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Messtechnik: Magnetische Analyse im Nanomaßstab

In starken Magnetfeldern verraten Atomkerne, wer sie sind und wie es um sie herum aussieht. Leider benötigt man gewaltige Apparaturen, um an diese Informationen zu gelangen. Eine neue NMR-Technik auf Halbleiterbasis könnte da Abhilfe schaffen - und die Kerne sogar für superparallele Berechnungen manipulieren.
Wer den Geheimnissen der Materie mit magnetischen Messungen auf den Grund gehen will, der darf nicht knausern. Eine Billiarde Teilchen oder mehr muss es schon sein, um brauchbare Signale zu erhalten. Dazu Magnetfelder, die zigtausendmal stärker sind als das Erdmagnetfeld. So etwas ist sperrig, teuer und ziemlich unflexibel.

Dennoch hat sich die Kernspinresonanzspektroskopie (nuclear magnetic resonance spectroscopy, NMR) in vielen Bereichen der Physik, Chemie, Biologie und Medizin einen festen Platz erobert. Denn mit ihr ist es möglich, ohne gefährliche Strahlung detaillierte Informationen über Proben oder Patienten zu erhalten. Und seit einigen Jahren zeichnet sich fern am Horizont zukünftiger Technik noch eine weitere Anwendung mit viel versprechenden Potenzialen ab: Mit NMR lassen sich im Prinzip die berühmt-berüchtigten Quantencomputer bauen.

Grundlage für all dies sind die magnetischen Eigenschaften mancher Atomkerne. Unter gewöhnlichen Bedingungen wirken sie sich nicht aus, anders in einem starken Magnetfeld: Dann gibt es für die Kerne nur noch ganz bestimmte mögliche Energiezustände, die nach den Regeln der Quantenmechanik festgelegt sind. Im einfachsten Fall eines Atomkerns mit einem Spin von 1/2 entstehen zwei eng beieinander liegende Niveaus, die erlaubt sind – alle Zwischenbereiche sind für den Kern tabu.

Durch genau angepasste Pulse von Radiowellen lässt sich der Kern zwischen den beiden Energieniveaus verschieben, sodass er schließlich beide zugleich einnimmt. Diesen im Alltag unmöglichen, in der Quantenwelt dagegen völlig normalen Zustand bezeichnen Physiker als Überlagerung. Er ist das Objekt der Begierde aller Pioniere von Quantencomputern, denn Atomkerne, die mehrere Zustände zugleich einnehmen können, sind damit auch in der Lage, mehrere Rechenschritte simultan auszuführen.

Parallel statt nacheinander – darin liegt das (theoretische) Erfolgsrezept der Quantencomputer. Millionenmal die gleiche Aufgabe zu lösen, geht ganz schnell, wenn man alle Varianten in einem Schlag durchgeht. Schade nur, dass die atomaren Wunder in der makroskopischen Gegenwart so aufwändig zu realisieren sind.

Oder waren, wenn man sich die neueste Entwicklung einer japanischen Forschergruppe um Go Yusa von den NTT Basic Research Laboratories anschaut. Das Team hat eine Halbleiterschaltung entwickelt, die auf kleinstem Raum ihr eigenes Magnetfeld entwickelt und ihre eigenen Atome durchmisst – und zwar genauer, als herkömmliche NMR-Apparaturen es könnten.

Herzstück des Hoffnungsträgers ist eine Nanostruktur aus Galliumarsenid, einem in der Elektronik wohl bekannten Material. An der entscheidenden Stelle betragen ihre Kantenlängen nur 20 bis 600 Nanometer (Milliardstel Meter), kleiner als ein typisches Bakterium. Dort hindurch fließt ein Strom von sieben Nanoampere.

Bei Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt der Skala und einem statischen Magnetfeld, das hunderttausendmal so stark wie das Erdmagnetfeld ist, polarisieren sich die Kernspins und wechselwirken mit den Elektronen des fließenden Stroms. Das Ergebnis ist ein um rund zehn Prozent gestiegener elektrischer Widerstand, den die Wissenschaftler genau messen können. Alle Manipulationen und Veränderungen der Kern-Polarisierung lassen sich so verfolgen. Sogar Übergänge, die mit konventioneller NMR-Technik nicht zu erkennen sind, wie Übergänge um 3/2 Spinquanten.

So fein die neue Methode auch messen mag – sie hat einen Nachteil: Sie registriert nur die Kernspins des stromdurchflossenen Teils. Für zukünftige Quantencomputer stellt das kein Problem dar, bei biologischen Proben wird es jedoch dadurch schwierig. Sie könnten zwar im Prinzip dicht an diesen Sensor angelagert werden und dann einen gewissen Einfluss auf dessen Kernspins nehmen, doch dürfte dieses Verfahren nur in wenigen Fällen zufriedenstellende Ergebnisse bringen.

Die Kernspinresonanz auf dem Chip für die Hosentasche stellt folglich vor allem für die extrem parallel rechnenden Quantencomputer einen wichtigen Schritt dar. Statt in Metern dürfen die Entwickler wohl demnächst in Mikrometern denken. Eine gelungene Minituarisierung zur rechten Zeit – bevor die Computer eines Tages doch wieder so groß sein werden wie ganze Werkhallen.

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