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Lesen: Lexikon im Hirn

Geschriebene Wörter werden in ihrer Gesamtheit wahrgenommen.
Lesen
Beim Lesen von Texten ist eine bestimmte Hirnregion in der linken Sehrinde besonders aktiv – die Visual Word Form Area (VWFA). Neurowissenschaftler um Maximilian Riesenhuber vom Georgetown University Medical Center in Washington glauben nun, den Grund dafür zu kennen: Jedes uns bekannte Wort, so die Forscher, sei dort wie in einem Lexikon abgespeichert.

Die Wissenschaftler maßen per funktioneller Magnetresonanztomografie den Sauerstoffverbrauch der Zellen im fraglichen Hirnareal, während ihre Versuchspersonen jeweils schnell hintereinander zwei Begriffe lasen. Mal handelte es sich um sehr ähnliche Wörter, die sich nur in einem Buchstaben unterschieden, etwa "Farm" und "Form", mal um grundverschiedene Ausdrücke wie "Farm" und "Bild".

Die Forscher interessierte, wie stark sich die Aktivität der Neuronen von einem Begriff zum nächsten änderte. Das Ergebnis: Egal, ob sich die Wörter in ihrer Schreibweise ähnelten oder nicht – die Hirnzellen in der VWFA zeigten immer gleich viel Aktivität, wenn die Probanden ihre Aufmerksamkeit von einem Ausdruck zum anderen wechselten.

Demnach entschlüsseln wir Begriffe nicht Zeichen für Zeichen, sondern es gibt für jeden Ausdruck, den wir kennen, ein spezifisches Erregungsmuster, vermuten die Forscher. "Auch wenn zwei Wörter alle Buchstaben bis auf einen gemeinsam haben, gibt es keine Überlappung in der neuronalen Repräsentation", betont Laurie Glezer, die Erstautorin der Studie.

Ein weitere Befund spricht ebenfalls nach Ansicht der Wissenschaftler dafür, dass die VWFA jeweils ganze Wörter registriert: Die Nervenzellaktivität änderte sich nur dann, wenn die Probanden echte Begriffe zu lesen bekamen. Sinnlose Buchstabenfolgen wie "Tarm" und "Torm" erzeugten dagegen ein ähnliches Muster im Gehirn. (sc)


Glezer, L. et al.: Evidence for Highly Selective Neuronal Tuning to Whole Words in the "Visual Word Form Area". In: Neuron 62, S. 199-204, 2009.

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