Ungewöhnlich massereich: Weißer Zwerg entstand aus Sternkollision?

Man könnte meinen, das Weltraumteleskop Hubble würde uns mit seinen 35 Jahren in Betrieb nicht mehr viel Neues über das Universum beibringen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall, wie uns immer wieder gezeigt wird. In einer in der Fachzeitschrift »Nature Astronomy« veröffentlichten Studie einer Forschergruppe um Snehalata Sahu von der University of Warwick wird nämlich von einem spektakulären Fund berichtet: Demnach führte die Verschmelzung zweier Sterne zur Entstehung eines Weißen Zwergs.
Wenn Sterne sterben
Es gibt mehr als nur einen Weg, wie ein Weißer Zwerg entstehen kann. Typischerweise bilden sich diese kompakten Objekte am Ende des Lebens sonnenähnlicher Sterne, wenn sie in ihrem Kern ihren Wasserstoffvorrat fast vollständig zu Helium fusioniert haben. Durch die ausbleibende Energiezufuhr der Kernfusion ist der innere Strahlungsdruck zu schwach, um den Gravitationsdruck von außen auszugleichen. Die Schwerkraft hat nun die Oberhand und der Stern beginnt zu kollabieren, während sich seine äußeren Schichten erhitzen und ausdehnen. Der Stern bläht sich zu einem sogenannten Roten Riesen auf und wirft seine äußeren Hüllen in der Form eines Planetarischen Nebels ab.
Was zurückbleibt, ist eine Sternleiche, die zwar auf Erdgröße geschrumpft ist, aber immer noch einen Großteil der ursprünglichen Sternmasse in sich trägt. In anderen Worten: Weiße Zwerge sind unglaublich kompakt, mit einer mittleren Dichte von zirka einer Tonne pro Kubikzentimeter. Typisch ist ein weiteres Extrem: Ihre Oberflächentemperatur kann bis zu 30 000 Kelvin betragen (rund das Sechsfache der Oberflächentemperatur der Sonne), was auch der Grund für ihr Leuchten im Ultraviolettbereich des elektromagnetischen Spektrums ist. Im Lauf der Zeit kühlen Weiße Zwerge allerdings ab, da in ihrem Inneren keine Kernfusion mehr stattfindet. Das hypothetische Objekt, das nach der vollständigen Abkühlung entsteht, wird auch als Schwarzer Zwerg bezeichnet. Um einen solchen Zwerg zu erblicken, kann aufgrund der langsamen Abkühlung gerne mal ein ganzes Zeitalter des Universums verstreichen – oder sogar mehr.
Ein kurioser Fund
Eigentlich sind diese Sternleichen also nur die Kerne einst hell leuchtender Sterne. Zu diesen zählt auch WD 0525+526, der in dieser Studie beschrieben wird. Hinter der unhandlichen Bezeichnung steckt ein rund 130 Lichtjahre entfernter Weißer Zwerg, der ungefähr 20 Prozent mehr Masse als unsere eigene Sonne aufweist, was für ein solches Objekt ungewöhnlich schwer ist. Das wirft natürlich die Frage auf: Wie ist dieser Zwerg zu den 1,2 Sonnenmassen gekommen? Zunächst ist es naheliegend zu behaupten, dass der Vorgängerstern einfach entsprechend schwer war, was aber seiner beobachteten Zusammensetzung widerspricht.
Genau hier werden neue Beobachtungen mit Hubble im Ultravioletten relevant. Mit Daten des Cosmic Origins Spectrograph konnten nämlich geringe Mengen an Kohlenstoff in der Atmosphäre von WD 0525+52 festgestellt werden, die eben im optischen Teil des Spektrums unsichtbar sind (siehe »UV-Spektrum des Weißen Zwergs«). Doch wie gelangt Kohlenstoff überhaupt an die stellare Oberfläche, und warum bedeutet das eigentlich, dass der Weiße Zwerg das Resultat einer Verschmelzung ist?
Aus zwei wird eins
Tatsächlich hängen diese beiden Fragen sehr eng zusammen, denn stellen wir uns den extrem dichten Kern eines gewöhnlichen Weißen Zwergs vor, so ist dieser von Schichten aus Wasserstoff und Helium ummantelt. Durch diese Schichten wird das Kernmaterial daran gehindert, an die Oberfläche zu gelangen. Verschmelzen nun aber zwei Sterne miteinander, so kommt es zum Teil zu Kernfusionsreaktionen des Mantelmaterials, wodurch Kohlenstoff und andere Elemente aus dem Kern austreten können. Durch Modellrechnungen fand das Team heraus, dass die Gasschicht rund 100 000-mal dünner ist als bei anderen Weißen Zwergen, was den Kohlenstoff an der Oberfläche nachvollziehbar macht. Wegen der spektroskopischen Eigenschaften von WD 0525+52 wird ebenso davon ausgegangen, dass die beiden verschmolzenen Vorgängersterne auch Weiße Zwerge waren.
Auch alternative Erklärungsversuche kamen in Frage. So wurde beispielsweise in Betracht gezogen, dass der ganze Kohlenstoff durch Akkretion von dem umliegenden interstellaren Material oder womöglich sogar einem zerstörten Planetensystem stammen könnte. In diesem Fall wären allerdings noch weitere schwere Elemente im Spektrum zu sehen, allen voran Silizium. WD 0525+52 wurde weiterhin im Infraroten auf potenzielle Trümmerteile untersucht, wobei ebenso wenig etwas gefunden werden konnte. Wegen der fehlenden Indizien für andere Szenarien ist die Verschmelzung also immer noch die plausibelste Erklärung.
Der Fund von Kohlenstoff auf der Oberfläche von Weißen Zwergen, die durch eine Verschmelzung entstanden sind, ist nichts Neues. Was bei WD 0525+52 allerdings besonders ist: Die Menge an Kohlenstoff ist erstaunlich gering. Um genauer zu sein, ist etwa 100 000-mal weniger Kohlenstoff an der Oberfläche vorhanden als bei anderen Verschmelzungsüberbleibseln. Die nächste Zutat im Rätsel um diese Sternleiche ist seine Temperatur, die ungefähr viermal so hoch ist wie die Oberflächentemperatur unserer Sonne. Aus diesen beiden Tatsachen schließt das Team, dass die Kollision wohl sehr gewaltvoll gewesen sein muss und noch nicht so lange her ist. Um das Szenario einer Sternverschmelzung zusätzlich zu untermauern, wurde WD 0525+52 auch mit dem Weltraumteleskop Gaia der Europäischen Weltraumbehörde ESA untersucht. Aus diesen Daten konnte die Bewegung des Weißen Zwergs in drei Raumdimensionen rekonstruiert werden. Seine Geschwindigkeit im Raum ist ungewöhnlich hoch und sein Alter recht gering, wodurch das Bild einer Verschmelzung weiter unterstützt werden konnte.
Ein anderes Problem entsteht allerdings durch die Frage, wie Kohlenstoff bei einer solch hohen Temperatur bis zur Oberfläche vordringen kann. Normalerweise würde man den Prozess der Konvektion verantwortlich für den Transport von Kohlenstoff an die Oberfläche machen, allerdings nicht bei derart hohen Temperaturen. Erklärt wird der Transport daher mit einem anderen Mechanismus, der »Semikonvektion«, der laut dem Forschungsteam zum ersten Mal in einem Weißen Zwerg beobachtet werden konnte. Bei dieser Form der Durchmischung kommt es zu einem ineffizienten und langsamen Transport von Elementen wie Kohlenstoff an die Oberfläche.
Eine kalte Zukunft
Wir sehen also, wie wichtig Beobachtungen im Ultravioletten sein können, denn sie ermöglichen es uns, verschmolzene Sterne früh zu entdecken und ihre Eigenarten besser zu verstehen. Mit der Abkühlung wird die Konvektion in den äußeren Schichten von WD 0525+52 immer effizienter, wodurch die Gasschicht aus Wasserstoff verdünnt wird und immer mehr Kohlenstoff an die Oberfläche gelangen kann. Und während der Stern wie jeder Weiße Zwerg langsam, aber stetig auskühlt, erlischt irgendwann sein Licht und er bleibt nur mehr als Schatten einer Explosion zurück.
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