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Tiefseekorallen: Lebendiges Netz

Mit Grundschleppnetzen zerstören Fischer rund um Hawaii großflächig Tiefseekorallen. Nun zeigt eine Studie: Nur wer lange wartet, kann sich Hoffnungen auf Wiederkehr machen.
Korallen siedeln sich auf einem verlorenen Netz an
© A. Baco-Taylor FSU, E.B. Roark TAMU, NSF, with HURL Pilots T. Kerby and M. Cremer
Tiefseekorallen
Erste Korallen siedeln sich auf einem verlorenen Fischernetz an, das von Grubenaalen umschwärmt wird.

Grundschleppnetze reißen mit, was sich im oder auf dem Meeresboden findet. Bisher dachte man, dass sich derart zerstörte Lebensgemeinschaften nicht erholen können – zumindest nicht in überschaubaren Zeiträumen. Nun aber haben Forscher doch erste Anzeichen einer Wiederbesiedlung gefunden, zum Beispiel auf diesem Fischernetz.

In den 1960ern bis 1980er Jahren haben Menschen entlang der Unterwasserberge rund um Hawaii intensiv mit Grundschleppnetzen gefischt – und damit etwa 200 000 Tonnen Fisch und ebenso viele Tonnen begehrter Tiefseekorallen pro Jahr aus dem Meer gezogen. 1977 hat die amerikanische Regierung einige Zonen unter Schutz gestellt, darunter auch den Northwest-Hancock-Tiefseeberg, an dem dieses Video aufgenommen wurde. Fast 40 Jahre später sind dort zumindest einige der früher verbreiteten Arten zurückgekehrt, schreibt das Team um Amy Baco von der Florida State University im Journal »Science Advances«. Das zeigt, dass sich Artengemeinschaften wieder erholen können, sofern sie mehrere Jahrzehnte geschützt werden.

Lebensgemeinschaften auf Tiefseebergen gelten als empfindlich gegenüber Veränderungen. Sie sind meist dicht von Filtrieren wie Tiefseekorallen bevölkert. Einige von ihnen wachsen nur einige Mikrometer bis Millimeter pro Jahr und können bis zu mehrere tausend Jahre alt werden. Entsprechend langsam nur reagieren sie auf den Kahlschlag. Studien zeigten beispielsweise, dass fünf bis zehn Jahre nach Ende der Befischung kaum Zeichen einer Erholung erkennbar sind. Amy Baco und Kollegen warteten mehr als 38 Jahre, bevor sie das Gebiet in 200 bis 700 Meter Tiefe untersuchten. Sowohl in den geschützten Regionen als auch vereinzelt in umliegenden weiterhin befischten Arealen beobachteten die Forscher, dass sich Coralliidae und achtstrahlige Octocorallia wieder ansiedelten – auf dem Meeresboden, aber auch auf alten Fischernetzen und verlorener Ausrüstung.

Daraus schließen Baco und Kollegen, dass Teile der früheren Lebensgemeinschaften an den ursprünglichen Orten verbleiben und sich dort ausbreiten. In den geschützten Gebieten fanden die Meeresbiologen Riff bildende Enallopsammia und Solenosmilia und einige Weichkorallen, die in dieser Tiefe sonst nicht vorkommen. Langlebige Goldkorallen (Savalia savaglia), die die Biologen dort eigentlich erwartet hätten, fanden sie allerdings nur vereinzelt.

Es lohnt sich also, bei der Einrichtung von Schutzzonen darauf zu achten, dass auch in benachbarten stark befischten Gegenden nicht kontinuierlich gefangen wird. Denn für die erneute Besiedlung könnte es wichtig sein, dass zumindest kleine Teile der ursprünglichen Population bestehen bleiben. Für den Erhalt der Tiefseekorallen sei es zudem notwendig, in ausgewiesenen Schutzgebieten das Fischen dauerhaft zu verbieten. Kurze »Erholungspausen« von fünf bis zehn Jahren mit anschließender Wiederöffnung für die Schleppnetzfischerei hätten nicht die gewünschte Wirkung.

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