Direkt zum Inhalt

Insektenanatomie: Liebeshungrige Zikaden kommunizieren mit Vibrator-Organ

Zikaden kennt man von ihrem Gesang in Sommernächten - einige Spezialisten unter diesen Insekten bevorzugen aber für unsereins nicht hörbare und bis dato unbemerkte Rhythmen.
Die Spitzkopfzikade Agalmatium bilobum - hier ein Exemplar, bei dem die Flügel für die Untersuchung entfernt wurden

Ein bis dato unbekanntes Kommunikationsinstrument zur Anbahnung sexueller Kontakte haben aufmerksame Forscher in Spitzkopfzikaden entdeckt: Die winzigen Männchen und Weibchen produzieren mit einer bisher übersehenen, blitzschnell rhythmisch vor- und zurückschnellenden Unterkörperstruktur Vibrationswellen in der Vegetation, die noch in einiger Entfernung vom anderen Geschlecht wahrgenommen und beantwortet werden. Mit Hilfe der nicht hörbaren Balzfunkwellen finden sich Zikadenmännchen und -weibchen dann zur Paarung, berichten Leonidas-Romanos Davranoglou von der University of Oxford und seine Kollegen in »PLOS ONE«.

Das Schnalz- oder Schnapporgan der Zikaden war bis heute unbekannt: Es überträgt schnelle Schwingungen auf den Untergrund, nachdem eine elastische Gewebestruktur freigehakt wird, auf die zuvor mit Muskelkontraktionen Energie übertragen wurde. Sobald der Vibrator auslöst, schnellt die Struktur wie ein Sprungbrett auf und ab und bewegt Unterleib und Untergrund. Davranoglou war durch Zufall auf den Vibrationssender gestoßen, als er gesammelte Zikaden der Spezies Agalmatium bilobum für einen Artenvergleich in einem Synchrotron-Teilchenbeschleuniger untersuchte – eine Technik, die auch das scharfe Fokussieren auf winzige Details erlaubt. Beim Blick in den Unterleib der Zikade »war mir dann schnell klar, dass ich da auf etwas ganz Neues schaue«, so der Forscher. Mit verschiedenen weiteren Methoden von der Mikrotomografie bis zur Hochgeschwindigkeitsfotografie enthüllte der Forscher mit Kollegen der Ingenieurwissenschaften schließlich die Arbeitsweise des Organs.

Anschließend sammelte und untersuchte er hunderte weitere Zikaden – und stellte fest, dass der Sprungbrettvibrator bei Männchen wie Weibchen offenbar zur Grundausstattung aller Familien der Spitzkopfzikaden-Unterordnung gehört; einer Gruppe, zu der auch wirtschaftlich bedeutende Vektorschädlinge zählen, die bestimmte Bakterienkrankheiten von Nutzpflanze zu Nutzpflanze übertragen. Das erst jetzt entdeckte Kommunikationsorgan muss schon am Anfang der Entwicklungsgeschichte des Zikadenseitenzweigs erfunden worden sein: Spitzkopfzikaden rufen demnach schon seit rund 250 Millionen Jahren mit Hilfe von Vibrationen nach Geschlechtspartnern.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.