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Medizinischer Sonderfall: Mädchen mit nur einer Hirnhälfte liest besser als Altersgenossen

Sie wurde mit nur einer Hirnhälfte geboren und schneidet bei Lesetests dennoch besser ab als Altersgenossen. Der Fall der 18-Jährigen zeigt, wie formbar das Gehirn ist.
Tomografische Aufnahmen eines Kopfes

Eine 18-Jährige schneidet in Lesetests besser ab als die meisten ihrer Altersgenossen und hat einen leicht überdurchschnittlichen IQ – und das, obwohl sie mit nur einer Hirnhälfte auf die Welt kam. Der Fall zeigt einmal mehr, wie flexibel das Gehirn auf Schädigungen reagieren kann, sofern diese früh genug auftreten.

Fachleute beobachten die Entwicklung des Mädchens, das sie unter dem Pseudonym C1 führen, seitdem es 14 Monate alt ist. Über ihre jüngsten Ergebnisse sprachen sie jetzt mit dem »New Scientist«. Laut der Oxforder Forscherin Salomi Asaridou lag C1 in ihren ersten Jahren merklich hinter ihren Altersgenossen zurück, erst mit rund viereinhalb Jahren zeigte sie eine durchschnittliche Sprachkompetenz. Je älter sie wurde, desto stärker holte sie auf, und schließlich überholte sie Gleichaltrige hinsichtlich Sprach- und Lesekompetenz. Nach Abschluss der Schule plant C1 eine Universität zu besuchen.

Die Ergebnisse sind umso erstaunlicher, als ausgerechnet die linke Hirnhälfte fehlt, in der im Normalfall die Sprachverarbeitung abläuft. Tests von Asaridou und Kollegen würden zeigen, dass die rechte Hirnhälfte die Aufgaben der linken übernommen hätte, berichtet das britische Wissenschaftsmagazin. Allerdings habe die verbliebene Hälfte offenbar den Ausfall der anderen nicht komplett kompensiert, C1 habe Probleme mit Bewegungen ihrer rechten Körperhälfte, die im Normalfall von der gegenüberliegenden linken Hirnhemisphäre gesteuert wird.

Andere Kinder, die von der Hemihydranenzephalie genannten Fehlbildung betroffen sind, hätten den Verlust weniger gut kompensieren können, schreibt der »New Scientist«. Nur noch ein weiterer der sechs beobachteten Fälle habe keine Sprachschwierigkeiten. C1 habe wohl auch davon profitiert, dass sich ihre wohlhabenden Eltern zahlreiche Förderprogramme leisten konnten. Möglicherweise spiele aber auch eine genetische Komponente eine Rolle, sagt Asaridou: Der Bruder von C1, der ein normal entwickeltes Gehirn habe, schneide in Sachen Sprachkompetenz ebenfalls deutlich besser ab als der Durchschnitt seiner Altersgenossen.

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