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News: Langsam und mit wenig Tiefgang

Wer mit so exotischen Materialien wie Hochtemperatur-Supraleitern arbeitet, kann seine Untersuchungsobjekte nicht einfach mit dem Skalpell in Scheiben schneiden und unter ein Mikroskop legen. Da müssen Forscher sich schon ausgefeiltere Methoden einfallen lassen. Zum Beispiel verlangsamte Myonen. Mit diesen schwereren Verwandten des Elektrons lässt sich der Verlauf eines äußeren magnetischen Feldes in den Randbereichen des Supraleiters verfolgen. Und tatsächlich bestätigt das Experiment die Theorie: Das Magnetfeld klingt innerhalb weniger Nanometer ab, sodass es kaum in den Supraleiter eindringt.
Eine ganze Generation von Lehrbüchern der Physik schmücken Titelbilder, auf denen ein leicht frostiger Permanentmagnet über einem Supraleiter schwebt. Der Effekt kommt dadurch zustande, dass magnetische Felder nicht in Supraleiter einzudringen vermögen. Lediglich direkt unter der Oberfläche erreicht die Feldstärke eine nennenswerte Größe und fällt nach innen exponentiell ab. Zumindest war dies die theoretische Vorstellung, denn interne magnetische Felder experimentell zu messen, ist keine leichte Aufgabe. Ted Forgan von der University of Birmingham sowie Elvezio Morenzoni und ihre Kollegen vom Paul-Scherrer-Institut haben das Problem gelöst, indem sie die Probe mit "kalten" Myonen beschossen (Physical Review Letters vom 22. Mai 2000).

Myonen gehören zur gleichen Gruppe von Elementarteilchen wie das Elektron, sind allerdings massereicher und kurzlebiger. Da sie über einen Spin verfügen, reagieren Myonen auf Magnetfelder. Wissenschaftler machen sich dies zunutze, indem sie Materialien mit Myonen beschießen, die darin innerhalb von rund zwei Mikrosekunden zerfallen und Elektronen aussenden. Aus der sorgfältigen Analyse der Elektronen lässt sich auf das Magnetfeld am Ort des Zerfalls schließen.

Die Möglichkeiten des Verfahrens werden jedoch durch die hohe Geschwindigkeit der Myonen begrenzt. "Herkömmliche Myonen, die eine Energie von etwa vier MeV haben, gehen einfach durch viele interessante Proben hindurch", sagt Forgan. Daher schickten die Forscher ihre Myonen erstmal durch ein dichtes Gas, um sie abzubremsen. Indem sie die Beschleunigungsspannung variierten, konnten die Wissenschaftler recht genau bestimmen, wie tief die Myonen anschließend in das Material eindringen. Sie analysierten ihren Hochtemperatur-Supraleiter bei sechs verschiedenen Myonen-Energien zwischen 3 und 30 keV. Dadurch stoppten die Teilchen knapp unter der Oberfläche, das schnellste kam gerade 152 Nanometer tief.

Wie Physiker schon seit Mitte der 30er Jahre vermuten, fällt die magnetische Feldstärke im Supraleiter mit zunehmenden Abstand von der Oberfläche exponentiell ab. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um einen klassischen oder einen Hochtemperatur-Supraleiter handelt.

Der besondere Wert dieser Arbeit liegt jedoch nicht nur in den Messresultaten selbst, meint Jeff Sonier vom Los Alamos National Laboratory, sondern in der Entwicklung eines "empfindlichen Tests, mit dem sowohl die Oberfläche als auch das Innere einer Probe untersucht werden kann."

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