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News: Lauter Ameisen

In Texas wird derjenige mit 1000 Dollar belohnt, der den größten Feuerameisen-Hügel der Vernichtung preisgibt. Wissenschaftler haben nun herausgefunden, dass die Tiere hören können, wenn auch nur auf kurze Entfernung. Schon hofft man in den Ameisen geschädigten Bundesstaaten, den Insekten auf diese Weise den Marsch blasen zu können.
Wenn Ameisen miteinander "sprechen", tun sie dies vor allem, indem sie chemische Signale austauschen. Sie riechen sich also untereinander. Gibt es Stress im Ameisenhaufen, werden Nachrichten aber auch akustisch übermittelt, und zwar, indem die Tiere mit ihren Beinen über das Chitin-Waschbrett ihres Hinterleibes streifen. Stridulation (von stridere, lateinisch: zischen, knirschen) heißt derlei Körpersprache und ist unter den Insekten weit verbreitet. Von Ameisen weiß man allerdings, dass sie für laute Geräusche – sei es eine Motorsäge oder das Klopfen eines Spechtes – völlig taub sind. Wie können sich Ameisen dann akustisch verständigen, wo sie selber doch so leise sind, dass man sie kaum hören kann (Hörprobe)?

Bisher glaubte man, dass sich die Ameisen mit ihren Artgenossen über den Boden verständigen. Er sollte die Vibrationen weiterleiten, welche die seismografischen Beinchen an ferner Stelle registrieren würden. Mitnichten, meinen Robert Hickling vom National Center for Physical Acoustics der University of Mississippi und Richard Brown vom Department of Entomology and Plant Pathology der Mississippi State University. Sie glauben, dass Ameisen durch die Luft übertragene Schallwellen wahrnehmen können. Außerdem haben sie eine Erklärung dafür, dass Ameisen bisher als taub galten (Journal of the Acoustical Society of America vom Oktober 2000).

Des Rätsels Lösung ist das akustische Nahfeld. Innerhalb dieses Feldes wird die Luft direkt durch die Vibrationen der Schallquelle bewegt, genauso, wie das Blatt Papier, das man direkt vor einen Lautsprecher hält. Die Geschwindigkeit der hin- und herschwingenden Luftteilchen, die Schallschnelle, nimmt innerhalb des Nahfeldes rasch ab. Bei der Lautstärke einer lärmenden Ameise reicht dieses akustische Nahfeld bis in eine Entfernung von etwa zehn Zentimetern. Für alles, was jenseits geschieht, sind die Tiere taub.

Insekten nehmen die Schallwellen in der Luft durch Sinneshaare wahr, den Sensilla trichodea. Ameisen haben nur wenige davon, und die befinden sich auf den kleinen Fühlern. Sie sind zu unempfindlich, um normale Schallwellen wahrzunehmen, doch innerhalb des Nahfeldes registrieren sie die veränderliche Geschwindigkeit, mit der sich der Schallimpuls von der Quelle wegbewegt. Die Abnahme der Schallschnelle ist innerhalb des Nahfeldes besonders groß, und die Ameise ist in der Lage, die jeweiligen Geschwindigkeitsunterschiede an ihren beiden Antennen zu registrieren – obwohl diese in einem Abstand von nur wenigen Millimetern zueinander stehen. Jenseits des Nahfeldes werden diese Unterschiede so gering, dass die Fühler sie nicht mehr wahrnehmen können.

Hickling und Brown vermuten also, dass die Ameisen nicht die Schallwellen als solche registrieren, sondern die Differenz der im Nahfeld rasch abnehmenden Schallschnelle. Deshalb können sich die Ameisen mit ihren Artgenossen bis in etwa zehn Zentimeter Entfernung unterhalten. Die schwarze importierte Feuerameise Solenopsis richteri, an denen die Forscher dies erkannten, richtet in den USA große Schäden an, und dementsprechend hoffnungsfroh wurden diese Ergebnisse erwartet. Vielleicht wird es einmal möglich sein, diese Ameisen in ihrer Sprache zum Rückzug zu bewegen – auch wenn sie schon sehr nah dran sein müssen, um uns zu verstehen.

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