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Planetenforschung: Marsrover unter Zeitdruck

Ein Drittel der Marsmission von Curiosity ist schon vorüber. Vor allem ein Speicherdefekt zwingt die Leitung nun zu einem Zwischenspurt.
Curiosity

In den sieben Monate nach seinem spektakulären Sturzflug zum Marsboden ist der Rover Curiosity gerade einmal 738 Meter weiter gerollt. Damit ist er immer noch rund 10 Kilometer von seinem ersten Hauptziel entfernt: Aeolis Mons, einem rund fünf Kilometer hohen Berg mit Gesteinsschichten, die sich einst womöglich in uralten Seen abgelagert hatten. Die Mission hat damit schon ein Drittel der geplanten Dauer hinter sich – Zeit genug, nervös zu werden und ein wenig aufs Gaspedal zu drücken.

Dabei "hätten wir sicherlich eine ganze Menge erreicht", selbst wenn Curiosity schon morgen für immer den Dienst quittieren würde, meint die Geochemikerin Laurie Leshin vom Rensselaer Polytechnic Institute in Troy, US-Bundestaat New York – "so ganz zufrieden wäre aber keiner von uns".

Allein zwei Monate hatte es gedauert, bis der ganze wissenschaftliche Gerätepark des rund 2,5 Milliarden US-Dollar teuren Rovers hochgefahren war – des größten, teuersten und am luxuriösesten ausgestatteten Geräts, dass je zum Mars geschickt worden ist. Curiosity ist auch das komplizierteste Planetenforscherwerkzeug aller Zeiten – rund 400 Wissenschaftler arbeiten an seinen zehn wissenschaftlichen Instrumentenstationen, was ein kompliziertes kommunikatives Umfeld schafft, das rasche Absprachen nicht fördert. Der erste wirklich ernsthafte Zwischenfall – ein Speicherausfall am 28. Februar zwang die Bodenstation, auf ein Ersatzsystem auszuweichen – hat dann alle Beteiligten erinnert, wie hinfällig ihre Maschine doch sein kann.

Ein weiter Weg | Fast ein Drittel der geplanten Missionsdauer ist verstrichen, und der Marsrover Curiosity ist seitdem weniger als einen Kilometer vorangekommen (rot dargestellt). Noch trennen ihn rund zehn Kilometer von seinem ersten Ziel am Fuß des Berges Aeolis Mons. Ob er dort noch genug Zeit findet, um hügelan zu rollen (blau dargestellter "possible path" in der Grafik), muss sich zeigen.

Dabei lenkten allerlei spannende Versuchungen am Wegrand die Missionsforscher von Beginn an ab. Schon kurz nach der Landung im Gale Krater am 6. August letzten Jahres hat der Rover beispielsweise Belege für ein eingetrocknetes Flussbett am Grund vom Peace Vallis gefunden, einem 80 Quadratkilometer großen Sedimentkegel, der einst von den Kraterwänden herabgespült wurde. Und im Oktober – kurz nach dem Aufbruch des Rovers zum Glenelg, einem Überschneidungsareal dreier unterschiedlicher Geländeformen – legte er einen knapp zweimonatigen Stopp nahe einer Sanddüne namens Rocknest ein. Curiosity hat dort sein Schäufelchen ausgetestet und Material in seine zwei Analysegeräte überführt: CheMin (Chemistry and Mineralogy) und SAM (Sample Analysis at Mars). Eine ganze Sitzung der Lunar and Planetary Science Conference hat sich am 19. März ausschließlich um die Rocknest-Erkenntnisse gedreht: Die Düne stellte sich als chemisch identisch mit anderen Bodenproben heraus, die zuvor auf dem Mars analysiert worden waren. Daraus schließt man, dass Wasser und andere Stoffe planetenweit auf sehr ähnliche Weise zwischen Boden und Atmosphäre zirkulieren.

Auf der Konferenz hat Chris Webster vom NASA Jet Propulsion Laboratory in Pasadena, Kalifornien auch die letzten Ergebnisse aus dem Methan-Messexperiment vorgestellt, bei dem der Rover sein per Laser regulierbares Atmosphärenschnüffel-Spektrometer einsetzt. Dank der Erkenntnisse des Spektrometer-Teams kann das obere Limit der möglichen Methankonzentration in der Marsatmosphäre jetzt auf höchstens 3 ppb (parts per billion, also Teile einer Milliarde) festgeschrieben werden. Derart geringe Mengen von Methan in der Atmosphäre lassen es unwahrscheinlich erscheinen, dass diese Gas tatsächlich laufend von Mikroben auf dem Mars produziert und freigesetzt wird. Dabei ist das Messgeraät gerade erst drei Mal in den ersten 200 Sols (also Marstagen) im Einsatz gewesen – und dass, obwohl es auch nachts aktiviert werden kann, wo sich andere Instrumente weniger um die knappen Energieressourcen bewerben. Ein Fingerzeig auf die Konkurrenz um Rover-Forschungszeit zwischen den einzelnen Forschergruppen – der einer der Gründe für den eher gemächlichen Fortschritt sein mag.

Seit dem 23. Januar steht der Rover nun mehr oder weniger am selben Platz: geduckt hinter einem rötlichen Felsbrocken namens "John Klein" in einer "Yellowknife-Bay" getauften Gegend. An John Klein hat Curiosity erstmals seinen Bohrer getestet – die Analyse des Bohrstaubs ergab, dass er aus Tonmineralen besteht, die in einer wasserreichen Umgebung entstanden sind; zudem finden sich auch oxidierte und reduzierte Schwefelverbindungen. Damit liegt nahe, dass in Yellowknife Bay einst bakteriellem Leben zuträgliche Umweltbedingungen geherrscht haben. Yellowknife "war ein toller erster Ort für Analysen" meint Teammitglied Roger Wiens vom Los Alamos National Laboratory in New Mexico: "darauf hätten wir nicht verzichten wollen".

Jorge Vago von der ExoMars-Mission der ESA findet allerdings, er müsse das Programm für seinen Rover – der plangemäß 2018 abheben soll – straffer planen: "Es liegt auf der Hand, dass wir uns kaum leisten können, ExoMars wie die Curiosity-Mission zu fahren". ExoMars wird eine deutlich kürzere Dauer haben und soll einen Mittelweg zwischen der schildkrötenartigen Arbeitsgeschwindigkeit von Curiosity und der hasenartigen Höchstgeschwindigkeit anpeilen, den die NASA-Rover Spirit und Opportunity durchgehalten haben, nachdem sie 2004 auf dem Mars gelandet waren. Eigentlich hätten die beiden nur etwas mehr als drei Monate funktionieren müssen.

Aber gerade jetzt, wo das Curiosity-Team ihren Rover allzu gerne wieder in Bewegung setzen möchte, muss es eine weitere längere Pause einlegen. Denn fast den ganzen April hindurch wird sich der Mars von der Erde aus gesehen hinter der Sonne verstecken – keine Raumsonde auf dem Planeten oder in seiner Nähe kann dann Funksignale nach Hause schicken. Sobald der Mars wieder erreichbar ist, möchte das Team gern noch einmal den John-Klein-Felsen anbohren und die vorherigen Analysen bestätigen. Dann endlich wird der Rover sich auf den Weg zum Aeolis Mons – Zweitname Mount Sharp – machen.

Curiosity wird dabei eine dem bisherigen Augenschein nach ebene, von Sandverwehungen kaum beeinträchtige Route einschlagen (siehe Grafik) und dabei rund 100 Meter pro Tag zurücklegen, erklärt Planetengeologe Raymond Arvidson von der Washington University in St. Louis, Missouri. "Ich nenne sie die Schnellverbindungsstraße", so Arvidson. "Wir sollten nach allgemeiner Übereinkunft möglichst viel Zeit übrig haben, wenn wir unser Primärziel am Fuß des Mount Sharp erreichen haben."



Der Orginalartikel ist unter dem Titel "Mars Rover under pressure to reach Mountain Goal" in Nature erschienen.

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