Direkt zum Inhalt

News: Lachgas - ernsthaft betrachtet

Distickstoffoxid, aufgrund seiner euphorisierenden Wirkung auch Lachgas genannt, wird seit Anfang des 19. Jahrhunderts zunächst als Entspannungsdroge, dann als Betäubungsmittel eingesetzt. Trotz seines immer noch weitverbreiteten Gebrauchs in der medizinischen und dentalen Anästhesie wußte jedoch niemand wie es funktioniert - bis heute. Die Wirkungsweise der narkotischen Aktivität von Lachgas und möglicherweise die Wurzel seiner euphorischen und schmerzlindernden Wirkungen wurden jetzt endlich aufgedeckt.
Die euphorisierenden Wirkungen von Distickstoffoxid wurden zum ersten Mal von Humphrey Davey im Jahre 1799 erkannt. Nach dem langjährigen Einsatz von Lachgas als Entspannungsdroge wurde es in den späten 1840ern als Betäubungsmittel in die klinische Praxis eingeführt.

Narkotische Medikamente wirken auf das Zentralnervensystem, also Gehirn und Rückenmark. Ihre Wirkung ist gewöhnlich derart, daß sie unser Bewußtsein unterdrücken und uns gegen Schmerz unempfindlich machen. Sie hindern Nerven daran, miteinander zu kommunizieren. So wird kein Schmerzsignal von der Stelle, an der der Chirurg arbeitet, an das Gehirn des Patienten weitergeleitet.

Nerven kommunizieren, indem sie chemische Signale (Transmitter) abgeben, die von Empfängern (Rezeptoren) benachbarter Nerven aufgefangen werden. Im Zentralnervensystem gibt es hauptsächlich zwei chemische Signalwege. Die erregenden und hemmenden Stoffe sind Glutamat und GABA (für Gamma-Amino-Buttersäure, engl. = gamma-amino butyric acid). V. Jevtovic-Todorovic und seine Kollegen von der Washington University School of Medicine in St Louis, Missouri, haben nun herausgefunden, daß Lachgas auf die Rezeptorstellen von Glutamat einzuwirken scheint (Nature Medicine, April 1998 (Abstract)). Es blockiert die Fähigkeit, das normale Signal zu entdecken.

Die NMDA-Glutamat-Rezeptoren werden nur von einem anderen Betäubungsmittel, dem Ketamin, beeinflußt, so daß sie als unwahrscheinliches Ziel galten. Die Forscher entdeckten jedoch, daß das Gas nicht wie andere Betäubungsmittel funktioniert, die im allgemeinen die dämpfenden Signale der GABA-Rezeptoren verstärken.

Ihren Namen erhielten die NMDA-Rezeptoren von der chemischen Verbindung NMDA (N-Methyl-D-Aspartat), das sich normalerweise an die Rezeptoren bindet und die Nerven "übererregt". Brachten die Wissenschaftler das Gas und NMDA in die Nähe der Rezeptoren, dann wurden die Nerven weniger erregt als erwartet. Dies zeigt, daß das Gas tatsächlich an die NMDA-Rezeptoren gebunden hatte.

Wenig zum Lachen ist die Erkenntnis, daß das Gas die manchmal toxischen Wirkungen mit NMDA und anderen Verbindungen gemeinsam hat, die diesen Weg der Signalverarbeitung benutzen. Nur der Einsatz von ziemlich kleinen Dosen und die traditionelle Verwendung des Gases in Verbindung mit anderen Betäubungsmitteln haben Patienten gegen diese Nebenwirkungen geschützt.

Was die komische Seite angeht: Euphorie und die schmerzlindernden Wirkungen, die Davey veranlaßten "wie ein Verrückter durch das Labor zu tanzen", könnten durch denselben Pfad ausgelöst werden und dabei die Wirkungen der halluzinogenen Medikamente wie Ketamin und "Angel Dust" (Phencyclidin) nachahmen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.