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News: Linientreues Silber

Häufig sind es langwierige, knifflige Prozesse, mit denen Forscher Nanostrukturen herstellen. Da scheint es fast wie ein Wunder, dass manche der winzigen Gebilde, wie von Geisterhand geschaffen, von selbst entstehen. Wissenschaftler konnten nun beobachten, wie sich Nanometer-dünne Silberdrähte ohne großartiges Dazutun auf einer geeigneten Unterlage bildeten.
Nanodrähte
Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Methoden, mit denen sich hauchdünne Nanodrähte herstellen lassen. Den meisten ist jedoch gemein, dass sie sehr viel Zeit erfordern. Die Selbstorganisation von solch winzigen Strukturen wäre da weitaus praktischer. Denn hierbei müssen nur bestimmte Prozess-Parameter erfüllt sein sowie die richtigen Materialien verwendet werden, und die gewünschte Struktur entsteht von selbst.

Aus diesem Grund suchen Forscher nach geeigneten Reaktionen und Prozessen, und manchmal kommt ihnen dabei der Zufall zu Hilfe. Ward Lopes von der University of Chicago erinnert sich: "In unserem Labor pflegten wir die Tradition, am Freitag nachmittag Experimente durchzuführen, die uns einfach nur Spaß bereiten sollten. Wir probierten Dinge aus, für die uns ansonsten die Zeit fehlte." An so einem Freitag prüfte Lopes, was passiert, wenn man Silber auf ein Copolymer aus Polystyrol und Polymethylmethacrylat (PMMA) aufdampft.

Von diesem Copolymer war bekannt, dass es streifenförmige Bereiche ausbildet – Nanometer-dünne, ineinander gewundene Linien aus Polystyrol und PMMA, die ein wenig an einen mikroskopischen Fingerabdruck erinnern. Bekannt war außerdem, dass sich Metalle immer für einen der beiden Kunststoffe entscheiden, um darauf liegen zu bleiben. Gold bevorzugt zum Beispiel die Polystyrol-Domänen, während sich die Indium-, Blei-, Zinn- und Bismut-Atome auf dem PMMA festsetzen.

Je nachdem, wie viel Material auf dem Kunststofffilm abgeschieden wird, bilden sich dabei zunächst kleine Kügelchen des jeweiligen Metalls, die sich wie auf einer Perlenkette aneinander reihen, danach schmelzen diese jedoch zusammen und bilden Klumpen, ohne sich um das darunterliegende Kunststoffmuster zu scheren.

Silber verhielt sich anders: Zwar haftete das Metall wie Gold auf dem Polystyrol. Als Lopes jedoch mehr Silber abschied, formten sich auf einmal lange dünne Drähte entlang der Streifendomänen des Polystyrols. Wie die Forscher herausfanden, scheint die hohe Mobilität der Silberatome auf der PMMA-Unterlage dafür verantwortlich zu sein. Denn es war nicht nötig, die Silber-Kunststoff-Schicht zu erhitzen, was normalerweise bewirkt, dass die Metallatome zusammenfinden.

Dass zusammenhängende Silberleiterbahnen entstanden waren, konnten Lopes und sein Kollege Heinrich Jaeger unter dem Elektronenmikroskop beobachten. Aber auch auf andere Weise ließ sich die ungewöhnliche Struktur des Silbers nachweisen: Lopes und sein Kollege Jaeger maßen den Widerstand der Schicht und konnten eine lineares Widerstandsverhalten feststellen. Die Stromstärke stieg also proportional zur Spannung, was typisch für Metalle ist. Die anderen Metalle, die nur kettenartige Strukturen ausbildeten, verhielten sich hingegen anders: Bei ihnen floss der Strom erst bei viel größeren Spannungen – von einer linearen Abhängigkeit konnte keine Rede sein.

Schließlich versuchten Lopes und Jaeger, die Entstehung der Drähte in einem Computermodell nachzuempfinden, wobei ein Parameter die unterschiedliche Mobilität auf den beiden Kunststoffen und ein anderer die anziehende Wechselwirkung von Metallatomen untereinander berücksichtigte. Bei geeigneter Wahl dieser Parameter ergab sich tatsächlich eine gute Übereinstimmung zwischen Experiment und Simulation.

Mögliche Nutznießer dieser Form der Selbstorganisation könnten neuartige Magnetbeschichtungen für Speichermedien sein. Dazu muss sich aber erst noch erweisen, ob der Herstellungsprozess auch mit magnetischen Materialien gelingt. Jedenfalls sind die Ausgangsstoffe für die Schablone keine exotischen Verbindungen: Polystyrol benutzt man zur Herstellung von Styropor, und PMMA ist in Form von Plexiglas bekannt. Jaeger meint: "Die Technik, um diese Strukturen herzustellen, ist eigentlich sehr einfach. Und das ist das Schöne daran."

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