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News: Malaria baut auf Hormone

Das Verhältnis zwischen den Geschlechtern ist sensibel, auch bei der Malaria. Der komplexe Lebenszyklus des Krankheitserregers beinhaltet eine Phase der geschlechtlichen Fortpflanzung. Und genau zu dieser Zeit ist das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen parasitären Keimzellen besonders empfindlich. Erst dominiert ganz klar die Weiblichkeit zahlenmäßig die Population in den Adern des Wirts. Aber nur wenn das Geschlechterverhältnis ausgewogen ist, kommt es zu einer produktiven Infektion der übertragenden Anopheles-Mücke. Bei der Regulation helfen offenbar auch Hormone des Wirts kräftig mit.
Malariaerreger sind einzellige Protozoen, die in die roten Blutkörperchen des Wirts eindringen. Die Übertragung vom Wirbeltierwirt zur Stechmücke findet ausschließlich dann statt, wenn ein Mückenweibchen sein blutiges Mahl nimmt. Mit dem Blut des infizierten Opfers nimmt das Insekt die in der Leber des Opfers gereiften Gametocyten auf, die sich im Verdauungstrakt der Anopheles-Mücke zu männlichen oder weiblichen haploiden Zellen, den Gameten, entwickeln. Anders als bei Säugetieren bestimmt kein Chromosom über männlich oder weiblich. Wie aber wird dann festgelegt, welches Geschlecht die Gametocyte annehmen wird?

Auf der Suche nach der Antwort untersuchten Wissenschafler um Richard Paul und Anna Raibaud vom Pariser Institut Pasteur das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Gametocyten in einem Tiermodell. (Science vom 7. Januar 2000). Die Forscher beobachteten kurz nach Infektion der Hühner das typische ungleiche Verhältnis zugunsten der Weiblichkeit im Blut. Doch im Infektionsverlauf holten die männlich determinierten Zellen stark auf, bis es zu einem zahlenmäßigen Gleichstand kam.

Die Immunantwort des Wirts scheint gegenüber männlichen Zellen besonders effektiv zu sein. Dadurch wird deren Zahl von Anfang an stark dezimiert. Der befallene Körper seinerseits erhöht die Produktion von roten Blutkörperchen, um die Verluste durch den Parasitenbefall auszugleichen. Das wiederum stimuliert offenbar die Bildung von männlichen Gametocyten, denn die Wissenschaftler konnten einen direkten Zusammenhang zwischen der steigenden Zahl der jungen Erythrocyten und der männlichen Parasitenzellen nachweisen.

Um diese Vermutung zu bestätigen, machte sich das Team daran, den Einfluß der Blutzellenproduktion auf das Geschlechtsverhältnis der Gametocyten zu untersuchen. Dazu regten sie die Erythrocytenbildung bei den Tieren gleichzeitig mit der Malariainfektion künstlich an. Die vermehrte und vor der Immunreaktion einsetzende Blutbildung erhöhte die Anzahl der männlichen Parasitenzellen drastisch. Die Wissenschaftler ließen einige Mücken ihr Mahl an diesen Hühnern nehmen und zeigten, daß es zu weit weniger produktiven Infektionen bei den Mücken kam als unter Normalbedingungen. Daraus schließen sie, daß sich diese frühzeitige Verschiebung der Geschlechterverhältnisse nachteilig auf die Fruchtbarkeit der Parasiten auswirkt.

Das unter natürlichen Bedingungen beobachtete ungleiche Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Parasitenzellen zu Beginn einer Infektion ist also eine Anpassung: zuungunsten einer effizienten Vermehrung und Infektion der Mücke. Sobald der Parasit durch die Immunantwort des Wirts attackiert wird schrumpft die Zahl der männlichen Gametocyten unweigerlich, wird aber durch die Bildung junger Blutzellen wieder stabilisiert.

Blieb die Frage, wie junges Blut die Bildung männlicher Zellen beeinflußt. Dazu infizierten die Forscher Mäuse mit Malaria und spritzten ihnen kurz darauf das Hormon Erythropoietin (EPO). Das Glykoprotein bewirkt die Bildung roter Blutkörperchen und wird daher gerne auch von Sportlern als Dopingmittel eingesetzt, um ein lästiges Höhentrainig zu umgehen. In der Medizin wird das Hormon benutzt um krankheitsbedingter Sauerstoffarmut vorzubeugen.

Nach der EPO-Injektion beobachteten die Forscher wieder die charakteristische Angleichung des Zahlenverhältnisses zwischen männlichen und weiblichen Gametocyten – wie bei einer normalen Infektion. EPO fördert also die Bildung männlich determinierender Zellen. Zumindest teilweise wird also das Geschlecht der Parasiten durch hormonelle Signale des Wirts gesteuert – um das Verhältnis zwischen den Geschlechtern so ausgeglichen wie möglich zu halten.

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