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News: Magnetische Logik

Noch sind Halbleiter-Bauelemente für sämtliche logischen Operationen in einem Computer zuständig. Das kann und muss sich in Zukunft aber ändern. Vielleicht können ein rotierendes Magnetfeld und ein magnetischer Draht-Parcours aushelfen.
Unzählige logische Schaltungen sorgen für die mathematische Begabung von Computern, wobei sich alle diese so genannten Gatter auf drei Grundelemente zurückführen lassen: das UND-, ODER- und NICHT-Gatter. Elektronisch gesehen besteht jede dieser Schaltungen aus Dioden und Transistoren, die ihrerseits auf Halbleitermaterialien basieren.

Und genau das ist das Problem: Denn aufgrund einer vergleichsweise geringen Dichte an Ladungsträgern lassen sich Halbleiter nicht beliebig verkleinern – sonst gehen ihnen irgendwann schlichtweg die Elektronen aus. Die Computer-Industrie muss sich also bald etwas einfallen lassen, wenn sie weiterhin die Dichte der Schaltkreise in Prozessoren in dem Maße erhöhen will, wie sie es bisher tat.

Aber vielleicht können ja Metalle in die Bresche springen. Einen Schritt in diese Richtung haben nun Dan Allwood und seine Kollegen von der University of Durham gemacht, indem sie ein logisches Gatter allein auf Basis einer nanostrukturierten, magnetischen Metalllegierung herstellten.

Herzstück des Bauelements ist ein 200 Nanometer breiter und fünf Nanometer dicker Draht aus der Eisen-Nickel-Legierung Permalloy. Dieses Material ist ferromagnetisch, das heißt seine magnetischen Momente sind auch dann ausgerichtet, wenn kein äußeres Magnetfeld anliegt. Dabei ist das anschauliche Bild einer Leiterbahn, die sich aus Abermillionen kleiner Elementarmagneten zusammensetzt gar nicht schlecht.

Diese Elementarmagneten richten sich nämlich in einem solch dünnen Draht bevorzugt in Richtung desselbigen aus. Und dabei gibt es genau zwei Möglichkeiten, die eben die beiden Bits "0" und "1" repräsentieren. Soweit so gut, aber wie lässt sich daraus ein Gatter bauen?

Dazu muss man wissen, dass in einem Stück Draht auch durchaus beide Magnetisierungsrichtungen vorkommen können. So könnte beispielsweise der Norden aller Elementarmagneten der einen Hälfte nach links und jener der anderen Hälfte nach rechts weisen. Zwischen diesen beiden Regionen, den Domänen, gibt es einen Übergangsbereich, der im Fall dieser Permalloy-Drähte etwa hundert Nanometer entspricht. In einer solchen Domänenwand drehen sich die magnetischen Momente von der einen in die andere Richtung.

Aus vorherigen Arbeiten wusste man schon, dass sich solche Domänenwände leicht mit Hilfe eines äußeren Magnetfelds verschieben lassen. Und zwar wächst immer gerade die Domäne auf Kosten der anderen, deren Magnetisierung Richtung des äußeren Feldes weist – das verschiebt dann auch die Wand. Legt man also ein Magnetfeld parallel zu einem Stück Draht mit zwei entgegengesetzten Domänen an, so verschiebt sich die Wand in Richtung der Domäne, die dem äußeren Feld entgegengerichtet ist.

So etwas funktioniert natürlich auch bei Kurven, nur muss hier auch das Feld entsprechend der Kurve mitdrehen. Außerdem muss die "Händigkeit" der Biegung mit der des Feldes übereinstimmen. Die Händigkeit des Feldes sagt einfach nur aus, ob es sich im oder gegen den Uhrzeigersinn dreht. Die Händigkeit einer Kurve wird durch die Bewegungsrichtung einer Domänenwand beschrieben. Andersherum kann man auch sagen: Eine rotierendes Magnetfeld kann eine Domänenwand nur in einer Richtung durch eine Kurve treiben.

Damit haben wir schon eine Hälfte des NICHT-Gatters – nämlich eine Biegung des Permalloy-Drahtes um einen Viertelkreis. Um das logische Schaltelement zu komplettieren, spiegelt man diesen Viertelkreis gerade so, dass sich die gespiegelte Biegung nahtlos an die erste anschließt, aber keinen Halbkreis bildet, sondern eher etwas, das so aussieht, wie die beiden Bögen des Buchstaben "B".

Diese Struktur sollte nun theoretisch wie ein NICHT-Gatter wirken. Denn durch die halbe Drehung eines äußeren Magnetfeldes lässt sich eine Domänenwand in den einen Bogen hineinsaugen und durch den anderen wieder hinausdrücken, was das ganze Element genau einmal ummagnetisiert – also von "0" auf "1" schaltet oder umgekehrt. Die Wissenschaftler um Allwood konnten dies tatsächlich experimentell zeigen, indem sie mit magnetoptischen Methoden, die Magnetisierungsrichtung der Probe an bestimmten Stellen vor und hinter dem Gatter maßen. So konnten sie den Domänenwänden quasi beim Wandern "zusehen".

Dabei koppelten die Forscher den Ausgang – also den einen Viertelkreis des Gatters – über einen weiten Bogen, der um die Struktur herum führte, mit ihrem Eingang – also dem anderen Viertelkreis. Das ganze sieht dann tatsächlich so aus wie ein "B", nur dass der Mittelstrich nicht ganz bis zum senkrecht dazu stehenden langen Strich reicht.

Als Allwood und seine Kollegen das äußere Feld dann kreisen ließen, konnten sie feststellen, wie die Domänenwand immer wieder durch die Struktur wanderte und somit das Material immer wieder ummagnetisierte – oder, um es logisch auszudrücken, von "0" auf "1" und dann wieder auf "0" schaltete. Dabei vergeht eine halbe Umdrehung des Felds für die NICHT-Operation und eine ganze Umdrehung für die Rückkopplung des Ausgangssignals in den Eingang. Damit braucht es also genau drei Drehungen des äußeren Feldes bis die Ausgangssituation wieder hergestellt ist. Oder anders ausgedrückt: Die magnetische Schaltung oszilliert mit einem Drittel der Anregungsfrequenz, das heißt, sie verhält sich wie ein Frequenzteiler.

Und weil das NICHT-Gatter offenbar so gut funktionierte, haben die Wissenschaftler auch einmal ausprobiert, was passiert, wenn mehrere Gatter hintereinandergeschaltet werden und der Ausgang des letzten mit dem Eingang des ersten gekoppelt wird. Tatsächlich konnten die Forscher auch hier beobachten, wie Domänenwände von einem Gatter zum nächsten wanderten und die Magnetisierung umkehrten. Diese Schaltung wirkte also wie ein Schieberegister; denn ein Bit wurde durch die Rotation des Magnetfeldes ja von einem Gatter zum nächsten geschoben. Die Schaltzyklen waren hierbei freilich etwas anders als beim einfachen NICHT-Gatter. Bis also der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt war, brauchte es entsprechend länger.

An einem anderen Schieberegister, das aus elf Gattern bestand – wobei sechs davon die Domänenwände in die eine und fünf in die andere Richtung schickten – konnten die Physiker auch die Tauglichkeit über viele Schaltzyklen nachweisen, denn bei 100 000 NICHT-Operationen ließ sich noch kein Fehler des Systems feststellen. Damit hat die Technik ihre potenziellen Möglichkeiten für eine digitale Informationsverarbeitung offensichtlich unter Beweis gestellt.

Zwar müssen die anderen beiden grundlegenden Gatter noch irgendwie realisiert werden, aber auch hier äußern die Forscher schon Ideen. Und auch die Taktfrequenz von derzeit 27 Hertz ließe sich laut ihrer Berechnungen wohl auf mindestens 200 Megahertz steigern. Für die Kommunikation mit bisherigen elektronischen Schaltkreisen könnten sich ihrer Meinung nach bestehende oder künftige Bauelemente der Spin-Elektronik eignen. Bleibt also abzuwarten, ob tatsächlich irgendwann ein magnetisches Herz in unseren Rechnern pocht. Für bestimmte mobile Anwendungen wie Smart Cards oder Mobiltelefone hätte das System jedenfalls seine Vorteile – ein besonders großer wäre, dass ein Stromausfall nicht mehr gleich den Verlust von Daten zur Folge hätte.

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