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News: Lichtzeichen vom Mars

Seit mehr als 100 Jahren rätseln Wissenschaftler über die Ursache von hellen Leuchterscheinungen auf dem Mars, und oftmals ließen sich ihre Begründungen von denen der Science-Fiction-Autoren nicht unterscheiden. Jetzt blitzte es wieder, und zwar genau an dem Tag, den zwei Hobbyastronomen vorhergesagt hatten.
30. Oktober 1938, die amerikanische Radiostation CBS lässt eine Tanzkapelle aus den Lautsprechern dudeln, als das Programm unterbrochen wird, und eine atemlose Stimme berichtet: "Um zwanzig Minuten vor acht hat Professor Farrell vom Mount Jennings-Observatorium in regelmäßigen Abständen mehrere Gasexplosionen auf dem Planeten Mars beobachtet." Wenig später - untermalt von panischem Stimmengewirr - wird die Landung eines Raumschiffes gemeldet. "Guter Gott, da windet sich etwas aus dem Schatten wie eine graue Schlange!" Man hört heftige Explosionen, Menschen stünden in Flammen, Schreie - und dann Stille. Die Übertragung ist unterbrochen.

Orson Welles (1915-1985) wäre es nicht im Traum eingefallen, dass er mit dieser Adaption von H.G. Wells "Krieg der Welten" das folgenreichste Hörspiel aller Zeiten produziert hatte. Unzählige Menschen glaubten an die Aussagen erfundener Professoren, Polizisten und Zeugen, und an die Invasion der Marsmenschen. Sie gerieten in Panik, erwarteten das Ende der Welt und versuchten gar sich umzubringen.

Und das alles, weil Herbert George Wells (1866-1946) begeisterter Leser des Fachblatts Nature war und ebenda im August 1892 auf die Schilderung heller Leuchterscheinungen am Rand der Marsscheibe stieß, die ihn zu jener Geschichte über die Invasion skurriler Marswesen inspirierte. Eine Inspiration, von der sich im übrigen auch manche Wissenschaftler leiten ließen.

Noch 1962 - der Kalte Krieg auf Erden erreichte gerade einen gefährlichen Höhepunkt - überlegte Frank Salisbury von der University of Colorado in Science, ob es sich bei jenen Lichtblitzen um vulkanische Erscheinungen handele oder ob sie Folge von Atomexplosionen seien - nicht etwa von irdischen, sondern von denen uneiniger Marsvölker. Die Blitze, meinte er abschließend, seien am einfachsten erklärbar, wenn man sie als Ausdruck intelligent handelnder Wesen betrachte.

Aber es gibt auch Ansätze, die sich auf wissenschaftlich Bekanntes verlassen. Und so entstanden allerlei Theorien, wie es zu den ziemlich hellen und bisweilen stundenlangen Lichtspielen kommt, wobei bis heute sich an eisigen Wolken brechendes und reflektiertes Sonnenlicht die nahe liegendste ist. Wie auch immer, bisher wurden die Marsblitze nur von der Erde aus beobachtet, niemals jedoch von Marssonden oder Weltraumteleskopen. Dass es sie gibt, wird indes von niemandem bezweifelt, und nun scheint sogar festzustehen: Das Spektakel ist regelmäßiger Natur und lässt sich voraussagen.

Das hatten Thomas Dobbins und William Sheehan, ihres Zeichens Amateurastronomen, Buchautoren und Tüftler jedenfalls im Mai 2001 postuliert. Mithilfe des Windows International Mars Patrol Astronomical Calculator (WIMP) berechneten sie für jede der bislang veröffentlichen Beobachtungen die entsprechende Konstellation von Erde, Sonne und Mars. Dabei gingen sie davon aus, dass der Mars nur dann leuchtete, wenn sich die Sonne in der Region Edom Promontorium spiegelte - hier waren die Leuchterscheinungen in der Vergangenheit am häufigsten beobachtet worden. Und siehe da, ihre Berechnungen zeigten, dass sich die Positionen von Erde, Sonne und Mars in vielen Fällen ähnelten. Und warum sollte sich, was in der Vergangenheit mit schöner Regelmäßigkeit geschah, in Zukunft nicht wiederholen?

Hätten sie ihre Ergebnisse nur einen Monat später veröffentlicht, es wäre wohl zu spät gewesen, denn WIMP prognostizierte bereits für Anfang Juni 2001 - einen Monat nach Erscheinen des Artikels - neuerliche Lichtblitze. Der Mars sollte zu diesem Zeitpunkt seine Oppositionsstellung fast erreicht haben und so hell leuchten wie seit 1988 nicht mehr. Kurzerhand riefen Dobbins und Sheehan dazu auf, weltweit die Teleskope und Videokameras gen Mars zu richten und machten sich selbst mit den besten der besten Astrofotografen nach Florida auf: "Let's hope that the weather on Mars cooperates!"

Und das Wetter spielte mit, auf dem Mars und auf der Erde. Aber nicht genug, am 7. Juni um 2:40 Uhr Ortszeit beobachteten die Hobbyforscher in der Tat am Rand von Edom Promontorium ein Aufleuchten - keinen Blitz und kein kurzes Aufflackern, sondern eine beinahe anderthalb Stunden dauernde Licht-Show - immer wieder, bis spät in die folgende Nacht hinein.

Da Dobbins und Sheehan bei ihren Berechnungen von Reflexionen ausgingen, ist das pünktliche Eintreten ihrer Prognose die bislang stabilste Untermauerung dieser These. Ob es Wolken sind, eisige Landoberflächen oder ausgerichtete Minerale, die das Licht zurückwerfen, ist allerdings ungewiss. Klar ist immerhin, dass es keine unklug mit Atombomben hantierende Marskrieger sind oder in Richtung Erde startende Invasoren.

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