Louvre-Diebstahl : Mit dem Schmuck wurde ein Stück französische Geschichte geraubt

Der Einbruch in den Louvre am Sonntagmorgen dauerte nur wenige Minuten. In der kurzen Zeit erbeuteten vier Täter acht Schmuckstücke der französischen Kronjuwelen: schwer mit Diamanten, Smaragden, Perlen und Saphiren besetzte Diademe, Ohrringe, Ketten und Broschen aus dem 19. Jahrhundert. Die Prunkstücke seien von »unschätzbarem Wert«, sagte Frankreichs Innenminister Laurent Nuñez französischen Medien.
Der Louvre in Paris, das meistbesuchte Ausstellungshaus der Welt mit mehr als 30 000 Exponaten, wurde am helllichten Tag einiger seiner wertvollsten und geschichtsträchtigsten Objekte beraubt. Nichts weniger als den Familienschmuck Frankreichs hätten die Diebe gestohlen, erklärte der Adelsjournalist Stéphane Bern im französischen Fernsehen.
Sicher ist: Die Krönchen und Ketten, die das Museum teils erst vor 20 bis 40 Jahren erworben hat, stammen aus dem Besitz historischer Großprominenz und zierten die Häupter illustrer Kaiserinnen und Königinnen. Sie bezeugen Prunk und Politik einer der ereignisreichsten Phasen der französischen Geschichte. Es ist die Zeit nach der Französischen Revolution, als Napoleon Bonaparte (1769–1821) die Macht ergriff, zunächst als Erster Konsul und dann ab 1804 als Kaiser herrschte. Nach ihm folgte eine wechselhafte Phase in Frankreich mit Königen an der Regierung, einem Intermezzo der Republik und ab 1852 dem zweiten Kaiserreich unter Napoleon III. (1808–1873).
Hunderte Diamanten, dutzende Smaragde
So gehörte eine der entwendeten Schmuckgarnituren der zweiten Ehefrau von Napoleon I., Marie-Louise von Österreich (1791–1847). Das Collier aus 32 Smaragden und 1138 geschliffenen Diamanten – samt einem Paar passender Ohrringe – beauftragte Napoleon anlässlich seiner Hochzeit mit der Habsburgerin im Jahr 1810. Die arrangierte Ehe ließ den Franzosen politisch glänzen und sicherte seine Machtposition in Europa, sollte ihm aber auch helfen, eine eigene Dynastie zu begründen.
Weil aus seiner ersten Ehe mit Joséphine keine Kinder hervorgegangen waren, hatte sich Napoleon scheiden lassen und dann die 18-jährige Marie Louise geheiratet – Tochter des österreichischen Kaisers Franz I., der kurz zuvor Napoleon im Krieg unterlegen war und nun seine Erstgeborene mit dem unliebsamen Gegner vermählen musste, um Frieden mit Frankreich zu wahren.
Doch aus dem Bund fürs Leben wurde lediglich ein Bund für vier Jahre. Als Napoleon 1814 besiegt und nach Elba verbannt wurde, setzte sich Marie Louise nach Österreich ab. Und ihren persönlichen Schmuck nahm sie mit.
In den Jahren bis zu ihrem Tod war die Habsburgerin noch zweimal verheiratet. Das Smaragd-Diamanten-Ensemble, das ihr der einstige Kaiser von Frankreich zusammen mit einer weiteren Garnitur geschenkt hatte, ging danach durch die Hände ihrer Nachfahren. Bis die Stücke 1953 an einen Juwelier verkauft wurden. Teils zerlegte man das Set, wie die Louvre-Kuratorin Anne Dion-Tenenbaum im Buch »Les Diamants de la Couronne« von 2023 erklärt, und bestückte es mit neuen Edelsteinen (ein zugehöriges Diadem befindet sich heute in der Smithsonian Institution und trägt Türkise statt Smaragde). 2004 schließlich erwarb der Louvre die übriggebliebene Kette und die Ohrringe.
Und seit Sonntagmorgen ist der Verbleib dieser und sechs weiterer Stücke ungewiss.
Wie der filmreife Einbruch in den Louvre verlief
Wie nach dem Drehbuch eines Hollywoodfilms brachen die vier vermummten Männer in das Pariser Museum ein. Um 9:30 Uhr am Sonntag, als der Louvre gerade eine halbe Stunde geöffnet hatte und erste Besucher durch die Räume spazierten, hievten sich zwei der Männer per Hubarbeitsbühne auf einen Balkon des Gebäudes. Sie sägten ein Loch ins Fenster, stiegen in die Apollon-Galerie des Museums ein – dem Saal mit den Kronjuwelen – und frästen zwei Vitrinen auf. Sie ergatterten neun Schmuckstücke. Der Alarm am Fenster und den Vitrinen sei ausgelöst worden. Auch Mitarbeiter des Museums waren anwesend, seien aber von den Einbrechern bedroht worden, denen schließlich die Flucht über die Hubarbeitsbühne gelang. Unten warteten zwei Komplizen auf Motorrädern. Ihr Versuch, den Lastenaufzug in Brand zu stecken, misslang. Zudem mussten die vier Diebe eines der neun Beutestücke auf der Flucht zurücklassen: eine Krone der Kaiserin Eugénie (1826–1920), der Ehefrau von Napoleon III., dem Neffen des Napoleon Bonaparte.
Vom Schmuck Eugénies konnten die Täter jedoch drei weitere Objekte erbeuten: die sogenannte Reliquienbrosche der für ihre Frömmigkeit bekannten Kaiserin; eine mit mehr als 2600 Diamanten besetzte Anstecknadel in Schleifenform und ein Diadem, an dem 212 Perlen und 2990 Diamanten prangen, gefertigt 1853 in Paris.
Ähnlich seinem Onkel beabsichtigte Napoleon III. mit den Kronjuwelen seine Macht und sein Prestige zur Schau zu stellen, schreibt Kunsthistorikerin Dion-Tenenbaum. Und das buchstäblich: So ließ Napoleon III. Stücke umarbeiten sowie neue Preziosen von Juwelieren fertigen und anschließend auf der Weltausstellung 1855 in Paris präsentieren – darunter die Krone der Kaiserin, die die Diebe auf der Flucht fallen ließen.
Der Schmuck der Mutter Napoleons III.
Drei Teile einer weiteren gestohlenen Schmuckgarnitur gehen auf die Mutter von Napoleon III. zurück, Hortense de Beauharnais (1783–1837). Es handelt sich um ein Diadem, Ohrringe und eine Kette aus Diamanten und Saphiren, die einst ein größeres Ensemble bildeten.
Hortense de Beauharnais hatte eine für die damalige Adelswelt nicht ungewöhnliche Familiengeschichte. Sie war die Tochter von Joséphine Tascher de la Pagerie aus deren erster Ehe mit dem Vicomte de Beauharnais. Nachdem der Vater in den Tagen der Schreckensherrschaft der Französischen Revolution hingerichtet worden war, heiratete die Mutter bald darauf erneut und ehelichte keinen Geringeren als Napoleon Bonaparte. Hortense wurde mit einem von Napoleons Brüdern vermählt, der wiederum zum König von Holland aufstieg. In den 1800er Jahren hatte Napoleon seine Geschwister und Vertraute in den Herrscherhäusern Europas installiert, um seine Macht in Europa zu festigen.
Diamanten und Saphire von rätselhafter Herkunft
Wer den üppigen Schmuck aus Diamanten und Saphiren in Auftrag gegeben hatte, konnten Fachleute bisher nicht klären. Die Nachricht, dass er einst von Marie Antoinette getragen worden sei, dürfte aber falsch sein. Die Königin, die 1793 auf der Guillotine hingerichtet wurde, habe, wie Inventarbücher belegen, nie Saphire besessen, so Dion-Tenenbaum. Auch ob Joséphine die Stücke an ihre Tochter vermacht hatte, ist unklar. Hortense besaß mindestens zwei Saphir-Sets, deren Herkunft sich nicht genauer bestimmen lässt.
Besser bezeugt ist die spätere Geschichte des Geschmeides. 1821 erwarb die französische Königin Marie Amalia (1782–1866) den Schmuck von Hortense. Ihr Mann, Louis Philippe von Orléans, herrschte 18 Jahre lang als König über Frankreich, bis er 1848 gestürzt wurde. Der Schmuck blieb dennoch für Generationen im Besitz der Familie von Orléans. 1985 kam er dann in den Louvre.
Die geraubten Prunkobjekte waren durch viele Hände gegangen, bis sie ihren Platz in der Apollon-Galerie des Louvre fanden. Ein Teil davon könnte nun auf Nimmerwiedersehen verschwinden, sollten die Diebe genügend Zeit haben, die Stücke zu zerlegen und die Edelsteine aus ihren Fassungen zu lösen, wie es etwa die Täter am Diebesgut aus dem Dresdner Grünen Gewölbe versuchten. Auch die 100 Kilogramm schwere Goldmünze, die 2017 aus dem Berliner Bode-Museum geraubt wurde und von der seither jede Spur fehlt, wurde vermutlich zerstückelt und eingeschmolzen. Für den intakten Schmuck aus dem Louvre dürften die Täter kaum Abnehmer finden, dafür sind die Stücke viel zu bekannt und prominent. Doch mit ihnen hat Frankreich nicht nur wertvolle Schätze verloren, sondern auch ein Stück seiner Geschichte. Derzeit jedenfalls.
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