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News: Lichter zeigen den Weg

Durch das Analysieren Tausender von Lichtpunkten innerhalb einer einzigen Zelle konnten Wissenschaftler erstmalig den Weg einzelner Moleküle der messenger-RNA (m-RNA) verfolgen. Mit ihrer neuen Technik ist auch die genaue Mengenbestimmung von RNA-Molekülen in lebenden Zellen möglich.
Diese Innovation, die auf fortgeschrittenen Bildtechniken, ausgeklügelten Algorithmen und dem Einsatz leistungsstarker Parallelrechner beruht, wird in Science vom 24. April 1998 beschrieben. Autoren sind Andrea Femino und Robert H. Singer vom Albert Einstein College of Medicine.

Die neue Methodik ermöglicht es, die Abläufe in einer Zelle in einer bisher nicht erreichten Detailtreue zu beobachten. Die Forscher können beispielsweise studieren, wie viele m-RNA-Moleküle in einem festgelegten Zeitraum nach der Vorlage eines bestimmten Gens hergestellt werden, ein Vorgang, der als Transkription bezeichnet wird. Die m-RNA fungiert als (Negativ-)Kopie der Gene, nach welcher dann die entsprechenden Proteine aufgebaut werden (Proteinbiosynthese). Dieser Aufbau läuft im Cytoplasma der Zelle ab, während das Original in Form der DNA im Zellkern verbleibt.

Die Forscher des Albert Einstein College of Medicine haben bereits die Geschwindigkeit gemessen, mit der die m-RNA des Beta-Actin-Gens produziert wird, und dabei herausgefunden, daß sie trotz der ständigen Anwesenheit eines Stimulationssignals zyklisch verläuft. "Zu unserer Verwunderung entdeckten wir, daß die Transkription nach dreißig Minuten ihren Höhepunkt erreicht. Nach sechzig Minuten fällt sie ab und ist nach zwei Stunden beendet." Laut Singer weist dies auf das Vorhandensein eines noch unbekannten, regulierenden Rückkopplungsmechanismus hin.

Durch die neue Technik können die Forscher ferner aufzeigen, daß die Rate, mit der die Gentranskription erfolgt, nicht von der Geschwindigkeit begrenzt wird, mit der sich die Polymerasen, die molekularen Kopiermaschinen, am Gen entlang bewegen. Die Begrenzung wird vielmehr durch die Anzahl der Einheiten von Polymerasen und m-RNA verursacht, die sich am Endpunkt des Gens befinden. An dieser Stelle, so Singer, "stauen sich die Moleküle regelrecht an, so wie Menschen vor einer Telefonzelle."

Weiterhin konnten die Wissenschaftler demonstrieren, daß die fertiggestellten m-RNA-Moleküle das Gen einzeln – und nicht gruppenweise – verlassen. Sie schließen daraus, daß sich die m-RNA innerhalb von Minuten vom Zellkern in das Cytoplasma der Zelle bewegt, denn "wir sehen im Kern keinerlei Ansammlungen", berichtete Singer.

Die Technik nutzt Oligonucleotide (Moleküle aus kurzen Folgen von Nucleotiden), die spezifisch zu einer bestimmten m-RNA passen und mit fluoreszierenden Farbstoffmolekülen versehen wurden. Bei Bestrahlung mit Licht leuchten diejenigen Nucleotide, die eine Verbindung mit ihren RNA-Komplementären eingegangen sind. Auf diese Art können sie dann mittels Hellfeldmikroskopie aufgespürt werden. Durch "optical sectioning" der untersuchten Zelle erhält man schließlich digitale Bilder der fluoreszierenden Punkte.

Die fluoreszierenden Lichtpunkte bewegen sich unter dem Mikroskop ständig in den Fokus hinein und wieder hinaus. Ihr Licht kann mittels eines neuartigen Algorithmus einer Ursprungsposition zugeordnet werden. So ist es möglich, Zählungen durchzuführen und Bewegungen von Molekülen verfolgen zu können.

Der genutzte Algorithmus (Exhaustive Photon Reassignment) entstand in Zusammenarbeit mit dem inzwischen verstorbenen Frederic Fay und seinen Kollegen von der zur University of Massachusetts Medical School. Um die für die Analyse notwendigen, enormen Berechnungsaufgaben zu bewältigen, muß die Leistungskraft eines Parallelrechners genutzt werden.

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