Nobelpreis für Literatur 2025: Preis für literarischen »Meister der Apokalypse« László Krasznahorkai

Der ungarische Schriftsteller László Krasznahorkai wird in diesem Jahr mit dem prestigeträchtigen Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet. Das gab die Schwedische Akademie kurz nach 13:00 Uhr in Stockholm bekannt.
Der 1954 im kleinen Ort Gyula im südöstlichen Ungarn geborene Autor erhielt die Auszeichnung »für sein unwiderstehliches und visionäres Œuvre, das inmitten apokalyptischen Terrors die Macht der Kunst bekräftigt«, so der Ständige Sekretär der Akademie, Mats Malm, bei der Bekanntgabe. Krasznahorkai wurde bereits mehrfach mit internationalen Preisen ausgezeichnet. So gewann er 2015 den renommierten Man Booker International Prize und 2021 wurde ihm der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur verliehen.
Krasznahorkai studierte Jura, Ungarisch sowie Literatur. Mitte der 1980er Jahre erschien in seiner Heimat mit »Sátántangó« sein literarisches Debüt, das sich dort schnell zum großen Erfolg entwickelte. Die Handlung dreht sich um die verarmten Bewohner einer verlassenen ungarischen Landkommune kurz vor Zerfall der Sowjetunion. Auf Deutsch erschienen der Roman 1990 als »Satanstango«. 1994 adaptierte Krasznahorkai den Roman zum Drehbuch, das von Béla Tarr verfilmt wurde.
Der gespenstische Zirkus als Vorbote der Anarchie
Sein zweites Buch, »Az ellenállás melankóliája« (auf Deutsch 1992 veröffentlicht als »Melancholie des Widerstands«), zementierte seinen Status als literarischen »Meister der Apokalypse«, wie die US-amerikanische Kritikerin Susan Sontag ihn nach dessen Lektüre beschrieb. Die schwedische Akademie beschreibt das 1989 erschienene Werk als Horror-Fantasy-Geschichte, die in einer kleinen ungarischen Stadt in einem Karpatental spielt. Als ein gespenstischer Zirkus seine Zelte im Ort aufbaut, setzt das eine Welle an Gewalt und Vandalismus in Gang, die in Anarchie mündet. Mit traumartigen Szenen und grotesken Charakterisierungen porträtiert László Krasznahorkai meisterhaft den brutalen Kampf zwischen Ordnung und Unordnung, schreibt Anders Olsson, der Vorsitzende des Nobelkomitees.
Krasznahorkais Erzählungen werden vielfach als postmodern und apokalyptisch bezeichnet. Als literarische Einflüsse seines Schaffens gelten unter anderem der böhmische Schriftsteller Franz Kafka (zu dessen bekanntesten Werken etwa »Das Urteil« oder »Die Verwandlung« zählen) und der irische Autor Samuel Beckett (»Warten auf Godot«). In Deutschland erscheinen seine Romane im Verlag S. Fischer.
Zwischen dem 6. und dem 13. Oktober geben die Nobelkomitees die Preisträger des Jahres 2025 bekannt. Auf unserer Themenseite »Nobelpreise – die höchste Auszeichnung« erfahren Sie, wer einen der renommierten Preise erhalten hat. Dort können Sie außerdem das Wesentliche über die Laureaten und ihre Forschung nachlesen.
Der Literatur-Nobelpreis gilt als wichtigste literarische Auszeichnung der Welt. Nach Auskunft der Akademie waren in diesem Jahr etwas mehr als 200 Nominierte im Rennen – wer darunter gewesen ist, wird traditionell 50 Jahre lang unter Verschluss gehalten.
2024 war die südkoreanische Schriftstellerin Han Kang mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet worden. Die Schwedische Akademie würdigte sie damit »für ihre intensive poetische Prosa, die sich historischen Traumata stellt und die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens offenlegt«. Mit der Auszeichnung von Krasznahorkai setzt sich ein Muster der vergangenen Jahre fort: Seit 2017 sind die Literatur-Nobelpreisträger immer abwechselnd Männer und Frauen gewesen. Vor Han Kang waren der Norweger Jon Fosse und die Französin Annie Ernaux, davor der tansanische Schriftsteller Abdulrazak Gurnah und die 2023 verstorbene US-Lyrikerin Louise Glück ausgezeichnet worden. Der letzte deutschsprachige Literaturnobelpreisträger ist 2019 der Österreicher Peter Handke gewesen.
Turbulente Nobelpreiswoche
In den vergangenen Tagen wurden bereits die Preise für die naturwissenschaftliche Disziplin verkündet. Der Nobelpreis für Medizin oder Physiologie ging an Mary Brunkow, Fred Ramsdell und Shimon Sakaguchi für ihre Forschung auf dem Gebiet der peripheren Immuntoleranz. Die drei Quantenphysiker John Clarke, Michel Devoret und John Martinis erhielten den diesjährigen Physik-Nobelpreis für ihre Experimente zum quantenmechanischen Tunneleffekt. Den Chemie-Nobelpreis sprach die schwedische Akademie Susumu Kitagawa, Richard Robson und Omar Yaghi zu – für die Entwicklung einer neuen Klasse molekularer Konstruktionen. Der Friedensnobelpreis, der traditionell in Oslo vergeben wird, folgt am 10. Oktober, und den Abschluss bildet der Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften am 13. Oktober.
Die feierliche Verleihung der Preise erfolgt am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel. Der im Jahr 1833 geborene schwedische Erfinder und Unternehmer hatte das Dynamit entwickelt, das ihm zu großem Wohlstand verhalf. Nobel starb 1896 ohne Nachkommen. In seinem Testament veranlasste er, sein Vermögen in einem Fonds anzulegen. Die Zinsen daraus sollen jährlich zu gleichen Teilen an Personen aus den Bereichen Physik, Chemie, Physiologie oder Medizin, Literatur und Frieden gehen, die sich durch herausragende Beiträge ausgezeichnet haben. Dabei soll keinerlei Rücksicht auf die Nationalität genommen werden, sodass die würdigste Person bestimmt werden kann.
Die aus dem Testament entstandene Nobelstiftung verkündete die ersten Preise im Jahr 1901. 1969 kam mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften ein weiterer Preis hinzu, den die Schwedische Nationalbank zu ihrem 300-jährigen Jubiläum einrichtete. Das jeweilige Preisgeld beträgt elf Millionen schwedische Kronen, umgerechnet knapp eine Million Euro. Daneben erhalten die Laureaten eine Medaille aus 18-karätigem Gold sowie eine doppelseitige, handgearbeitete Urkunde. Für diese werden jedes Jahr Künstlerinnen und Künstler aus Norwegen und Schweden ausgewählt, um den Auszeichnungen einen individuellen Charakter zu verleihen. (mit Material der dpa)
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