteinführung wird dann wesentlich von der Schnelligkeit den nationalen Zulassungsverfahren abhängen", sagt Jean Lang, Leiter des Dengueimpfstoffprogramms von Sanofi Pasteur.

Globalisierte Epidemie

Dengue ist eine der großen Geißeln der Menschheit. Wie auch Malaria wird die Krankheit von Erregern ausgelöst, die von Moskitos übertragen werden: der ägyptischen und asiatischen Tigermücke (Aedes oder Stegomyia aegypti und albopictus), die vier verschiedene Dengueviren in ihrem Arsenal haben.
"Allein 2010 gab es etwa zwei Milliarden Flugreisende – und das Moskito reist mit."
(Duane Gubler)
Die Unterschiedlichkeit dieser Serotypen ist ein wesentlicher Grund dafür, weshalb die Entwicklung eines Dengueimpfstoffs ein komplexer und langwieriger Prozess ist.

Seit Ende der 1950er Jahre kommt es immer häufiger zu immer größeren Dengueepidemien. "Hunderte Millionen Menschen fliegen jedes Jahr um die Welt", sagt Duane Gubler, einer der profiliertesten Dengueexperten der Welt. "1950 gab es 68 Millionen Flugreisende, 2010 waren es etwa zwei Milliarden – und das Moskito reist mit." Eine weitere wesentliche Ursache sieht Gubler, der unter anderem an der staatlichen Universität Singapurs forscht, in der Urbanisierung. "Immer mehr Menschen ziehen in die großen Städte. Schauen Sie sich nur mal Jakarta an. Vor 40 Jahren lebte dort vielleicht eine Million Menschen. Heute sind es mehr als 20 Millionen. Und ein Großteil davon lebt unter katastrophal schlechten hygienischen und medizinischen Bedingungen in Slums."

Früher Tod als Virenschutz

Auf den Cayman Inseln in der Karibik erproben Forscher daher ein Verfahren, das die Verbreitung der Moskitos eindämmen soll. Ihr kleiner Versuch sei dieses Jahr erfolgreich verlaufen, berichten die Wissenschaftler der britischen Firma Oxitec. Sie hatten die Sterile Insect Technique (SIT) fortentwickelt, bei der männliche Moskitos gentechnisch so manipuliert werden, dass sie ein tödliches Gen in sich tragen. Der Trick dabei ist, den gentechnisch veränderten Mücken während ihres Larvenstadiums ein Gegenmittel zu verabreichen, damit sie nicht selbst Opfer des eingebauten Todesgens werden. "Solange wir den Moskitos im Larvenstadium das Gegenmittel geben, bleiben sie wachstumsfähig und fruchtbar, und wir können sie in großer Zahl züchten", erklärt Luke Alphey, Chefwissenschaftler bei Oxitec. Die so veränderten Männchen werden dann ausgesetzt, paaren sich in der Wildnis mit Weibchen, vererben das eingebaute tödliche Gen weiter. Der Nachwuchs stirbt mangels Gegenmittel, bevor er das Erwachsenenstadium erreicht und ist damit keine Gefahr mehr, denn nur erwachsene Stechmücken können das Virus auf Menschen übertragen.

Auch Scott O’Neill hofft, mit einem frühen Jugendtod diesen Insekten ihr infektiöses Potential zu nehmen. Der Leiter des Fachbereichs Biologie an der University of Queensland in Australien injiziert dafür das Bakterium Wolbachia in Moskitoembryos. Dadurch reduziert sich die Lebensdauer des Moskitos um etwa die Hälfte auf 12 – 15 Tage. Das reicht nicht, um das Denguevirus zu übertragen, lässt aber Zeit genug für ein erfülltes Sexualleben, durch das die Tiere neben ihren Genen auch Wolbachia an den Nachwuchs weiterreichen.

Im Labor war die Technik bereits erfolgreich, wie auch ein erster Feldversuch in der Umgebung der australischen Stadt Cairns vielversprechend verlaufen sein soll. So richtig konkret darf O’Neill im Augenblick allerdings nicht werden. "Die Ergebnisse des Feldversuchs werden in Kürze in 'Nature' veröffentlicht, und bis dahin herrscht gegenüber anderen Medien eine Sperrfrist." Nur soviel ist schon klar: Die Vorbreitungen für einen groß angelegten Versuch in Vietnam mit dem Wolbachia-Moskito laufen bereits und könnten Ende 2011 beginnen.

Ohne Prävention geht es nicht

Wem gehört bei der Denguebekämpfung die Zukunft: dem Impfstoff oder den jung sterbenden Moskitos? Oxitec-Forscher Alphey sieht keine Konkurrenz zwischen Impfstoff und Vektorkontrolle. "Die beiden wirken unterschiedlich und können sich gegenseitig ergänzen. Impfstoffe schützen das Individuum. Sterile Moskitos hingegen schützen ein Areal und damit alle, die darin leben, unabhängig von Alter, Macht, Wohlstand, Status oder Bildung."

Aber eines ist schon vor Ende der Feldversuche und Studien klar: Weder Impfstoff noch Vektorkontrolle sind Beruhigungspillen. Bei dem Experiment mit den sterilen Tieren auf den Cayman Inseln konnte die Moskitopopulation zwar um 80 Prozent reduziert werden, aber ein Fünftel der Mücken überlebte. Auch bei dem Impfstoff wird ein Restrisiko bleiben. Sabchareon sagt: "Ich persönlich glaube nicht, dass er 100-prozentigen Schutz bieten wird."

Für den Dengueexperten Gubler bleibt daher die Prävention ein zentraler Ansatzpunkt. Aber das ist leichter gesagt als getan. Tropische Regenzeit ist Denguezeit. Stehende Gewässer, Pfützen auf der Straße oder auf Baustellen, Wasser in alten Autoreifen, in achtlos weggeworfenen Dosen und in Kokosnussschalen bieten im feucht-tropischen Klima ideale Brutbedingungen für die Moskitolarven. Zwar gibt es in all den asiatischen Ländern Programme zur Dengueprävention, aber sie werden – wenn überhaupt – nur halbherzig durchgesetzt. "Es fehlt der politische Wille", klagt Professor Gubler.

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