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LIGO und KAGRA: Die Suche nach Gravitationswellen geht weiter

Die Observatorien in den USA und Japan haben ihre Arbeit nach zahlreichen Verbesserungen wieder aufgenommen. Das Ziel: noch mehr Gravitationswellen aufspüren, vielleicht sogar von kollabierenden Sternen und Pulsaren.
Simulation von zwei sich immer enger umkreisenden Schwarzen Löchern.
Wenn zwei Schwarze Löcher miteinander kollidieren, entstehen Gravitationswellen (Illustration).

Nach einer dreijährigen Pause, die durch Probleme im Zusammenhang mit der Pandemie verlängert wurde, haben Forscherinnen und Forscher die Suche nach Gravitationswellen – Wellen in der Raumzeit, die das Kennzeichen kollidierender Schwarzer Löcher und anderer kosmischer Katastrophen sind – wieder aufgenommen. Das Gravitationswellen-Observatorium LIGO (kurz für: Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory), das über zwei riesige Detektoren in Hanford (Washington) und Livingston (Louisiana) verfügt, ist nach einer millionenschweren Aufrüstung am 24. Mai 2023 mit verbesserter Empfindlichkeit wieder in Betrieb gegangen. Die Verbesserungen sollten es der Einrichtung ermöglichen, alle zwei bis drei Tage Signale von kollidierenden Schwarzen Löchern aufzufangen. Während des Betriebs in den Jahren 2019 bis 2020 war das nur rund einmal pro Woche möglich.

Auch der Virgo-Detektor in der Nähe von Pisa (Italien), der für rund 8,4 Millionen Euro aufgerüstet wurde, sollte seine Beobachtungen im Mai wieder aufnehmen. Technische Probleme zwangen die Verantwortlichen jedoch dazu, seine Abschaltung zu verlängern. »Wir gehen davon aus, dass wir Ende des Sommers oder im Frühherbst wieder starten können«, sagt Virgo-Sprecher Gianluca Gemme, Physiker am italienischen Nationalen Institut für Kernphysik in Genua.

KAGRA, ein weiterer Gravitationswellendetektor, der sich unter dem Berg Ikenoyama in Japan befindet, ist ebenfalls am 24. Mai wieder in Betrieb gegangen. Der Detektor, der seinen ersten Beobachtungslauf 2020 absolvierte, verfügt über fortschrittliche Technologie, auch wenn seine Empfindlichkeit immer noch geringer ist als die von LIGO im Jahr 2015. Der leitende Forscher von KAGRA, Takaaki Kajita, ein mit dem Nobelpreis ausgezeichneter Physiker der Universität Tokio, erklärt, dass das Interferometer einen Monat lang mit LIGO mitlaufen und dann für weitere Updates noch einmal abgeschaltet wird. Zu diesem Zeitpunkt wird das Team die vier Hauptspiegel des Interferometers auf mehr als minus 250 Grad Celsius abkühlen, sagt Kajita – ein Merkmal, das KAGRA von den anderen Detektoren unterscheidet und als Modell für die Observatorien der nächsten Generation dienen soll.

Wenn Schwarze Löcher verschmelzen

Gravitationswellen werden von großen, beschleunigten Massen erzeugt. Auf ihrer Reise dehnen und stauchen sie zyklisch den Raum. Beginnend mit dem historischen ersten Nachweis von Gravitationswellen durch LIGO im Jahr 2015 wurden die meisten der etwa 90 bisher aufgezeichneten Gravitationswellenereignisse durch die spiralförmige Bewegung von Paaren Schwarzer Löcher erzeugt, die dabei sind, zu einem einzigen zu verschmelzen. Einige wenige wurden in ähnlicher Weise durch die Verschmelzung zweier Neutronensterne oder eines Neutronensterns und eines Schwarzen Lochs erzeugt.

LIGO, Virgo und KAGRA basieren alle auf demselben Interferometerkonzept. Dabei wird ein Laserstrahl in zwei Strahlen aufgespaltet, die zwischen zwei Spiegeln an den beiden Enden eines langen Vakuumrohrs hin- und hergeworfen werden. (Bei LIGO sind die beiden »Arme« des Interferometers jeweils vier Kilometer lang, bei Virgo und KAGRA sind es drei Kilometer.) Wenn die beiden Strahlen zurückkehren, werden sie an einem Sensor in der Mitte zur Interferenz gebracht. Gibt es keine Störungen der Raumzeit, heben sich die Oszillationen der Strahlen gegenseitig auf. Treten jedoch Gravitationswellen auf, ändert sich die Länge der Arme im Verhältnis zueinander, so dass sich die Lichtwellen nicht mehr perfekt überlappen und der Sensor ein Signal erkennt.

Typische Gravitationswellenereignisse verändern die Länge der Interferometerarme nur um einen Bruchteil der Breite eines Protons. Um solche winzigen Veränderungen zu erfassen, müssen die Interferometer sorgfältig von Störungen isoliert werden, die aus der Umwelt stammen oder von den Lasern selbst erzeugt werden. Bei den Nachrüstungen, die vor dem Beobachtungslauf in den Jahren 2019 und 2020 durchgeführt wurden, haben die LIGO- und Virgo-Teams einen Teil dieses Rauschens mit »gequetschtem Licht« bekämpft. Dieser Ansatz befasst sich mit dem inhärenten Rauschen, das durch die Tatsache verursacht wird, dass Licht aus einzelnen Teilchen besteht: Wenn die Strahlen am Sensor ankommen, kann jedes einzelne Photon etwas zu früh oder zu spät ankommen, was bedeutet, dass sich die Laserwellen nicht überlappen und sich selbst in Abwesenheit von Gravitationswellen nicht perfekt ausgleichen.

»Es ist, als würde man einen Eimer mit Bleipellets fallen lassen: Es wird ein lautes Zischen geben, aber sie treffen alle zufällig auf«, erklärte der Physiker Lee McCuller bei der Vorführung eines Prototyps des LIGO-Interferometers am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. Die Forscherinnen und Forscher injizierten deshalb einen speziellen Laserstrahl in das Interferometer, der diesen Effekt reduziert. »Seine Photonen kommen regelmäßiger und mit weniger Rauschen an«, sagte McCuller, der inzwischen am California Institute of Technology in Pasadena arbeitet.

Quantenkomplikationen

Das gequetschte Licht hat den Teams von LIGO und Virgo geholfen, die Empfindlichkeit der Detektoren für Gravitationswellen höherer Frequenzen zu verbessern. Doch auf Grund der bizarren Regeln der Quantenmechanik führt eine geringere Unsicherheit bei der Ankunftszeit der Photonen zu größeren Zufallsschwankungen bei der Intensität der Laserwellen. Dadurch drücken die Laser gegen die Interferometerspiegel und bringen sie zum Zittern, was eine andere Art von Rauschen erzeugt und womöglich die Empfindlichkeit für niederfrequente Gravitationswellen verringert. Das sei eine »schöne Manifestation der Natur«, sagt die MIT-Experimentalphysikerin Nergis Mavalvala, die an der Entwicklung der Quetschtechnik beteiligt war. »Man kann keine unendlich genauen Messungen durchführen: An irgendeiner Stelle muss man den Preis dafür zahlen.«

Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, wurden bei den jüngsten Aufrüstungen von LIGO und Virgo zusätzliche 300 Meter lange Vakuumröhren mit Spiegeln an den Enden gebaut, um den zusätzlichen »Quetschstrahl« für 2,5 Millisekunden zu speichern, bevor er in das Interferometer eingespeist wird. Diese Röhren haben die Aufgabe, die Wellen des Hilfslasers je nach ihrer Wellenlänge um unterschiedliche Beträge zu verschieben. Dadurch ist das Quetschen selektiv: Es verringert das Rauschen bei hohen Frequenzen und reduziert gleichzeitig das Spiegelzittern bei niedrigen Frequenzen.

Mit der verbesserten Empfindlichkeit der Detektoren werden Forscher und Forscherinnen dazu in der Lage sein, detailliertere Informationen über jene Objekte zu gewinnen, die Gravitationswellen erzeugen. Das schließt etwa die Art und Weise ein, wie diese sich um ihre eigene Achse drehen und wie sie umeinander kreisen. Albert Einsteins allgemeine Relativitätstheorie – die die Existenz sowohl von Schwarzen Löchern als auch von Gravitationswellen vorhersagt – kann damit strengeren Tests unterzogen werden als je zuvor. Die schiere Anzahl der Beobachtungen wird das Gesamtbild darüber verbessern, wie und wie oft sich Schwarze Löcher aus massereichen Sternen bilden, die in sich selbst zusammenfallen.

Astrophysiker erwarten außerdem, auch Gravitationswellen von anderen Objekten zu detektieren als von zwei verschmelzenden Schwarzen Löchern. Eine große Hoffnung besteht darin, das Gravitationssignal eines kollabierenden Sterns aufzufangen, bevor dieser sich als Supernova-Explosion manifestiert – ein Kunststück, das nur gelingen wird, wenn der Kollaps sich irgendwo innerhalb der Milchstraße ereignet. Ein weiteres Ziel ist es, die kontinuierlichen Gravitationswellen aufzuspüren, die durch die Unebenheiten auf der Oberfläche eines Pulsars erzeugt werden, eines sich drehenden Neutronensterns, der Strahlungspulse aussendet.

Die Familie der Interferometer soll bis zum Ende des Jahrzehnts weiter wachsen. Die indische Regierung hat angekündigt, LIGO-India finanzieren zu wollen, eine Nachbildung der US-Observatorien, die zum Teil mit überschüssigen Komponenten von LIGO gebaut werden soll.

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