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Mikrobiologie: Manche mögen's heiß und hell

Bakterien gehen ganz unterschiedliche Wege bei der Energiegewinnung. Die meisten oxidieren oder vergären verschiedene Substrate - Zucker, Milchsäure, Schwefel und andere. Manche aber machen es wie die Pflanzen: Sie nutzen das Sonnenlicht. Ihre Gruppe hat nun weiteren Zuwachs bekommen.
Heiße Quelle
Ein Besuch des Yellowstone-Nationalparks in Wyoming gehört zu den Höhepunkten bei einer Reise durch die Rocky Mountains: Büffelherden queren die Straße und blockieren den Touristenstrom, fast hundert Meter stürzt sich der namensgebende Yellowstone River in die Tiefe der Schlucht aus gelbem Gestein, weiß und blau leuchten die Sinterterassen bei Mammoth Hot Springs, mit lautem Fauchen schießen die heißen Wasserfontänen der Geysire hoch in die Luft, und allerorten blubbern Schlammpools und dampfen heiße Quellen. Hitzeliebende Bakterien und Algen verleihen ihnen ein atemberaubendes Farbenspiel von tiefblau über grün bis gelblich-braun.

Octopus Spring | Der Octopus Spring, eine alkalische heiße Quelle im Yellowstone-Nationalpark, erhält seine leuchtenden Farben durch verschiedene Bakterien.
Zum Beispiel Octopus Spring: In der Mitte leuchtend tiefblau, sind seine krakenarmartigen Ausflüsse gelblich-grün und rötlich-braun eingefärbt. Hier besiedeln fototrophe, also Fotosynthese betreibende Mikroorganismen den Boden in dicken Matten: einzellige Cyanobakterien und fadenförmige grüne Bakterien verschiedener Gattungen.

Bisher hielt man diese Bakteriengesellschaft für recht einfach zusammengesetzt – allein, der Schein täuschte. Denn Donald Bryant von der Pennsylvania State University und sein Team entdeckten nun zusammen mit David Ward von der Montana State University einen ganz besonderen Winzling: einen fototrophen Organismus, der sich keinem der bislang fünf bekannten Bakterien-Gruppen zuordnen lässt, in denen manche Vertreter ihre Energie aus Sonnenlicht beziehen: Cyanobakterien (der alte Name "Blaualgen" deutet es schon an), Grüne Schwefelbakterien (Chlorobien), Grüne Nichtschwefelbakterien, Proteobakterien und die gram-positiven Bakterien. Der umfangreiche Rest der Bakterienverwandtschaft, so die Meinung bislang, beherberge keine fototrophen Arten.

Mushroom Spring | Den Abfluss des Mushroom Spring färben verschiedene Bakterienarten grün und rot ein.
Die Wissenschaftler kamen der Mikrobe mit einer genetischen Analyse auf die Spur. Als sie Erbmaterial der Bakteriengesellschaft aus den Ausflüssen des Octopus Spring und des Mushroom Spring, der über vergleichbare chemische und biologische Gegebenheiten wie der Octopus Spring verfügt, untersuchte, stießen sie auf Gensequenzen, die zwar zu einem Fotosynthese betreibenden Bakterium gehören mussten, aber nicht so recht zu denen von bereits bekannten Vertretern passen wollten. Daraus schlossen die Wissenschaftler, dass sich im bakteriellen Bodenbelag ein noch unbekanntes Fotosynthese betreibendes Bakterium verstecken musste.

Weitere Genanalysen folgten. Anhand spezifischer Gene konnten die Mikrobiologen den Unbekannten schließlich der noch wenig erforschten Bakteriengruppe der säureliebenden Acidobacteria zuordnen.

Durch geschickte Bakterienkultur gelang es den Forschern, das unbekannte Bakterium anzureichern. Wurden die Winzlinge im Licht gehalten, konnten die Mikrobiologen per Fotometrie in der Kultur Bakterienchlorophyll nachweisen – mussten die Bakterien ihr Dasein hingegen im Dunkeln fristen, verschwand dieses. Damit war klar: "Candidatus Chloracidobacterium thermophilum", so die vorläufige Bezeichnung für das kleine Unbekannte, lebte tatsächlich von Fotosynthese.

Die kleine Gruppe der Bakterien-Phyla mit zur Fotosynthese befähigten Exemplaren muss nun also um die Acidobacteria erweitert werden. Nun gilt es herauszufinden, ob "Candidatus Chloracidobacterium thermophilum" der einzige fototrophe Vertreter dieser Gruppe ist. Noch ist wenig über die Acidobacteria bekannt – aber sie sind weit verbreitet. Da könnte sich durchaus noch manche Überraschung offenbaren.

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