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Astrophysik: Einsteins Vermächtnis

Gravitationswellen, Zeitdilatation, Schwarze Löcher: Stets lag die Relativitätstheorie richtig. Nun "wiegen" Astronomen erstmals einen fernen Stern durch den Gravitationslinseneffekt – und bestätigen sie erneut. In einem anderen Punkt irrte Einstein allerdings.
Eine Gravitationslinse als Smiley

Etwas mehr als 100 Jahre sind vergangen, seitdem Albert Einstein seine allgemeine Relativitätstheorie der Weltöffentlichkeit präsentierte; viele der mit ihr getroffenen Voraussagen wurden mittlerweile bestätigt. Nun gelang es Astronomen erstmals, die Ablenkung von Sternenlicht im Schwerefeld eines anderen Sterns, der nicht unsere Sonne ist, direkt nachzuweisen: Mit dem Weltraumteleskop Hubble der NASA und ESA registrierten sie winzige Verschiebungen der scheinbaren Position eines fernen Hintergrundsterns, während ein näher gelegener Weißer Zwerg aus unserer Sicht fast genau davor vorbeizog. Die Beobachtungen stehen in Einklang mit der Relativitätstheorie und erlauben es den Forschern, die Masse des Weißen Zwergs zu bestimmen – ein wichtiger Beitrag zum Verständnis solcher dichten Objekte.

Ein Weißer Zwerg wirkt als Gravitationslinse | Mit dem Weltraumteleskop Hubble beobachteten die Astronomen den Weißen Zwerg Stein 2051 B zu acht verschiedenen Zeitpunkten, während er vor einem weit entfernten Hintergrundstern vorbeizog. Dabei lenkte seine Schwerkraft das Licht des Hintergrundsterns in charakteristischer Weise ab – hier nicht dargestellt. Die grüne Wellenlinie gibt die Eigenbewegung des Weißen Zwergs am Himmel wieder. Ihre Form entsteht durch die Umlaufbewegung der Erde um die Sonne.

Das als Gravitationslinseneffekt bekannt gewordene Phänomen der Lichtablenkung ist eine direkte Folgerung aus der allgemeinen Relativitätstheorie: Nicht nur Materie ist dem Einfluss der Schwerkraft unterworfen, sondern auch elektromagnetische Wellen. Lichtstrahlen einer weit entfernten Quelle, die knapp an einem massereichen Vordergrundobjekt vorbeiwandern, werden deshalb zu diesem hingebogen. Befinden sich dabei beide Objekte von uns gesehen genau hintereinander, erscheint uns die entfernte Quelle als so genannter Einsteinring um das Vordergrundobjekt – schön zu sehen bei vielen fernen Galaxien.

Eine ganz leichte Veränderung der Anordnung kann dagegen dazu führen, dass sich die Position der fernen Lichtquelle am Himmel durch die Ablenkung der Lichtstrahlen scheinbar verschiebt. Diesen Effekt beobachteten die Wissenschaftler um Kailash Sahu vom Space Telescope Science Institute in Baltimore, USA, als der Weiße Zwerg Stein 2051 B im Jahr 2014 fast exakt vor einem weit entfernten Hintergrundstern vorbeizog: In den Wochen und Monaten vor und nach der größten Annäherung schien der ferne Stern in einer ellipsenförmigen Bahn über den Himmel zu wandern – verantwortlich dafür war die Lichtablenkung im Schwerefeld des Weißen Zwergs. Die Verschiebung erfolgte immer vom Ursprungsort des Hintergrundsterns aus entgegengesetzt zu Stein 2051 B.

© NASA, ESA, and K. Sahu (STScI)
Der Weiße Zwerg Stein 2051 B passiert einen Hintergrundstern
Während der Weiße Zwerg Stein 2051 B vor einem Hintergrundstern vorbeizieht, lenkt er dessen Licht in charakteristischer Weise ab. Dadurch scheint sich dieser in einer Ellipse am Himmel zu bewegen – hier um den Faktor 5 vergrößert dargestellt.

Die Beobachtungen der Forschergruppe bestätigen die allgemeine Relativitätstheorie – und widerlegen ihren Begründer zugleich in einer Aussage, die er 1936 traf. Damals meinte Einstein in einer Veröffentlichung, dass es keine Hoffnung gebe, dieses Phänomen direkt zu beobachten: Es sei einfach sehr unwahrscheinlich, dass zwei Sterne genau hintereinander vorbeiziehen – und die Positionsänderung wäre zu gering, als dass unsere Instrumente über eine genügend hohe Auflösung verfügen würden, um sie erkennen zu können.

Allerdings ahnte Einstein damals noch nichts von den herausragenden Leistungen moderner Teleskope; und der geringen Wahrscheinlichkeit für ein solches Ereignis traten Sahu und seine Kollegen entgegen, indem sie mehr als 5000 Sterne absuchten. Ihre Beobachtung ist nun der erste direkte Nachweis für die Ablenkung von Sternenlicht im Schwerefeld eines anderen Sterns – abgesehen von der Sonne: Da wir unserem Zentralgestirn so nahe sind, fällt die Lichtablenkung hier deutlich größer aus. So stellten Wissenschaftler schon im Jahr 1919 während einer Sonnenfinsternis fest, dass nahe an der Sonnenscheibe liegende Hintergrundsterne scheinbar ihre Position ändern. Dies galt damals als erste Bestätigung der Relativitätstheorie.

Aus den scheinbaren Verschiebungen des Hintergrundsterns konnte die Forschergruppe um Sahu auf die Masse des Weißen Zwergs schließen, die demnach bei etwa 0,68 Sonnenmassen liegt. Das Ergebnis widerlegt ältere Abschätzungen mit anderen Methoden, die deutlich niedrigere Massen geliefert hatten. Somit sei Stein 2051 B keineswegs so exotisch wie lange angenommen, sondern ein ganz normaler Weißer Zwerg – eine Sternleiche also mit einem Kern aus Kohlenstoff und Sauerstoff, folgern die Forscher. Ihre Messung bestätigt die von Subrahmanyan Chandrasekhar im Jahr 1930 aufgestellte Theorie über das Verhältnis von Radius und Masse eines Weißen Zwergs.

In Zukunft dürften Beobachtungen wie diese immer häufiger werden: Weit angelegte Himmelsdurchmusterungen mit modernen Großteleskopen wie dem Large Synoptic Survey Telescope (LSST) ermöglichen es dann, viele tausend Sterne gleichzeitig zu untersuchen und nach Gravitationslinsen-Ereignissen Ausschau zu halten. Was Einstein für unmöglich hielt, könnte also bald zum astronomischen Standard werden.

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