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Infektionen: Mäuse-Prionen auch auf dem Luftweg ansteckend

Prionen
In Tierversuchen mit Mäusen haben Forscher aus der Schweiz und aus Deutschland gezeigt, dass sich der Erreger der Mäuse-Scrapie auch über die Luft verbreitet. Bisher galt diese Übertragungsvariante für Prionen als eher unwahrscheinlich, doch das Team um Adriano Aguzzi von der Universitätsklinik Zürich demonstrierte, dass ein Aerosol aus den getrockneten Gehirnen von infizierten Mäusen gesunde Artgenossen effektiv infiziert.

Der Auslöser von Scrapie ist ein verändertes Eiweiß, das Prion-Protein PrPSc, das in seiner natürlichen Form PrPC vom Körper selbst hergestellt wird. Die krankhafte Variante hat eine andere Struktur und zwingt sein gesundes Gegenstück dazu, diese veränderte Struktur ebenfalls anzunehmen. In diese Kategorie der Prionenkrankheiten oder TSE (Transmissible Spongiforme Enzephalopathien) fallen viele neurodegenerative Erkrankungen bei sehr unterschiedlichen Wirbeltieren, zum Beispiel Scrapie bei Mäusen und Schafen, BSE bei Rindern, Chronic Wasting Disease bei nordamerikanischen Wildtieren sowie Kuru oder Creutzfeldt-Jakob-Syndrom bei Menschen, die alle auf das krankhaft veränderte PrP zurückgehen.

Prionen | Während das normale Prion-Protein (PrPC) vorwiegend aus alpha-Helices aufgebaut ist, sind in dem infektiösen Prion (PrPSc) eine oder zwei dieser Helices in vier antiparallele beta-Faltblätter umgelagert (oben).
PrPSc lagert sich vermutlich an PrPC an und löst damit die Konformationsänderung des PrPC aus (unten).
Der Hauptübertragungsweg für all diese Erkrankungen ist die Nahrung. Betroffene Tiere scheiden den Erreger jedoch unter anderen mit Fäkalien aus, und das veränderte Prion ist ausgesprochen stabil – beste Voraussetzungen, um sich als Staub mit dem Wind zu verbreiten. Um diese Möglichkeit zu überprüfen, setzten die Wissenschaftler ihre Versuchstiere bis zu zehn Minuten einem Aerosol mit 20 Prozent Scrapie-Hirn aus. In den Versuchen reichte schon eine Minute unter dem Aerosol, um ausnahmslos alle Mäuse später an der Hirnkrankheit sterben zu lassen – je länger jedoch die Tiere dem Erreger ausgesetzt waren, desto schneller schlugen die Prionen zu.

Für diese Infektion spielt es auch keine Rolle, ob die Mäuse immunkompetent sind oder nicht, oder ob das unveränderte Prion-Protein nur in bestimmten Geweben vorkommt. Als Einzige überlebten Mäuse mit einem verstümmelten eigenen Prion-Protein die Behandlung, während Artgenossen, die besonders viel des Eiweißes herstellen, erwartungsgemäß schneller sterben. All diese Indizien deuten darauf hin, dass Prionen grundsätzlich aus der Luft aufgenommen werden können.

Trotzdem ist mit diesem Ergebnis nicht gesagt, dass vom Kot infizierter Tiere ein Risiko ausgeht – für ihre Experimente verwendeten die Forscher Nervengewebe mit extrem hohem Prionengehalt. Getrocknetes und pulverisiertes Hirn allerdings wird man in der freien Wildbahn nicht allzu häufig antreffen, deswegen betreffen die Ergebnisse der Wissenschaftler wohl vorerst nur Schlachthöfe und Forschungseinrichtungen, wo die Wahrscheinlichkeit höher ist, auf stark infiziertes Gewebe zu treffen. (lf)

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  • Quellen
PLoS Pathogens 7, e1001257, 2011

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