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News: Kurzlebig, aber völlig normal

Welche Eigenschaften chemische Elemente besitzen, bestimmt die Anzahl der Elektronen in ihrer äußersten Schale. Bei sehr schweren Elementen kann es jedoch passieren, dass relativistische Effekte die Form der Elektronenschalen so verändern, dass sie sich nicht wie die übrigen Elemente ihrer Gruppe verhalten. Ob bereits Bohrium, das 107te Element im Periodensystem, die Grenze markiert, an dem sich Atome mit gleicher Elektronenbesetzung auf der äußersten Schale unterschiedlich verhalten, untersuchten jetzt Chemiker an dem kurzlebigen Element. Ihr Ergebnis: Bohrium hält sich offenbar an die Regeln - im Gegensatz zu seinen beiden angrenzenden, leichteren Nachbarn 105 und 106.
Die Chemie stellt alle bisher bekannten Elemente im so genannten Periodensystem der Elemente so zusammen, dass sie sowohl nach ihrer Kernladungszahl, als auch nach ihren Eigenschaften geordnet sind. Diese hängen im wesentlichen von der Zahl der Elektronen in ihrer äußersten Schale ab und kennzeichnen so die jeweilige Gruppe aus ähnlichen Elementen. Das Periodensystem erlaubt damitauch die Eigenschaften bisher wenig oder gar unbekannter Elemente vorauszusagen – beispielsweise für Bohrium, Element Nummer 107. Dabei gibt es nur ein Problem: Bisher funktioniert das System ausgesprochen gut, aber Physiker vermuten, dass es mit höheren Ordnungszahlen zu ungenau wird. Denn je größer die Atommasse eines Elements, desto schneller wird sein Kern von den Elektronen umrundet, bis sie schließlich relativistische Effekte aufweisen. Darunter versteht man, dass Massenänderungen die Gestalt der Elektronenwolken verändern, so dass die Eigenschaften von sehr schweren Elementen nicht mehr vorausgesagt werden können, indem man ihre leichtere Verwandtschaft betrachtet. Bereits die Elemente 105 und 106 verhalten sich nicht mehr ganz nach den Regeln.

Andreas Tuerler und Heinz Gaeggeler vom Paul Scherrer Institut sowie ihre Mitarbeiter fragten sich daher, ob bereits das Bohrium die Grenze zum nicht mehr vorhersagbaren Verhalten markiert. Indem sie einen Strahl von Neon-Atomen auf Berkelium-Atome schossen, konnten die Forscher das Bohrium Isotop 267Bh mit einer Halbwertszeit von 17 Sekunden erzeugen. Das neu hergestellte Bohrium sollte sich dabei ähnlich wie seine leichteren Verwandten aus der 7. Gruppe des Periodensystems – wie beispielsweise Technetium und Rhenium – verhalten. Da es nur sehr kurzlebig war, überführten die Forscher die Atome direkt aus ihrer Geburtsstätte in eine Strömungskammer, um ihr chemisches Verhalten zu untersuchen. Hier traf das kurzlebige Element gleich anschließend mit heißem Sauerstoff und Salzsäuregas aufeinander, zwei Stoffen, mit denen Technetium und Rhenium schnell reagieren. Die Reaktionsprodukte wurden dann durch eine chromatographische Säule geleitet, wo sie auf 70 bis 180 Grad abkühlten. Insgesamt konnten die Wissenschaftler zwar in einem halben Jahr mit ihrem Experiment nur sechs brauchbare Atome des Isotops 267Bh herstellen. Doch die Atome verhielten sich genauso, wie es die Wissenschaftler zuvor vorausgesagt hatten: Sie reagierten mit Wasserstoff und der Salzsäure zu BhO3Cl, flogen durch die chemische Trennsäule und hinterließen ihr Zerfallsmuster als "Fingerabdruck" (Tagung der American Chemical Society vom 20. August 2000).

"Das ist eine außergewöhnliche Arbeit", meint Walter Loveland, Chemiker an der Oregon State University, der die Arbeit außerdem als "einzigartiges Ereignis und einen beträchtlichen Fortschritt für die Chemie hält".

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