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Tiefe Hirnstimulation: Magnetische Nanopartikel als Hirnschrittmacher

Mit Hilfe von Eisenoxidnanopartikeln und einem Magnetfeld lassen sich Nervenzellgruppen tief im Gehirn stimulieren – kabellos und minimalinvasiv.
Nervengeflecht

Um Menschen mit Erkrankungen wie Parkinson oder Epilepsie eine Linderung ihrer Symptome zu verschaffen, haben Forscher bereits vor einiger Zeit Therapieverfahren entwickelt, mit denen sich bestimmte Gruppen von Nervenzellen gezielt aktivieren lassen. Doch die Möglichkeiten der so genannten tiefen Hirnstimulation sind begrenzt: Da die entsprechenden Zellen meist tief im Gewebe liegen, müssen den Patienten dauerhaft Elektroden eingepflanzt werden, die mit einem Impulsgeber außerhalb des Gehirns verbunden sind. Das macht die tiefe Hirnstimulation zu einer derart invasiven Methode, dass sie nur als letzter Ausweg genutzt werden kann.

Auch modernere Verfahren wie die Optogenetik, bei der Zellen mit Hilfe von Licht aktiviert werden, lösen dieses Problem bisher nur unzureichend. Erst vereinzelt gelangen Forschern Versuche, die sich einer Lichtquelle von außen bedienten, in den meisten Fällen muss ein Glasfaserkabel durch die Schädeldecke geführt werden, da das Licht sonst nicht tief genug in das Gewebe eindringen kann. Das Verfahren ist daher von einer Anwendung am Menschen noch weit entfernt. Wissenschaftler vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben deshalb nun einen gänzlich anderen Weg eingeschlagen, um die tiefe Hirnstimulation endlich kabellos und damit auch so minimalinvasiv wie möglich zu machen. Ihr Schlüssel zum Erfolg: Nanopartikel aus Eisenoxid und ein Magnetfeld.

Das Team um Polina Anikeeva ließ sich dabei von einem Verfahren aus der Krebsforschung inspirieren. Hier versucht man bereits seit Längerem, Tumorzellen möglichst gezielt mit Hitze abzutöten. Dazu bringt man Nanopartikel aus Eisenoxid in das erkrankte Gewebe ein, die zu vibrieren beginnen und sich erwärmen, wenn man ein magnetisches Wechselfeld von außen anlegt, dessen Polarität sich ständig umgekehrt.

Hitzesensitive Rezeptoren machen den Unterschied

Auf einem ähnlichen Prinzip beruht auch die magnetothermale Hirnstimulation der MIT-Wissenschaftler – nur dass sie natürlich keine Hirnzellen brutzeln wollen. Stattdessen schleusen sie in die Neurone, die aktiviert werden sollen, zuvor den Bauplan für einen hitzesensitiven Capsaicin-Rezeptor ein. Dieser kommt auch natürlicherweise im menschlichen Nervensystem vor und erkennt neben echter Hitze auch die "Hitze", die durch den Verzehr von scharfen Lebensmitteln wie Peperoni entsteht. Gerade einmal 22 Nanometer große Eisenoxidteilchen, die etwa auch als Kontrastmittel bei Untersuchungen im Hirnscanner zum Einsatz kommen, werden schließlich in Lösung in das umliegende Gewebe gespritzt. Schalten die Forscher nun wohldosiert ihren Magneten ein, erwärmen sich die Nanopartikel, die Hitzerezeptoren reagieren – und die Zellen feuern.

Dass dieses Prozedere auch im lebenden Organismus funktioniert, konnten Anikeeva und ihre Kollegen bereits im Versuch mit Mäusen nachweisen. Hier aktivierten sie auf diesem Weg die Neurone im ventralen Tegmentum, einer Zellgruppe, die tief im Mittelhirn liegt. Die Wiederholung des Experiments einen Monat später mit den gleichen Versuchstieren konnte zudem belegen, dass die Nanopartikel auch über eine längere Zeitspanne hinweg im Gewebe der Nager präsent blieben.

Alles in allem haben die Forscher vom MIT damit gezeigt, dass die kabellose Stimulation von Regionen tief im Inneren des Gehirns mit Hilfe von magnetischen Nanopartikeln grundsätzlich möglich ist. Um diesen Beweis aber auch in ein Therapieverfahren zu verwandeln, das eines Tages vielleicht sogar beim Menschen Anwendung finden könnte, bedarf es noch viel Forschung und Feintuning. "Im nächsten Schritt müssen wir anhand von neuronalen Messungen und Verhaltensexperimenten noch besser ergründen, wie unsere Methode funktioniert", so Anikeeva. "Außerdem müssen wir herausfinden, welche Nebenwirkungen das Verfahren in stimulierten Regionen hat." Und selbst, wenn die magnetothermale Hirnstimulation sich im Tierversuch als sicher und zuverlässig erweisen sollte, wird sie schlussendlich möglicherweise noch vor dem gleichen Problem stehen wie die modernen, minimalinvasiven Ansätze der Optogenetik auch: Denn noch immer muss für einen reibungslosen Ablauf via Gentherapie fremdes Material in die entsprechenden Nervenzellen eingebracht werden – im Gehirn!

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