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Therapien im Vergleich : Was bei Long Covid helfen kann

Kurzatmigkeit, Geruchsverlust, Fatigue: Die Symptome von Long Covid sind vielfältig. Welche Behandlung kann welche Beschwerden am besten lindern?
Illustration des Coronavirus Sars-CoV-2. Zu sehen sind mehrere blaue, kugelförmige Viruspartikel mit stachelartigen Strukturen auf ihrer Oberfläche, die in einer vergrößerten Ansicht gezeigt werden. Sie schweben vor einem hellen, verschwommenen Hintergrund.
Eine Infektion mit Sars-CoV-2 kann verschiedene langfristige Symptome mit sich bringen.

Rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland sind Schätzungen zufolge von Long Covid oder der schweren Multisystemkrankheit ME/CFS betroffen. Sie leiden noch Wochen oder Monate nach einer akuten Sars-CoV-2-Infektion unter gesundheitlichen Beschwerden wie Kurzatmigkeit oder einer massiven psychischen und physischen Kraft- und Energielosigkeit, der Fatigue. Was kann ihnen helfen?

Ein Team um den Mediziner Shuguang Gao von der Central South University in Changsha (China) verglich in einer im September 2025 veröffentlichten Metaanalyse die Wirksamkeit von sieben vielversprechenden Behandlungsansätzen bei Long Covid: körperliches Training, Atemmuskeltraining, Gehirnstimulation (transkranielle Gleichstromstimulation), ergänzende Supervision einer Therapie über Online-Plattformen, Apps oder Telefonate (Telerehabilitation), Steroid-Nasensprays sowie die Substanzen Palmitoylethanolamid und Luteolin (PEA-LUT), die entzündungshemmende Eigenschaften haben.

In die Analyse flossen die Daten von mehr als 4000 Patientinnen und Patienten aus 51 randomisierten und kontrollierten Studien ein, bei der die Teilnehmenden zufällig einer Experimental- oder Kontrollgruppe zugeteilt worden waren. Alle Personen wiesen über die akute Krankheitsphase hinaus Symptome auf – also länger als vier Wochen nach der Sars-CoV-2-Infektion. Long Covid ist als Überbegriff für verschiedene Verlaufsformen gängig, darunter auch ME/CFS, die schwerste Form von Long Covid.

Vor und nach den Behandlungen (zum Beispiel einem Atemmuskeltraining) wurden mehrere Körperfunktionen getestet, um den Erfolg der Therapie zu messen. Hierzu gehörten unter anderem die Herz-Lungen-Funktion, die körperliche Belastbarkeit (etwa mit einem Sechs-Minuten-Gehtest), das Ausmaß an Kurzatmigkeit, der Geruchssinn und die Fatigue.

Die körperliche Leistungsfähigkeit und die Herz-Lungen-Funktion verbesserten sich am stärksten durch ein körperliches Training – daher empfehlen es die Autoren als Mittel der Wahl bei diesen Symptomen. Ein Atemmuskeltraining verbesserte die körperliche Leistungsfähigkeit und die Kurzatmigkeit. Allerdings führten die beiden Behandlungen zu keinen wesentlichen Verbesserungen hinsichtlich Fatigue, Ängsten und Depressionen oder bei Lungenfunktionswerten. Eine telemedizinische Supervision konnte die Wirksamkeit des Trainings dagegen steigern, etwa im Sechs-Minuten-Gehtest.

Die transkranielle Gleichstromstimulation ist ein Verfahren, bei dem über Elektroden an der Kopfhaut ein leichter Strom erzeugt wird, um die neuronale Aktivität im Gehirn zu beeinflussen. Die Technik kommt als Option bei anhaltender Erschöpfung infrage. Eine wiederholte Stimulation des dorsolateralen präfrontalen Kortex und des primären motorischen oder sensorischen Kortex linderte in zwei Studien die körperliche Komponente der Fatigue, nicht jedoch den allgemeinen Fatigue-Wert.

Darüber hinaus verbesserte sich die Riechfähigkeit durch eine Kombination des körpereigenen Stoffs Palmitoylethanolamid und des Pflanzenstoffs Luteolin (PEA-LUT), der etwa in Paprika und Sellerie vorkommt. Vermutlich hemmen die beiden Mittel eine Entzündung des Nervengewebes. Steroid-Nasensprays und ein Geruchstraining zeigten hingegen keine Effekte auf das Riechvermögen.

Eine individuell angepasste Therapie ist wichtig

Insgesamt war ein körperliches Training also das wirksamste Mittel, um die körperliche Leistungsfähigkeit bei Menschen mit Long Covid zu verbessern, während die Gabe von PEA-LUT und die transkranielle Gleichstromstimulation bei bestimmten Symptomen vielversprechend sind.

Die Autoren betonen, wie viele Lücken es noch gibt und wie wichtig es ist, weiter an personalisierten und symptomspezifischen Behandlungsansätzen zu forschen. Sie halten ein Bewegungstraining bei vielen Patienten mit Long Covid für sinnvoll, es gebe aber Einschränkungen. Ein Teil der Betroffenen leide unter einer sogenannten Post-exertionellen Malaise (PEM), die sich durch eine verzögerte Verschlechterung des Zustands nach körperlicher oder geistiger Anstrengung zeigt. Die PEM ist das Kernsymptom einer ME/CFS. Bei diesen Patienten führen Trainingsmaßnahmen zu einer Verschlimmerung statt einer Besserung. Daher ist es unerlässlich, jede Behandlung individuell auf die jeweiligen Symptome abzustimmen, Interventionen zu kombinieren und stets engmaschig zu überwachen.

Wichtige Begriffe rund um Long Covid

Fatigue: Darunter versteht man eine massive psychische und physische Kraft- und Energielosigkeit. Die Betroffenen sind nicht mehr in der Lage, Aktivitäten des täglichen Lebens nachzugehen. Fatigue tritt auch bei anderen chronischen Erkrankungen auf, etwa bei multipler Sklerose oder Krebs. Anders als hier verbessert sich das Symptom bei ME/CFS nicht durch Sport oder Schlaf.

Long Covid: Der Begriff bezeichnet gesundheitliche Beschwerden, die über die akute Krankheitsphase hinaus andauern – also länger als vier Wochen nach der Sars-CoV-2-Infektion. Long Covid ist als Oberbegriff für verschiedene Verlaufsformen gängig, darunter auch Post-Covid oder ME/CFS.

Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS): Meist durch eine Virusinfektion wie Covid-19 ausgelöste schwere Multisystemerkrankung. Typisch sind eine Verschlechterung der Symptome nach Belastung (PEM) und eine massive Energielosigkeit (Fatigue). Betroffene leiden unter anderem häufig unter Konzentrations- und Gedächtnisproblemen, Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Schmerzen in verschiedenen Bereichen des Körpers und einer Überempfindlichkeit, etwa auf Licht oder Geräusche.

Pacing: Eine Form des Krankheitsmanagements, bei der Patienten lernen, die zur Verfügung stehende Energie zu nutzen, ohne die eigenen Belastungsgrenzen zu überschreiten. Ziel ist es, eine PEM zu vermeiden.

Post-Covid: Nach Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) handelt es sich um gesundheitliche Beschwerden, die mindestens zwölf Wochen nach einer Sars-CoV-2-Infektion fortbestehen oder erneut auftreten und nicht anderweitig erklärbar sind. Der Begriff dient der medizinischen Abgrenzung innerhalb des Long-Covid-Spektrums und beschreibt insbesondere längerfristige oder chronische Verläufe.

Post-exertionelle Malaise (PEM): Das Kernsymptom von ME/CFS ist eine verzögerte Verschlechterung des Zustands oder das Auftreten neuer Symptome nach körperlicher oder geistiger Anstrengung. Betroffene bezeichnen das oft als Crash. Auslöser können bereits Sitzen, Stehen oder äußere Reize wie Licht sein. Meist tritt eine Zustandsverschlechterung 12 bis 48 Stunden nach der Überlastung auf und hält dann Tage bis Wochen an; in schweren Fällen ist sie dauerhaft.

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