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Das Gespenst im Nanodraht: Streit um Microsofts Quantenhoffnung – ein Missstand in der Forschung?

Zwei Physiker stellen sich gegen ein renommiertes Fachjournal und einen der größten Namen der Quantenforschung. Für manche ist es ein überzogener Angriff, für andere ein berechtigter Weckruf, der die Integrität einer ganzen Disziplin infrage stellt.
Eine abstrakte Kunstabbildung zeigt ein Labyrinth aus geschwungenen, transparenten Wänden in leuchtenden Regenbogenfarben. Die Wände verlaufen in sanften Kurven und erzeugen ein dynamisches, fließendes Muster. Die Farben reichen von Rot über Gelb und Grün bis hin zu Blau und Violett, was einen lebendigen und harmonischen visuellen Effekt erzeugt.
Majorana-Teilchen zeichnen sich durch ihre Pfade aus: Durch die Art und Weise, wie sie sich umeinanderschlingen, lassen sich Berechnungen ausführen. Das bietet viel Potenzial für Quantencomputer.

Seit Jahren hält die Jagd nach einem geisterhaften Teilchen die Forschungswelt in Atem. Und nun trägt sich in der ereignisreichen Geschichte des Majorana-Teilchens eine weitere Wendung zu, die auf den ersten Blick nicht allzu spektakulär wirkt – aber für etliche Diskussionen in der Fachwelt sorgt: Das renommierte Fachjournal »Science« hat am 14. August 2025 eine redaktionelle Bedenkenäußerung (»expression of concern«) zu einer im Jahr 2020 veröffentlichten Arbeit zurückgenommen. Diese Handlung könnte im wissenschaftlichen Geschehen gut und gerne mal untergehen – wären da nicht zwei Physiker, Sergey Frolov von der University of Pittsburgh und Vincent Mourik vom Forschungszentrum Jülich, die sich aufsehenerregend darüber empören. Denn aus ihrer Sicht enthält die Arbeit schwere wissenschaftliche Fehler und müsste daher komplett zurückgezogen werden. »Die Forschenden haben nur solche Daten präsentiert, die zu ihrem gewünschten Ergebnis passen – und all jene weggelassen, die diesem widersprechen«, so Frolov.

Die wissenschaftliche Arbeit, um die es geht, liefert einen vermeintlichen Hinweis auf exotische physikalische Zustände, nach denen die Fachwelt seit Jahren verzweifelt sucht. Sollte es gelingen, diese Zustände zu erzeugen, ließen sich damit Quantencomputer realisieren, die weniger fehleranfällig sind und damit ihren Weg in die Industrie finden könnten.

Doch kurz nach Veröffentlichung des Papers kamen Zweifel auf, ob es den wissenschaftlichen Standards entspricht. Deshalb wurde ein Expertenausschuss beauftragt, das die Arbeit und die zugehörigen Daten prüfen sollte. In der Zwischenzeit versah sie das Fachjournal mit einer Bedenkenäußerung. Nach knapp zwei Jahren kam der Ausschuss zu dem Fazit, dass kein gezieltes Fehlverhalten festzustellen sei. Das veranlasste »Science« nun dazu, die Bedenkenäußerung zurückzunehmen.

Doch nicht alle Fachleute stimmen mit der Einschätzung des Ausschusses und des Journals überein. Laut Frolov und Mourik, der kürzlich erst eine renommierte Forschungsförderung erhalten hat, weist die bei »Science« erschienene Studie problematische Vorgehensweisen auf, die sich systematisch durch ihr Fachgebiet ziehen. Ihnen zufolge ist dieser Vorfall symbolisch für die wissenschaftlichen Missstände eines ganzen Forschungsfelds.

Ein spekulatives Teilchen

Die Geschichte des Fachgebiets beginnt in den 1920er Jahren, als der italienische Physiker Ettore Majorana eine völlig neue Art von Objekt vorhersagte: ein Teilchen, das sein eigenes Antiteilchen ist. Treffen zwei »Majoranas« aufeinander, vernichten sie sich gegenseitig. Bislang wurde in der Natur keine Spur eines solchen Objekts gefunden. In unserer Welt scheint es nicht zu existieren.

Doch in den 1980er Jahren erkannten Fachleute, dass eine Art Majorana-Teilchen in Festkörpern auftreten könnte. Diese bestehen aus Milliarden und Abermilliarden von Elektronen und Atomkernen, die sich gegenseitig auf extrem komplizierte Weise beeinflussen. Unter geeigneten Umständen können Anregungen in Festkörpern daher so wirken wie völlig andere Teilchen – sogenannte Quasiteilchen. Das ist wie bei einer La-Ola-Welle im Stadion: Statt das Heben und Senken einzelner Arme zu beschreiben, ist es einfacher, die Bewegung als eine Welle zu sehen.

Majorana-Quasiteilchen könnten – zumindest theoretisch – in Supraleitern entstehen: jenen wundersamen Materialien, in denen Strom widerstandsfrei fließt. In ihnen verbinden sich die Elektronen zu »Cooper-Paaren«, wodurch sie selbst über weite Distanzen hinweg untrennbar miteinander verbunden sind. Um Majorana-Zustände zu erzeugen, bräuchte man einen extrem dünnen supraleitenden Draht, in dem sich die paarweise verbundenen Elektronen nebeneinander wie die Perlen auf einer Kette anordnen. Falls es eine ungerade Anzahl an Elektronen gibt, so die Theorie, dann spaltet sich das überschüssige, ungepaarte Elektron auf: Die eine »Hälfte« des Teilchens landet dann an einem Ende des Drahts und die zweite am anderen Ende. Natürlich wird das Elektron nicht wirklich geteilt, aber die komplizierten Wechselwirkungen der vielen Teilchen innerhalb des supraleitenden Drahts erzeugen Zustände, die sich wie ein halbes Elektron verhalten und die Eigenschaften eines Majorana-Teilchens haben.

Seit Jahren versuchen Forschende, diese Quasiteilchen solchen Nanodrähten zu erzeugen und nachzuweisen. Denn durch ihre gespaltene Natur hätten diese Zustände besondere Eigenschaften, die als topologisch bezeichnet werden: Sie dürften äußerst robust sein und sich durch äußere Einflüsse kaum stören lassen. Wie Physiker feststellten, ließen sich mit Majoranas Quantenberechnungen ausführen, die deutlich weniger fehleranfällig sind als herkömmliche Verfahren. Deshalb investiert die US-Firma Microsoft seit einigen Jahren hunderte Millionen US-Dollar in die Erforschung von Majorana-Zuständen.

Topologische Quantenberechnungen | Mit zwei topologischen Zuständen, etwa Majorana-Quasiteilchen, lassen sich robuste Quantenberechnungen durchführen. Denn wenn man die Position zweier solcher Quasiteilchen miteinander vertauscht, erhält der zugehörige Quantenzustand (links) eine Phase (die Exponentialfunktion).

Auch Frolov und Mourik widmeten sich den mysteriösen Partikeln. Im Jahr 2012 veröffentlichten die beiden Physiker mit weiteren Kollegen eine inzwischen vielzitierte Arbeit, in der sie Hinweise auf Majorana-Quasiteilchen in ultradünnen Nanodrähten gefunden hatten: sogenannte Zero-Bias-Peaks. Dabei handelt es sich um einen erhöhten Stromfluss bei einer sehr schwachen Spannung. »Damals ging man davon aus, dass dieses Signal nur von Majorana-Teilchen herrühren kann«, erklärt Frolov. »Doch wenige Jahre später sah die Lage völlig anders aus.«

Bald erkannten Fachleute, dass Verunreinigungen oder Materialfehler in den Drähten solche Zero-Bias-Peaks verursachen können. »Wenn man ein solches Signal misst, dann ist es in der Regel nichts Besonderes, nichts Topologisches«, sagt Frolov. Damit fing der anfängliche Enthusiasmus in der Community an zu schwinden. Immer wieder zeigten Materialien Hinweisen auf Majorana-Zustände, »aber nie wies ein Bauteil alle erforderlichen Merkmale auf«, so Frolov.

Ein kontroverses Paper

Im Jahr 2019 sollte Frolov für das Fachjournal »Science« zwei Arbeiten begutachten, in denen ein Team um den renommierten Physiker Charles Marcus (damals bei Microsoft Quantum) von der Universität Kopenhagen Nanodrähte untersucht hatte. Der erste Aufsatz war theoretischer Natur und beschrieb eine Art Protokoll, das Majorana-Zustände identifizieren soll. Das zweite Manuskript stellte experimentelle Untersuchungen der Nanodrähte mit Hinweisen auf die mysteriösen Quasiteilchen vor. »Auf den ersten Blick haben mich die Daten beeindruckt«, erinnert sich Frolov. »Doch bei genauerem Hinsehen schienen sie nicht wirklich repräsentativ.« Er riet daher davon ab, die vorliegenden Arbeiten anzunehmen – wie auch ein anderer Gutachter. »Science« sah daher von einer Veröffentlichung ab.

Die Forschenden der Universität Kopenhagen reichten daraufhin ein neues Paper beim Fachjournal ein, das die theoretischen Forschungsergebnisse der beiden abgelehnten Manuskripte verbindet. Diese Version wurde angenommen und 2020 unter dem Titel »Flux-induced topological superconductivity in full-shell nanowires« bei »Science« veröffentlicht. Im dazugehörigen Abstract sprechen Marcus und seine Kollegen von »überzeugenden Hinweisen« auf Majorana-Zustände. Und damit nahm die Kontroverse ihren Lauf.

Als Frolov die Arbeit entdeckte, forderte er bei der Kopenhagener Arbeitsgruppe weitere Messdaten an. Er hatte zuvor in seinem Labor in Pittsburgh ähnliche Messungen vorgenommen und ganz andere Resultate erhalten. Er befürchtete, dass die Fachleute Rosinenpickerei betrieben und nur jene Ergebnisse in ihrer Arbeit präsentiert hätten, die topologische Zustände unterstützen. Die Forschenden um Marcus veröffentlichten daraufhin 50 Megabyte an Daten. »Sie waren furchtbar«, sagt Frolov, »bei Weitem nicht mehr so schön und sauber wie im Paper.«

Kurz darauf führte eine Arbeitsgruppe um den Physiker Giorgos Katsaros vom österreichischen Institute of Science and Technology, kurz IST, ähnliche Experimente mit den Nanodrähten der Kopenhagener Arbeitsgruppe durch. Im Jahr 2021 und 2022 veröffentlichten sie ihre Ergebnisse: Auch sie fanden die charakteristischen Zero-Bias-Peaks vor, allerdings für Zustände, die eindeutig nicht topologisch waren. Damit kamen sie zu einem völlig anderen Schluss als die Kopenhagener. Das sei aber nicht weiter verwunderlich, urteilt Marcus. »Sie hatten teilweise andere Bauteile, und in der Zwischenzeit waren mehrere Jahre vergangen.« Auch andere Fachleute stimmen zu, dass dies den Ausgang der Experimente beeinflussen kann.

»Wir sehen nicht, wie dieser Artikel in seiner jetzigen Form bestehen bleiben kann noch wie das Problem durch eine Korrektur gelöst werden kann«Sergey Frolov, Vincent Mourik, Physiker

Für Frolov und Mourik waren die Ergebnisse von Katsaros hingegen ein weiterer Hinweis darauf, dass die bei »Science« veröffentlichte Studie von Marcus und seinem Team so nicht tragbar ist. Die beiden Physiker fassten ihre Bedenken im Jahr 2022 in einem 38-seitigen Bericht zusammen, den sie an »Science« sendeten. Ihr Hauptkritikpunkt: Die im Paper vorgestellten Daten seien nicht repräsentativ. Aus den zusätzlich zur Verfügung gestellten Daten gehe hervor, dass selbst Messungen an ein und demselben Nanodraht widersprüchlich seien. »Somit werden die Kernaussagen des Artikels entkräftet. Wir sehen nicht, wie dieser Artikel in seiner jetzigen Form bestehen bleiben kann noch wie das Problem durch die Veröffentlichung einer Klarstellung, beispielsweise einer Korrektur, gelöst werden kann«, resümieren Frolov und Mourik in ihrem Bericht.

Ein Expertengremium reagiert

»Science« forderte daraufhin die Universität Kopenhagen auf, Nachforschungen aufzunehmen, und veröffentlichte in der Zwischenzeit eine Bedenkenäußerung. Die Universität wählte schließlich mehrere Fachexperten aus, die den Kritikpunkten von Frolov und Mourik nachgehen sollten. Sophie Guéron von der Université Paris-Saclay, Pertti Hakonen von der finnischen Aalto-Universität und Allan Macdonald von der University of Texas in Austin sollten die Messdaten der Arbeitsgruppe um Marcus durchsehen und mit den Aussagen im Paper abgleichen.

Knapp zwei Jahre lang beschäftigen sich die drei Fachleute mit dieser Aufgabe. Und sie gaben Frolov und Mourik in Teilen Recht. »Es ist den Autoren nicht gelungen, Quantendrähte herzustellen, die sich jedes Mal – oder auch nur meistens – ideal verhalten«, sagt Macdonald. »Die in der Arbeit vorgestellten Daten sind ausgewählt, und die Autoren haben die Variabilität ihrer tatsächlichen Beobachtungen nicht vollständig charakterisiert.«

In ihrem 50-seitigen Gutachten kommen er und seine beiden Kollegen Guéron und Hakonen im Februar 2024 trotzdem zu einem anderen Schluss als Frolov und Mourik. Aus Sicht des Expertengremiums widersprechen die ausgeschlossenen Daten nicht dem Fazit der bei »Science« erschienenen Arbeit. Die Ergebnisse würden immer noch die genannten Hinweise auf Majorana-Zustände stützen. MacDonald und seine Kollegen empfehlen aber, das Paper zu überarbeiten, um die Auswahl der Daten transparenter zu gestalten und besser zu begründen.

»Wir folgen der Empfehlung des Expertenausschusses«, sagt Meagan Phelan, die für »Science« arbeitet. Deshalb wurde die Arbeit der Kopenhagener Gruppe in den nachfolgenden Monaten überarbeitet und Mitte August 2025 mit einem Erratum versehen, das die Änderungen kenntlich macht. Für die meisten Fachleute ist die langwierige Angelegenheit damit abgehakt.

Nicht so für Frolov und Mourik. Aus ihrer Sicht werden die wichtigsten Probleme mit dem Erratum nicht adressiert. Denn die Messergebnisse passen den beiden Physikern zufolge nicht zur Kernaussage des Papers – sie sehen in den Daten keinerlei Hinweise auf topologische Zustände. Und auch das Expertengremium schreibt in seinem Bericht: »In einigen wenigen Fällen wurden Daten, die eindeutig nicht mit den Schlussfolgerungen der Studie übereinstimmten, disqualifiziert, obwohl sie sich nicht wesentlich von den als qualifiziert eingestuften Daten unterschieden. (…) Die Grenze zwischen qualifizierten und nichtqualifizierten Geräten wies eine erhebliche Grauzone auf.«

»Die Schlussfolgerung des Gremiums passt nicht zum Inhalt ihres Berichts«, sagt Frolov. »Sie haben erhebliche Mängel festgestellt – sogar mehr als wir, weil sie Zugriff auf mehr Daten hatten.«

Ein systematisches Problem?

Seit der Veröffentlichung der »Science«-Studie sind mehrere Jahre vergangen. In der Zwischenzeit hat sich die Forschung weiterentwickelt, mittlerweile werden andere Arten von Nanodrähten untersucht als damals. »Aber auch in der jüngsten Literatur gilt nach wie vor, dass Majorana-Zustände in quasieindimensionalen Supraleitern aufgrund unbeabsichtigter Unordnung nicht ideal funktionieren«, sagt Macdonald. Das führt immer wieder zu Kontroversen.

Für Frolov und Mourik sind die Probleme in der »Science«-Studie kein Einzelfall. »Es gibt etliche weitere Arbeiten, bei denen die Auswahl der Daten mindestens fragwürdig erscheint«, sagt Frolov. Und tatsächlich haben die beiden Physiker in den letzten Jahren immer wieder Fehler in bereits begutachteten Arbeiten aufgedeckt, die dazu führten, dass zweiPaper zurückgezogen und bei anderen Bedenken der Herausgeber geäußert wurden. »Ich halte ihre Kritik an der Literatur zu Majorana-Quantendrähten für sinnvoll«, äußert Macdonald.

»In der Majorana-Community scheinen viele Forscher die einfachsten Dinge zur Datenauswahl nicht zu verstehen«, stellt Frolov fest, der nicht davor zurückschreckt, teilweise schwere Vorwürfe gegenüber seine Kollegen in Social-Media-Posts und Videos publik zu machen. Damit haben er und Mourik sich nicht nur Freunde gemacht.

»Das ist keine Kontroverse, das sind zwei Männer, die viel zu viel Zeit haben«Charles Marcus, Physiker

»Ich bin mir sicher, dass Mourik und Frolov ehrlich davon überzeugt sind, dass hinter diesem ganzen Unternehmen eine riesige Verschwörung steckt«, sagt der Physiker Steven Kivelson von der Stanford University. »Wir sehen an vielen aktuellen Beispielen, dass solche Verschwörungstheorien enorme Zugkraft entwickeln und enormen Schaden anrichten können.« Und auch Charles Marcus, dessen Arbeit im Fokus der Kontroversen stand, zeigt sich genervt. »Diese beiden Männer haben eine Reihe von Videos gedreht und unzählige E-Mails und Social-Media-Beiträge über unser Labor, unser Institut, unser Land (!) und über mich persönlich geschrieben. Das ist keine Kontroverse, das sind zwei Männer, die viel zu viel Zeit haben.«

Mit ihrer Kritik stehen Frolov und Mourik, die ebenfalls angesehene Forscher sind, aber nicht allein da. Das verdeutlichen nicht nur die zurückgezogenen Arbeiten, sondern auch die Reaktionen der Physik-Community auf einige Ankündigungen und Paper von Microsoft Quantum. Im Frühjahr 2025 hat die US-Firma zum Beispiel einen Quantenprozessor vorgestellt, der erstmals mit topologischen Qubits operieren soll – also mit Majorana-Zuständen. Und das, obwohl sich die Fachwelt bis heute nicht einig ist, ob jemals auch nur ein einzelner Majorana-Zustand erzeugt wurde. Für viel Kritik sorgte damals unter anderem, dass Microsoft die zugehörige wissenschaftliche Arbeit noch nicht zur Verfügung stellte, weshalb sich die vollmundigen Versprechungen nicht nachprüfen ließen.

Erst Mitte Juli 2025 wurde das dazugehörige Paper veröffentlicht, an dem auch Autoren der Kopenhagener »Science«-Studie mitwirkten. Und offenbar haben sie aus dem damaligen Debakel nicht viel gelernt, wie der Physiker Henry Legg von der Universität Basel erklärt: »Die Autoren haben die bemerkenswerte Fähigkeit bewiesen, die Empfehlungen des Expertenberichts vollständig zu ignorieren.« Er bezieht sich dabei auf den Bericht des Gremiums, das die Kopenhagener »Science«-Studie geprüft hatte. Guéron, Hakonen und Macdonald hatten darin empfohlen, wie man Daten aufarbeiten und präsentieren sollte. »In ihren neuesten Veröffentlichungen scheinen die Forschenden, die noch bei Microsoft sind, die Empfehlungen als Checkliste verwendet zu haben – und dabei alle methodischen Fehler und Mängel bei der Datenpräsentation übernommen zu haben, vor denen das Expertengremium ausdrücklich gewarnt hatte.«

»Die Kritik von Mourik und Frolov hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, die Variabilität der Beobachtungen vollständig offenzulegen«Allan Macdonald, Physiker

Die meisten Fachleute sind sich einig, dass mehr Transparenz in der Forschung wichtig ist, um Ergebnisse überprüfen und reproduzieren zu können. Das betont auch Macdonald: »Die Kritik von Mourik und Frolov (an der »Science«-Studie) hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, die Variabilität der Beobachtungen vollständig offenzulegen.«

An seinem Fazit hält der Physiker dennoch fest und befürwortet auch die Entscheidung von »Science«, die Studie von Marcus und seinem Kopenhagener Team nicht zurückzuziehen. Ähnlich scheint es Giorgos Katsaros vom IST zu sehen, der nichttopologische Effekte in den gleichen Nanodrähten wie Marcus untersucht hatte: »Es gab in der Vergangenheit jede Menge Kontroversen. Ich bin der Meinung, dass wir voranschreiten und daran arbeiten sollten, eine Polarisierung der Wissenschaft zu verhindern.«

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  • Quellen

Katsaros, G. et al.: Science 10.1126/science.abf1513, 2021

Katsaros, G. et al.: Nature 10.1038/s41586–022–05382-w, 2022

Marcus, C. M. et al.: Science 10.1126/science.aav3392, 2020

Mourik, V. et al.: Science 10.1126/science.1222360, 2012

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