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News: Lebenswichtige Mini-Pumpe

Ohne Membranproteine könnten Zellen nicht leben. Die winzigen Eiweißkörper dienen als steuerbare Poren, die sowohl den selektiven Transport von Molekülen durch die Zellmembran als auch die Wahrnehmung und Übertragung von Informationen ins Zellinnere ermöglichen. Wie die Membranmoleküle Protonen aus dem Zellinnern nach außen transportieren, entdeckten Forscher bereits vor einiger Zeit. Wie ein Membranprotein des Halobacterium salinarum aber Chloridionen in entgegengesetzter Richtung in das Zellinnere pumpt, fanden Wissenschaftler erst vor kurzem heraus. Das so genannte Halorhodopsin ist demnach dem Bakteriorhodopsin sehr ähnlich, es unterscheidet sich nur von diesem an einer Stelle im aktiven Zentrum der Ionenpumpe, an welche das Chlorid-Anion gebunden ist. Chloridionen werden auch von medizinisch bedeutsamen Proteinen - so zum Beispiel das menschliche Bande-3-Protein oder den CFTR-Chloridkanal, welcher der cystischen Fibrose zugrunde liegt - durch Membranen transportiert und sind daher von Bedeutung für biotechnologische Anwendungen.
Halobakterien, die den Archaebakterien angehören, zählen zu den ungewöhnlichsten Lebensformen auf der Erde. Sie leben und vermehren sich sogar munter in ausgetrockneten Salztümpeln oder Salinen, in denen Kochsalz bis zur Sättigungsgrenze gelöst ist – eine Umgebung, in der die meisten anderen Organismen schon längst konserviert wären. Für das Überleben unter "Pökelbedingungen" sind die Halobakterien jedoch bestens angepasst, denn ihre zellulären Bestandteile, wie beispielsweise Proteine oder Zellmembranen, funktionieren auch unter extremen Kochsalzbedingungen. Darüber hinaus verfügen sie über eine besondere Form der Photosynthese. Herzstück ihrer Energiegewinnung ist eine licht-getriebene Protonenpumpe, das membrangebundene Bakteriorhodopsin. Doch den Halobakterien stellt sich beim Wachstum ein weiteres Energieproblem. Um ihr Volumen vor einer Zellteilung zu vergrößern, müssen diese Bakterien große Mengen Salz in ihr Zellinneres pumpen. Die Halobakterien lösen auch diese Herausforderung mit einer licht-getriebenen Pumpe, der Ionenpumpe Halorhodopsin. Das Membranprotein benutzt wie das Bakteriorhodopsin Vitamin A als Lichtempfänger, pumpt aber an Stelle von positiv geladenen Protonen aus der Zelle negativ-geladene Chloridionen ins Zellinnere. Als Gegenionen folgen dabei Kaliumkationen durch Ionenkanäle passiv ins Zellinnere, sodass letztlich im Zellinneren eine hohe Konzentration von Kaliumchlorid eine etwa gleichhohe Konzentration von Natriumchlorid, also Kochsalz, im Zelläußeren osmotisch ausbalanciert.

Obwohl beide licht-getriebene Ionenpumpen, Halorhodopsin und Bakteriorhodopsin, völlig verschiedene Ionen transportieren, besitzen sie neben dem Vitamin A-Chromophor noch eine Vielzahl weiterer Gemeinsamkeiten. So haben beide Proteine eine ähnliche Architektur, die aus sieben, die Membran durchspannenden Helices besteht. Zudem bilden die Proteine bei Belichtung eine Vielzahl von Zwischenzuständen, die man spektroskopisch deutlich unterscheiden kann. Während Forscher in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte machten, um die Funktion des Protonenflusses in Abhängigkeit der Struktur des Bakteriorhodopsin zu verstehen, blieb bisher weitgehend unklar, wie Halorhodopsin die wesentlich größeren Chloridionen transportiert, obwohl beide Proteine ähnlich gebaut sind. Dabei ist ein derartiger Chloridtransport durch Membranen nicht nur auf die an ein ungewöhnliches Ökotop spezialisierten Halobakterien beschränkt. Auch andere, medizinisch bedeutsame Proteine transportieren die Chloridionen auf ähnliche Weise, so zum Beispiel das menschliche Bande-3-Protein oder den CFTR-Chlorid-Kanal, welcher der cystischen Fibrose zugrunde liegt.

Dieter Oesterhelt und seinen Mitarbeitern am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried gelang es, am Beispiel des Halorhodopsins erstmals die strukturellen Eigenarten einer Chloridpumpe aufzuklären (Science vom 26. Mai 2000). Wichtigste Voraussetzung für die Analyse dieses Membranproteins war seine Kristallisation. Hierzu griffen die Wissenschaftler auf eine bereits zuvor bekannte Methode zurück. Bei einer konventionellen Kristallisation werden die Proteine, wie beim Kristallisieren eines Salzes, zunächst frei gelöst, und dann durch fortlaufenden Wasserentzug zur Anlagerung und zum Auskristallisieren gezwungen. Bei der neuen Methode hingegen bettet man die Membranproteine zunächst in eine synthetische Lipidmatrix. Durch den anschließenden Wasserentzug wandelt sich diese Lipidmatrix um, wobei die darin eingebetteten Membranproteine umverteilt werden. In günstigen Fällen, wie beim Halorhodopsin, führt dies zur Ausbildung eines regelmäßigen Kristallgitters und zu Kristallen, die für die Röntgenstrukturanalyse geeignet sind. Mit Halorhodopsin ist es zum zweiten Mal gelungen, die Methode anzuwenden.

Die Forscher fanden dabei heraus, dass die Struktur von Halorhodopsin in überraschendem Ausmaße der von Bakteriorhodopsin ähnelt. Sie beobachteten jedoch den zentralen Unterschied an einer Stelle im aktiven Zentrum dieser Ionenpumpe, wo das Chlorid-Anion gebunden ist. Bei Bakteriorhodopsin sitzt dort an der selben Position die gleichfalls negativ geladene Gruppe einer Aminosäure, die für die vorübergehende Aufnahme des Protons während des Pumpprozesses verantwortlich ist.

Bei Halorhodopsin fehlt die entsprechende Aminosäure, sodass Platz bleibt für das umfangreichere Chlorid-Anion. Genauere Berechnungen der elektrostatischen Eigenschaften dieser Chlorid-Bindungsstelle zeigten zudem, dass das Chlorid nur über wenige gerichtete ionische Wechselwirkungen gehalten wird. Die Wissenschaftler waren überrascht, dass das kugelförmige Anion im Ionenleitweg nur über wenige, strategisch wohl positionierte Aminosäurereste bindet. Eine weitere Besonderheit des Halorhodopsin ist die Häufung von Wasserstoffatomen um das Chlorid-Anion, die von wenig polaren C-H Gruppen herrühren.

Obwohl Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen nur ein schwaches Dipolmoment besitzen, reicht offenbar die schlichte Anhäufung von solchen Gruppen um das Chloridion aus, um dessen Bindung zu stabilisieren.

Die hochauflösende Struktur von Halorhodopsin ebnet jetzt den Weg, um den Chlorid-Zyklus in allen Einzelschritten aufzuklären. Die Wissenschaftler erhoffen sich davon ein besseres Verständnis des Anionen-Transports in Zellen allgemein. Die neuen Einblicke sind aber auch von Bedeutung für die Entwicklung von künstlichen Chloridkomplexanden oder -sensoren, so Oesterhelt: "Letztlich könnte die Aufdeckung der Halorhodopsinstruktur dazu führen, dass diese licht-getriebene Ionenpumpe ähnlich bedeutsam für biotechnologische Anwendungen wird wie ihr Cousin, das Bakteriorhodopsin."

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