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News: Locker geschnürt

Wie ein Haufen Spaghetti liegt die Erbsubstanz DNA in unseren Körperzellen vor. Was jedoch auf den ersten Blick wie ein fester Gordischer Knoten aussieht, entpuppt sich auf den zweiten als äußerst bewegliches Gebilde.
Sie misst insgesamt zwei Meter, liegt jedoch nie in ausgestreckter Form vor, sondern als zusammengeknüllter Haufen. Ansonsten würde die Erbsubstanz DNA schließlich die Dimensionen einer Zelle sprengen. Kein Wunder also, dass sich wie bei einem langen Kabel schnell mal der eine oder andere Knoten in dem Lebensfaden verfängt. Das ist jedoch kein Drama, denn dank bestimmter Enzyme, Topoisomerasen genannt, ist die DNA leicht wieder entwirrt und kann so ungestört während biochemischer Prozesse abgelesen werden. Doch wie gelingt das Kunststück?

Auch Xiaoyan Bao und Kollegen vom California Institute of Technology in Pasadena interessieren sich für diese Frage. Eines vorweg: Eine endgültige Lösung des Problems haben sie noch nicht gefunden, aber zumindest konnten sie schon einmal Mittel und Wege entwickeln, es systematisch anzugehen. So knüpften die Wissenschaftler künstlich einen Knoten in einen DNA-Strang, um dann zu beobachten, wie leicht sich dieser wieder lösen lässt.

Dazu tauchten die Physiker einen DNA-Strang in Polyethylen-Glykol, eine viskose Flüssigkeit, um die thermisch angeregte Bewegung des langen Moleküls abzubremsen. Nun fassten sie die DNA-Enden, die sie zuvor mit je einer winzigen Kunstkugel versehen hatten, mit optischen Pinzetten. Dabei handelt es sich um Laserstrahlen, in deren Fokus Mikropartikel – eben jene Kunststoffperlen – wie mit einer mechanischen Pinzette gegriffen und bewegt werden können. Da die DNA deutlich dünner als die Kunststoffkügelchen war, bot sie den Laserstrahlen kein Hindernis, sodass diese den Strang ohne Störung passieren konnten. Auf diese Weise war es den Wissenschaftlern möglich, das DNA-Molekül zu verknoten.

Wie sich herausstellte, ließ sich der Knoten jedoch nicht beliebig zuziehen. Die elektrostatischen Abstoßungskräfte zwischen gleich geladenen Stücken des Strangs verhinderten dies. Auf diese Weise blieben die Knoten stets locker. Und so wie sich bei einem schlecht geschnürten Schuh durch das stete Rütteln und Rucken beim Gehen die Schleife öffnen kann, so entwirrt sich auch ein DNA-Strang teils von selbst, denn die Knoten lassen sich fast ohne Reibung entlang des Moleküls verschieben. Die stete thermische Schüttelbewegung reicht also mitunter aus, einen Knoten zu lösen.

Einzig bei komplexeren Knüpfwerken war die Wanderung verlangsamt. Durchaus einleuchtend, denn ein Haufen verworrener Spaghetti lässt sich schließlich auch schlechter trennen, als ein sauber drapiertes Ensemble der Teigware. Aber so wie dem wirren Spaghettihaufen mit ein wenig Öl beizukommen ist, so helfen bei der DNA offenbar die Topoisomerasen.

Wie die Enzyme jedoch genau ihre Arbeit verrichten, ist noch längst nicht klar. Immerhin, die Forscher sind zuversichtlich, dass ihre Technik dazu taugt, dieses Problem anzugehen. Vielleicht, so spekulieren Bao und Co, zeigt sich dabei auch ein Weg, wie sich Topoisomerasen ausschalten lassen, sodass beispielsweise das Wachstum von Tumoren gestoppt oder zumindest gebremst werden kann. Bis dahin ist jedoch vermutlich noch so mancher Knoten zu knüpfen.

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