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Künstliche Intelligenz: Liebe und Sex mit Robotern

Wie sieht unsere Zukunft mit Sexrobotern aus? Wissenschaftler streiten sich über mögliche negative Folgen der Technologie. Während manche gar ein Verbot fordern, setzen andere auf eine wissenschaftliche Durchleuchtung des Themas.
Frau mit rotem Visier

Es ist schon verrückt, was für einen Staub eine Konferenz mit vielleicht 200 Teilnehmern aufwirbeln kann. In London haben sich am 19. und 20. Dezember 2016 Wissenschaftler aus aller Welt getroffen, um sich mit dem Thema »Sex and Love with Robots« zu beschäftigen. Wird es eines Tages Alltag sein, dass Menschen Sex mit Robotern haben? Wird es gesellschaftsfähig sein, einen maschinellen Lebenspartner zu geselligen Events auszuführen? Und wie wird sich das auf unser Zusammenleben auswirken? Die durchaus berechtigten Fragen der Philosophen, Soziologen, Informatiker und Psychologen gingen beinahe unter in der reißerischen Berichterstattung auf der einen Seite und in der Empörung, die das Thema auf der anderen Seite offenbar mit sich bringt.

Nachdem die Konferenz an ihrem eigentlichen Bestimmungsort in Malaysia verboten worden war und der dortige Polizeichef sie als »lächerlich, unwissenschaftlich und nicht zu unserer Kultur passend« bezeichnet hatte, hat sie Zuflucht an der Kunsthochschule Goldsmiths der University of London gefunden. Aber auch hier gab es gerüchteweise Bedenken, ob das Thema nicht dem Ruf der Universität schaden könnte. »Immerhin gab es keine Angriffe oder Störungen, vor Ort war die Stimmung sachlich und interessiert«, beschreibt der Maschinenethiker Oliver Bendel seine Eindrücke. Anders als die Forscher vor Ort hatten seine Kollegen zu Hause aber wenig Verständnis für sein Interesse: »Du beschäftigst dich mit so was? Das ist ja abscheulich.« Reaktionen wie diese hört er immer wieder.

Bendel findet das Thema relevant und fürchtet, dass sich angesichts solcher Reaktionen immer weniger Wissenschaftler bereitfinden, sich mit den ernsten Fragen zu beschäftigen – gerade jetzt, wo die technischen Möglichkeiten wachsen und erste Sexroboter mittels künstlicher Intelligenz versuchen, menschlich zu reagieren. Vernetzte Sex-Tech-Geräte haben schon heute einen Umsatz von 30 Milliarden US-Dollar, warnte Kate Devlin von der University of London in ihrer Eröffnungsrede der Konferenz: »Diese Entwicklung lässt sich nicht aufhalten.« Deshalb sei es umso wichtiger, das Thema nicht zu tabuisieren oder gar zu verbieten, »sondern frühzeitig einzusteigen und es mitzuformen«.

Künstliche Gespielinnen schon in der griechischen Mythologie

Neu ist das Thema allerdings nicht. So warfen die Forscher in London auch einen Blick auf die Ideengeschichte. »Man sieht, dass wir Menschen es schon immer spannend fanden, künstliche Menschen zu schaffen und uns mit diesen zu vergnügen«, sagt Bendel, der auf der Konferenz über die ethischen Aspekte der Sexroboter gesprochen hat. Demnach soll sich Hephaistos, der Gott der Schmiede in der griechischen Mythologie, einst zwei goldene Dienerinnen geschaffen haben – und man kann das durchaus so interpretieren: Diese trösteten ihn darüber hinweg, dass ihn seine Frau Aphrodite mit Ares betrog. Später baute er sich Pandora zunächst aus Lehm, erweckte sie zum Leben und stattete sie mit Schönheit und Verführungskünsten aus – mit den bekannten verhängnisvollen Folgen.

Künstlich, intelligent, sexy

Was die Macher des Unternehmens True Companion heute Realität werden lassen wollen, ist gar nicht so weit davon entfernt: Die nach den Angaben der Firma »weltersten Sexroboter« sollen für den Menschen stets bereitstehen, »echte« Gefühle zeigen und auch einen Orgasmus haben können. Den Roboter gibt es als Roxxxy – eine weibliche Variante – sowie als männlichen Rocky. Die Nutzer können bei Roxxxy zwischen fünf verschiedenen Charakteren wählen – von schüchtern über lernwillig bis draufgängerisch. Bis die Roboter allerdings tatsächlich wie Menschen aussehen und sich entsprechend verhalten, wird wohl noch einige Zeit ins Land gehen. Die Anbieter versuchen das derweil mit einer erotischen Stimme und entsprechendem Vokabular wettzumachen. »Dirty Talk klappt schon ganz gut, das ist keine große Sache«, erläutert Bendel. Gerade die maschinelle Sprachverarbeitung macht derzeit große Fortschritte, Menschen unterhalten sich mit Assistenten wie Siri – warum also nicht auch mit Sexrobotern? Im kommenden Jahr soll zudem eine Software auf den Markt kommen, der Audio-Editor von Adobe, mittels derer jeder Sprachdaten bearbeiten kann wie Fotos mit Photoshop. »Dann wäre es möglich, dass ich meinem Roboter die Stimme meiner Partnerin gebe«, sagt Bendel.

Wir können uns Ersatzmenschen bauen ähnlich wie Hephaistos, wenn wir gerade nicht geliebt werden oder wenn der Partner nicht verfügbar ist. Manche Forscher sehen darin auch eine Chance für schüchterne Menschen oder Menschen mit körperlichen Problemen, die ansonsten keine sexuellen Beziehungen haben könnten. »Menschen sehnen sich nach Berührung und Zuneigung«, so Kate Devlin, »aber nicht alle haben Zugang zu menschlichen Partnern.«

Petition gegen Sexroboter

Allerdings gibt es auch erbitterten Widerstand in der wissenschaftlichen Community. So hat die US-Forscherin Kathleen Richardson eine Kampagne gegen Sexroboter ins Leben gerufen und fordert in einer Petition einen Entwicklungsstopp. »Es lässt die Idee zu, menschliche Beziehungen seien optional, und alle Bedürfnisse könnten von Maschinen gestillt werden«, argumentiert sie. Ihre Hauptkritik: Sexroboter degradieren Frauen endgültig zum Objekt, was zu einer weiteren Ungleichheit in der Gesellschaft führen könnte. Auch andere Forscher warnen davor, dass Menschen im Umgang mit solchen Maschinen ein gewalttätiges Verhalten einüben können, das dann auch in die reale Welt übertragen wird – weil es normal geworden ist. Noch gibt es dazu allerdings kaum Forschung und keine Belege für eine solche Entwicklung. Bendel sieht darin bislang keine große Gefahr: »Beim klassischen Sexspielzeug, das vor allem für Frauen gemacht ist, werden Männer zu Objekten gemacht, es reduziert sie auf ihr Geschlechtsteil – und da hält sich die Empörung in Grenzen.«

»Menschen sehnen sich nach Berührung und Zuneigung, aber nicht alle haben Zugang zu menschlichen Partnern«Kate Devlin

Eine weitere bedenkliche Entwicklung ist die, dass sowohl Sexpuppen als auch die Charaktere in Sexspielen in der virtuellen Realität immer jünger werden. Auch den Sexroboter Roxxxy kann man als Modell Young Yoko bestellen (»Sie ist ach so jung«, beschreibt das Unternehmen sie, »wenn überhaupt gerade 18«), viele Sexpuppen sind tatsächlich Kindern nachempfunden – und sie sind auf dem Markt recht gefragt. Manche Wissenschaftler hoffen, dass Pädophile auf diese Weise ihren Neigungen nachgehen können, ohne anderen Menschen Schaden zuzufügen. Bendel hält das für problematisch: »Es könnte auch ein permanentes Einüben des falschen Verhaltens werden.« Auch hier setzt er auf die Forschung von Psychologen und Medizinern: »Wenn so etwas innerhalb von kontrollierten Therapien dabei hilft, dass Betroffene in der Realität nicht mehr übergriffig werden, wäre es vielleicht sinnvoll.«

Wenn sich hingegen Erwachsene mit erwachsenen Sexrobotern vergnügen, spricht aus seiner Sicht kaum etwas dagegen – »solange sie nicht komplett abtauchen«. Dass wir Gefühle für Roboter entwickeln können und uns in diese verlieben, sei klar: »Ich habe auch Gefühle für mein Auto«, betont er; viele Menschen geben ihren Wagen einen Namen. Andersherum allerdings brauchen wir uns keine Hoffnungen zu machen, dass Roboter diese Gefühle erwidern. »Maschinen können keine Gefühle entwickeln, und das wird auch so bleiben.«

Auch wenn es noch lange nicht salonfähig sein wird, seinen Freunden Roxxxy als die neue Partnerin vorzustellen, ist ein zeitweiser Ersatz des Liebsten durch einen Roboter durchaus denkbar: »Wieso nicht, wenn der Partner gerade nicht da ist?«, fragt Bendel. Auch wenn es aktuell für viele befremdlich erscheint, ist es in Zukunft angesichts der immer globalisierteren und mobileren Gesellschaft gar nicht so abwegig, die ersehnte Nähe technisch zu erweitern oder über Entfernung zu transportieren. Auf der Konferenz wurde beispielsweise auch ein Gadget namens Kissenger vorgestellt, »das welterste Kusstransfergerät«: Nutzer können auf eine Fläche küssen und diesen Kuss in Echtzeit an ihren Partner irgendwo auf der Welt übertragen. Dieser hat ein vergleichbares Gerät und »spürt« den Kuss auf der Fläche. Haptik zu übertragen gilt als der nächste große Schritt in der Sexspielzeug-Industrie – und erste Anfänge gibt es schon.

Oliver Bendel hat die Petition gegen Sexroboter nicht unterschrieben. Auch wenn einige der Aspekte bedenkenswert seien, findet er das zu früh. »Lasst uns das erst einmal erforschen«, sagt er. Was er hingegen ohne lange nachzudenken unterschrieben hat, ist eine Petition gegen Kampfroboter.

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