Laborsicherheit: Raum für riskante Forschung

Der Schutzanzug erinnert an das Michelin-Männchen. Ein Mitarbeiter des Robert Koch-Instituts (RKI) hat ihn prall mit Luft aufgepumpt und prüft so, ob alles dicht ist. An seinen Händen trägt er ein erstes Paar Laborhandschuhe, mit Klebeband am Ärmel seines Kittels fixiert. Mit dem weißen Anzug ist ein zweites Paar fest verbunden, die Anzugbeine gehen direkt in Gummistiefel über. Beim Anziehen verschwindet der Kopf des Mannes in einer Art Taucherglocke aus transparentem Kunststoff. Um in dieser Blase nicht zu ersticken, greift er nach einem blauen, von der Decke hängenden Pressluftschlauch, den er in Hüfthöhe an seinem Anzug anschließt, wenn er das S4-Labor betritt.
S4, international auch BSL-4 (kurz für: Biosafety Level), steht für die höchste Sicherheitsstufe, die eine Forschungseinrichtung haben kann. Solche Labore sind dafür ausgelegt, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einen Ort zu bieten, um die gefährlichsten Krankheitserreger zu erforschen. Dazu zählen unter anderem Ebola-, Marburg- und Lassa-Viren. 170 Millionen Euro kostete der Bau an der Berliner Seestraße, 2018 ging das Labor als jüngste der vier deutschen S4-Anlagen in Betrieb. Besucher sind in den Räumlichkeiten nicht erlaubt, nur speziell geschulte Personen dürfen die Schleusen passieren. Wie es dahinter aussieht und welchen Aufwand die RKI-Mitarbeiter betreiben, um zu ihren Arbeitsplätzen zu gelangen, zeigt das Institut in Videos.
Doch wie sicher sind solche Anlagen vor Laborunfällen? In einer im März 2025 veröffentlichten Recherche der »Zeit« und der »Süddeutschen Zeitung« deckten die beiden Medienhäuser eine Einschätzung des Bundesnachrichtendienstes aus dem Jahr 2021 auf. Demnach gehe der Geheimdienst schon seit Längerem davon aus, dass der Ursprung der Coronapandemie in einer Forschungseinrichtung liegt. Das Virus sei das Ergebnis riskanter Experimente. Im chinesischen Wuhan betreibt das dortige Institut für Virologie ein BSL-4-Labor. Es befindet sich nur einige Kilometer vom Wildtiermarkt entfernt, auf dem Ende 2019 die weltumspannende Infektionswelle begann.
Ungeachtet der Geheimdiensterkenntnisse schreibt das RKI auf seiner Internetseite im April 2025 weiterhin, das Virus sei wahrscheinlich von seinem natürlichen Reservoir in Wildtieren auf den Menschen übergesprungen. Im direkten Gespräch berichten RKI-Mitarbeitende jedoch, dass man die so genannte Labor-Hypothese intern nie ganz ad acta gelegt habe. Manch einer hätte bei der Frage, wie eine mögliche künftige Pandemie zu verhindern ist, auch über das Thema Laborsicherheit nachgedacht.
Vorkehrungen auf jeder Ebene
Bei einem modernen BSL-4-Labor wie jenem in Berlin sind solche Überlegungen überaus präsent. Das Gebäude ist luftdicht gebaut, so dass keinerlei ungewollter Gasaustausch mit der Außenwelt erfolgt. Luft-, Strom- und Wasserversorgung sind allesamt autark. Im Inneren der Räume herrscht Unterdruck, durch den auch über die Schleusen keine Laborluft ins Freie dringt. Neue Mitarbeiter werden vom Verfassungsschutz überprüft. Material von außen muss aufwändig zu den Sterilwerkbänken hin geschleust werden, etwa durch ein mit Desinfektionsmitteln gefülltes Tauchbecken. Selbst die Müllabfuhr ist eine logistische Herausforderung: Laborabfälle oder defekte Materialien werden in einem Autoklav – ein Gerät nach dem Prinzip eines Schnellkochtopfs – unter Druck mit 121 Grad Celsius heißem Dampf behandelt, bis enthaltene Erreger sicher abgetötet sind. Am Ende ihres Arbeitstags nehmen Labormitarbeiter eine mehrminütige Dekontaminationsdusche in voller Montur. Alles Abwasser wird erhitzt, bevor es keimfrei das Gebäude verlässt.
Hochrisikolabore in Deutschland
Für die Zahl an gentechnischen Anlagen gibt es verlässliche Angaben, da sie vor ihrer Inbetriebnahme eine behördliche Genehmigung benötigen. Im Jahr 2024 gab es in Deutschland mehr als 4800 Labore der Sicherheitsstufe 1, gut 1900 entsprechen BSL-2 und 89 BSL-3. Für die höchsten Sicherheitsanforderungen ausgelegt sind derzeit vier Einrichtungen: Auf der Insel Riems forscht das staatliche Friedrich-Löffler-Institut an Tierseuchen und hält dazu auch Tiere in seinem Hochsicherheitslabor. Die GSL-4-Labore des Robert Koch-Instituts in Berlin, der Philipps-Universität Marburg und des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in Hamburg arbeiten mit Humanpathogenen. In Marburg haben im vergangenen Jahr zudem die Bauarbeiten für ein fünftes S4-Labor begonnen, das auf 3000 Quadratmetern zwölf weitere Arbeitsplätze bieten soll. In der Schweiz gibt es GSL-4-Einrichtungen in Spiez und in Mittelhäusern, Österreich hat hingegen keine einzige. Weltweit sind 69 Labore der Sicherheitsstufe 4 bekannt, 26 von ihnen stehen in Europa – so viele wie auf keinem anderen Kontinent.
Viele dieser Standards gelten ebenso für Labore der zweithöchsten Sicherheitsstufe BSL-3. Beschäftigte tragen hier jedoch »nur« einen geschlossenen, flüssigkeitsundurchlässigen Laborkittel, dazu wenigstens zwei Paar Schutzhandschuhe sowie bei luftübertragbaren Erregern Atemschutzmasken. Den wesentlichen Unterschied zwischen S3 und S4 machen die Ganzkörperanzüge aus, die einzig in BSL-4-Laboren Pflicht sind. »Es ist de facto ausgeschlossen, sich durch den Anzug zu infizieren«, erklärt Stephan Günther, Leiter der Virologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, das in Hamburg ebenfalls ein S4-Labor unterhält. Darin sind, als Teil des European Virus Archive, rund 100 seltene tropische Viren archiviert. Eine Ansteckung könne demnach nur passieren, »wenn die Ausrüstung kaputt ist«, so Günther, »zum Beispiel, wenn jemandem der Handschuh reißt und er sich dann mit der Nadel in den Finger sticht.« Dass dies bei aller Vorsicht vorkommt, weiß er aus eigener Erfahrung. 2009 verletzte sich nämlich eine Mitarbeiterin, die im Labor mit Ebola-Viren hantiert hatte, mit einer Spritze. Nach drei Wochen Isolierstation gab das Institut Entwarnung: Die Frau hatte sich nicht angesteckt.
Kein Überblick über die Zahl der Laborunfälle
Wie oft solche Unfälle weniger glimpflich ausgehen, lässt sich gar nicht so leicht beantworten. Für eine 2016 vorgelegte Studie hatte ein Forschungsteam um Didier Raoult von der Aix Marseille Université BSL-3- und BSL-4-Labore weltweit um Daten gebeten. Infektionen in der Belegschaft gab es demnach nur selten und gingen zumeist auf menschliche Fehler zurück. Von 119 angefragten Institutionen berichteten vier von solchen Unfällen, allerdings hatten nur 23 überhaupt auf die Anfrage geantwortet. Eine umfassendere Arbeit erschien 2024. Hierfür hatte ein internationales Team um Stuart Blacksell von der University of Oxford öffentliche Berichte über Laborunfälle der Jahre 2000 bis 2021 ausgewertet. Sie umfassten 94 Ereignisse mit insgesamt 309 im Labor erworbenen Infektionen. Salmonellen traten am häufigsten als Auslöser auf. 16-mal seien innerhalb der gut 20 Jahre Erreger aus einem Labor entwichen – nicht etwa durch undichte Stellen im Bauwerk, sondern durch unbemerkt infizierte Beschäftigte, die andere Personen außerhalb der Forschungseinrichtung ansteckten. Je dreimal übertrugen Mitarbeitende Milzbrandbakterien, Polio- und Sars-Coronaviren. Beim größten Ausbruch erkrankten in der Folge mehr als 10 000 Menschen in China an einer von Bakterien ausgelösten fiebrigen Erkrankung, der Brucellose. Insgesamt stuften die Fachleute die Datenlage zu Laborunfällen jedoch als dünn ein und forderten umfassendere Berichtspflichten.
Dennoch gilt die Arbeit in S4- und S3-Laboren als ausgesprochen ansteckungssicher. Das Risiko ist insbesondere dann nicht erhöht, wenn die erforschten Erreger draußen ohnehin kursieren. Emmanuel Wyler, Molekularbiologe am Max Delbrück Center (MDC) in Berlin, erinnert sich an eine Kollegin, die wegen ihrer Schwangerschaft nicht mehr im S3-Labor arbeiten durfte. Die Vorgabe fanden die Forschenden eher absurd: »Jede U-Bahn ist für sie gefährlicher als das S3-Labor«, habe man gewitzelt.
In der Schutzstufe 2 sind die Sicherheitsstandards deutlich niedriger. Die aufwändigen Schleusen der BSL-3- und BSL-4-Labore fehlen. Ein BSL-2-Arbeitsbereich muss baulich nicht abgetrennt sein und keinen Unterdruck haben. Die Beschäftigten können sogar Fenster öffnen. Sie tragen Laborkittel und Handschuhe sowie bei Bedarf Schutzbrille und Maske. Letztere wirken Aerosol- oder Schmierinfektionen zwar entgegen, sie bieten aber keinen vollständigen Schutz. In einem BSL-1-Labor sind nur noch übliche Hygienemaßnahmen wie Händewaschen vorgeschrieben.
Die vier Klassen von Viren
Die vier Risikogruppen für Biostoffe – zu denen auch Viren zählen – gehen in Deutschland auf Definitionen in der Biostoffverordnung zurück, die auf die Richtlinie 2000/54/EG des Europäischen Parlaments aufbaut. Viele der bekannten Krankheitserreger sind EU-weit einheitlich klassifiziert.
Gruppe 1: Unwahrscheinlich, dass sie beim Menschen eine Krankheit hervorrufen. Beispiele: tierische Viren, die nicht auf Menschen überspringen, etwa Maus-Coronaviren oder Frosch-Herpes.
Gruppe 2: Können bei Menschen eine Krankheit hervorrufen; eine Verbreitung ist jedoch unwahrscheinlich und es gibt wirksame Vorbeugung oder Behandlungen. Beispiele: Norovirus, Zika, Röteln, diverse menschliche Herpesviren.
Gruppe 3: Können bei Menschen eine schwere Krankheit hervorrufen; die Gefahr einer Verbreitung in der Bevölkerung kann bestehen, doch es gibt wirksame Vorbeugung oder Behandlungen. Beispiele: MERS, SARS, Covid-19, Denguefieber, Gelbfieber, Vogelgrippe, HIV.
Gruppe 4: Können bei Menschen eine schwere Krankheit hervorrufen; eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung ist nicht möglich. Beispiele: Ebola, Marburg, Krim-Kongo-Fieber.
Quelle: TRBA 462 Einstufung von Viren und TSE-Agenzien in Risikogruppen, Ausgabe: April 2025
Ein entscheidender Aspekt für die Sicherheit ist deshalb, welche Arbeiten mit welchem Virus in welcher Umgebung stattfinden. Bevor das BSL-4-Labor in Wuhan entstand, konnte Ulf Dittmer, Präsident der Gesellschaft für Virologie, die Baupläne im Detail einsehen. »Das ist absolut westlicher Standard. Am Baulichen hat es sicher nicht gefehlt«, erzählt er. Das Problem ist eher, dass Experimente mit Coronaviren vor Ausbruch der Pandemie womöglich nicht allein im Hochsicherheitsbereich des Instituts für Virologie durchgeführt wurden, sondern auch in Laboren der Sicherheitsstufen 2 und 3. Dies räumte die führende chinesische Virologin Shi Zhengli gegenüber dem Fachmagazin »Science« ein. Mancher Wissenschaftler sprach daraufhin von einem »Skandal«; Dittmer würde ein solches Vorgehen als »erhebliche Sicherheitslücke« einstufen.
Gelockerte Regeln für Sars-CoV-2
Vor diesem Hintergrund mag eine Entscheidung in Deutschland verwundern, die ausgerechnet kurz nach Enthüllung der BND-Erkenntnisse fiel. Seit dem 8. April 2025 darf nämlich mit Sars-CoV-2 zum Teil in S2-Einrichtungen geforscht werden. Bis dahin war das nur in S3- und S4-Laboren möglich gewesen. Die Herabstufung greift für viele gentechnische Arbeiten, während für Laborarbeiten wie das Vermehren von Viren in Zellkulturen weiterhin das höhere Schutzniveau eines S3-Labors vorgeschrieben ist.
Was paradox wirkt, erklärt sich erst durch einen Blick auf die regulatorischen Vorgänge, die hinter solchen Entscheidungen stecken. Hier spielen sowohl Prozesse auf transnationaler als auch auf nationaler Ebene eine Rolle. Ein Erreger wird dabei gleich mehrfach in Risikogruppen einsortiert – und das nicht immer einheitlich.
Eine EU-Richtlinie, die in Deutschland durch die Biostoffverordnung in nationales Recht umgesetzt wird, teilt biologische Gefahrenstoffe in eine von vier Klassen ein. Sie bewertet sie dabei danach, wie riskant sie für jene sind, die mit ihnen arbeiten. Den wichtigsten Pathogenen sind bereits EU-weit Gruppen zugewiesen. Sars-CoV-2 fällt dabei in die Risikoklasse 3, in der sich Erreger befinden, von denen zwar eine ernste Gefahr ausgeht, die sich aber wirksam behandeln lassen oder denen man vorbeugen kann. Ein weiteres deutsches Regelwerk arbeitet ebenfalls mit vier Stufen. Das Gentechnikgesetz bewertet gentechnische Arbeiten nach ihrem Risiko, und aus der Gentechnik-Sicherheitsverordnung leitet sich dann ab, welche Schutzmaßnahmen hier einzuhalten sind.
Die Regularien stehen gleichwertig nebeneinander, wenn es darum geht, einen Erreger in Deutschland einer Risikogruppe zuzuordnen. Ob bei der Eingruppierung die eine oder die andere Verordnung zum Tragen kommt, entscheidet sich nach der Art das Experiments, das geplant ist. So gilt die EU-weit festgelegte Einordnung von Sars-CoV-2 in die Risikoklasse 3 noch heute für Diagnoselabore und für Forschung jenseits gentechnischer Arbeiten. Sind jedoch Eingriffe ins Erbgut der Viren im Spiel, fallen die Versuche unter das Gentechnikrecht. Das hier zuständige Entscheidungsorgan, ein ehrenamtliches Gremium der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS), entschied im April 2025, Sars-CoV-2 in die Risikogruppe 2 herabzustufen. Es begründete dies unter anderem mit der breiten Immunität in der Bevölkerung und der Existenz von Impfstoffen.
In der Folge können nun gentechnische Experimente in Einrichtungen der niedrigeren Sicherheitsstufe 2 stattfinden, während weniger riskante, gentechnikfreie Arbeiten allesamt weiterhin S3-Labore erfordern. Für Letztere gelten europäische Arbeitsschutzregelungen. Um sie zu ändern, müssten alle EU-Staaten zustimmen – ein komplexeres Unterfangen als das nationale Verfahren. Auch bei den Gentechnikversuchen hat die ZKBS jedoch Ausnahmen definiert: Erlangt Sars-CoV-2 Mutationen, die die WHO als Besorgnis erregend einstuft, muss wieder in BSL-3-Laboren gearbeitet werden. Gleiches gilt für Experimente, die die Pathogenität des Pandemievirus erhöhen.
Schutz für Mitarbeitende – oder die Allgemeinheit?
»Wir leben mit solchen Widersprüchen seit Langem«, sagt Stephan Becker, der das S4-Labor an der Philipps-Universität Marburg leitet. Die Entscheidung der ZKBS hält er für ebenso mutig wie berechtigt. »Wenn man im BSL-2-Labor arbeitet, steigt die Chance nicht, dass sich die Welt mit Sars-CoV-2 ansteckt«, meint der Virologe. Riskanter sei die Arbeit mit einem Virus, mit dem die Bevölkerung noch keinen Kontakt hat: »Das muss unter erhöhten Sicherheitsbedingungen stattfinden. Die Pandemiewahrscheinlichkeit muss mitgedacht werden.«
Die Schutzstufe eines Labors legt zugleich fest, wie stark Mitarbeitende und das Umfeld der Anlage vor den erforschten Pathogenen zu schützen sind. Doch nicht alle Erreger erfordern beiderseits dasselbe Ausmaß an Vorsichtsmaßnahmen. Ein Virus könnte etwa äußerst gefährlich für jene sein, die in direktem, engem Kontakt mit ihm stehen, aber nur in geringem Maß für die breite Bevölkerung. Das ist dann der Fall, wenn es kaum ansteckend ist, eine Infektion bei Betroffenen jedoch sehr ernste Symptome auslöst. Ein anderes Pathogen birgt womöglich ein höheres Risiko von Masseninfektionen, weil es sich leicht von Person zu Person übertragen lässt. Ganzkörperanzüge, die Mitarbeitende optimal schützen, und Unterdruckschleusen zur Sicherheit der Menschen außerhalb gibt es allerdings nur gemeinsam in Hochrisikolaboren. Keine Schutzstufe sieht je nach Bedarf nur das eine ohne das andere vor.
»Der Arbeitsschutz bestimmt die Klassifikation«, erläutert der Hamburger Virologe Günther. »Daraus folgt zum Beispiel, dass Viren in die Risikoklasse 4 eingestuft werden, die zwar tödlich sind und für die es keine Medikamente oder Impfungen gibt, die aber nur schwer oder überhaupt nicht von Mensch zu Mensch übertragbar sind.« Dagegen finde man kein Atemwegsvirus in der höchsten Klasse. »Bei leicht übertragbaren respiratorischen Viren wäre teilweise eine höhere Einstufung angebracht«, meint er. In anderen Fällen könnte er sich eine Herabstufung vorstellen. Beim Lassa- oder beim Krim-Kongo-Fieber-Virus könnte der BSL-3-Standard ausreichen, ergänzt um Schutzanzüge oder Atemschutzhauben, die in dieser Stufe nicht vorgeschrieben sind. Eine Art »BSL-3 plus«, sagt Günther. »Das wäre ein guter Kompromiss.«
Große Differenzen in der Ausgestaltung
Wer bloß auf die Schutzstufe einer Einrichtung schaut, erhält allerdings ein unvollständiges Bild. »Labore sind nur so gut, wie sie betrieben werden«, so der Marburger Laborchef Becker. Trotz einheitlicher Bezeichnungen sind Standards international höchst unterschiedlich ausgestaltet. Wo BSL-3 draufsteht, ist keineswegs überall dasselbe drin. Das stellten auch US-Wissenschaftler fest, als sie nationale Biosicherheitsregeln miteinander verglichen. Selbst innerhalb der EU gebe es hier signifikante Abweichungen, schrieben sie 2016. In Asien stießen sie auf einige BSL-3-Labore, die gerade noch dem durch die Weltgesundheitsorganisation WHO festgelegten BSL-2-Standard entsprachen.
Zudem ist unklar, wie häufig es zu Problemen im Betrieb der Einrichtungen kommt. Es gibt Berichte über teils schlechte Zustände, mangelhafte Wartung und fehlerhaften Umgang mit Sicherheitsvorgaben, unter anderem in chinesischen Anlagen. Im Labor von Wuhan will die Australierin Danielle Anderson – die wohl einzige ausländische Wissenschaftlerin, die zu Beginn der Pandemie dort arbeitete – nichts Nachteiliges bemerkt haben. Auch die deutschen Expertinnen und Experten sehen keine Indizien dafür, dass es in China generell laxer zuginge. Ulf Dittmer kann dies sogar aus eigener Erfahrung bestätigen. Er ist Kodirektor eines S2-Labors, welches das Universitätsklinikum Essen seit 2017 zusammen mit einer Klinik in Wuhan betreibt und welches sich auf Versuche mit Hepatitis-B-Erregern spezialisiert hatte. Als die Pandemie begann, untersuchte man dort auch Zellen und Antikörper von Coronainfizierten – weitergehende Forschung ließen die chinesischen Behörden aus Sicherheitsgründen nicht zu. »Wir durften dort berechtigterweise keine Experimente mit dem Virus durchführen«, erzählt Dittmer.
Biosicherheit: Durchwachsenes Zeugnis für Deutschland
Wenn hier zu Lande von »Biosicherheit« die Rede ist, unterscheidet man hierbei auf Englisch zwischen »biosafety« und »biosecurity«. Ersteres bezeichnet den Schutz vor unbeabsichtigten Schäden, etwa durch Laborunfälle, Letzteres den vor bewusst missbräuchlicher Nutzung der Anlagen oder Forschungsergebnisse. Fachleute des King's College London bewerteten jene Faktoren in ihrem »Global Biolabs Report 2023« für alle 27 Länder mit Hochrisikolaboren. Während Deutschland im Bereich Biosafety zu den Spitzennationen gehört, fällt die Einschätzung zur Biosecurity verhaltener aus. Unter anderem vermissten die Autoren ein System zur Meldung von Vorfällen sowie angemessene Risikoanalysen und Trainings für das Personal. Am Ende reichte es hier nur für Rang 19 von 27, gleichauf mit Belarus und deutlich hinter Russland.
Besonders heikel sind so genannte Gain-of-Function-Versuche. Mit ihnen statten Fachleute die Erreger im Labor mit neuen Eigenschaften aus. Meistens dient dies dazu, molekularbiologische Prozesse messbar zu machen oder Bauanleitungen für Proteine zu Forschungszwecken in Zellen zu schleusen. Manche Veränderungen können jedoch die Gefährlichkeit von Viren erhöhen. Das betrifft etwa solche Experimente, die Mutationen im Erbgut eines tierischen Pathogens erzeugen, die es ihm erlauben, in der Folge auch menschliche Zellen zu infizieren. Die Arbeiten erschaffen somit für die Menschheit riskante Erreger – mit dem Ziel, besser einschätzen zu können, wie diese natürlich entstehen. In einer Stellungnahme ordnet die deutsche Gesellschaft für Virologie derartige Forschung als unersetzlich ein, um Krankheiten zu bekämpfen und Pandemien vorzubeugen.
Derartige Experimente machen immer wieder Schlagzeilen, die in der Bevölkerung auch Ängste auslösen. In der Berichterstattung zu den Frettchenversuchen von Ron Fouchier war etwa vom »Killer aus dem Labor« die Rede oder von einem möglichen »Terror-Virus«. Dem Team um den Rotterdamer Virologen war es 2012 gelungen, ein Vogelgrippevirus im Labor zu züchten, das via Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen werden konnte. Auch in der Fachwelt regte sich Kritik an der Arbeit, da sie eine Influenzavariante erschaffen hatte, die das Potenzial zum Pandemievirus hatte.
Doch die Aufregung ebbte ab, bis mit Sars-CoV-2 die Lab-Leak-Hypothese wieder ins Visier der Öffentlichkeit geriet. Und egal wie das Virus tatsächlich auf den Menschen übersprang: Dass manche Laborexperimente womöglich zu hohe Risiken mit sich bringen, betonte auch bereits der Charité-Virologe Christian Drosten. Der »taz« gegenüber erzählte er, dass er Berichte von Experimenten zur Begutachtung erhalte, die er auf Grund ihrer Gefährlichkeit gar nicht erst gemacht hätte. Denn selbst die höchsten Sicherheitsstandards können nicht jeden Unfall verhindern. Deshalb müssen Forscher immer abwägen, welchen möglichen Nutzen ein Experiment bringt – und wie viel Gefahr damit eingeht.
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