Materialforschung: Die molekulare Elektronik bekommt ihren Draht

Mikroelektronische Schaltungen werden seit Jahrzehnten immer kleiner und leistungsfähiger. Dieser Entwicklung verdanken wir die Smartphones in unseren Taschen und die modernsten Entwicklungen in der künstlichen Intelligenz. Doch die immer stärkere Miniaturisierung kommt mittlerweile an Grenzen. Elektronische Bauteile lassen sich mit den verfügbaren Fertigungsmitteln kaum mehr kleiner bauen – jedenfalls nicht, wenn sie aus Silizium bestehen.
Ein Weg hin zu noch leistungsfähigeren, kleineren und schnelleren elektronischen Bauteilen bietet dagegen die molekulare Elektronik. Bekannte Komponenten wie Transistoren, Kondensatoren oder Widerstände sollen dabei durch einzelne Moleküle oder Molekülgruppen nachgebildet werden. Einen Schritt hin zu dieser neuen Art von Elektronik ist nun Forschenden der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) und des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung gelungen.
Mit atomarer Präzision haben sie organische Porphyrinmoleküle mit funktionellen Metallzentren an ein Band aus dem Kohlenstoffmaterial Graphen gebunden. So nutzen sie die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Porphyrine und können sie zugleich an andere elektronische Komponenten anbinden. Porphyrine sind natürlich vorkommende chemische Strukturen, wie man sie beispielsweise im Hämoglobin im menschlichen Blut, als fotosynthetisches Chlorophyll in Pflanzen oder in zahlreichen Enzymen findet. Die Moleküle bilden einen organischen Ring aus Kohlenstoffverbindungen, in deren Mitte einzelne Metallionen wie Eisen, Kobalt oder Magnesium sitzen. Die Art des Metalls entscheidet dabei über die Eigenschaften des Moleküls.
Die Forschenden haben es nun geschafft, solche Porphyrine präzise und in genau definierter Weise an ein zweidimensionales Band aus Graphen anzukoppeln, das gerade einmal einen Nanometer breit ist. Solche Graphen-Nanobänder haben selbst formabhängige elektrische und magnetische Eigenschaften, die das Forscherteam nun mit den magnetischen Eigenschaften der Porphyrine kombinieren konnten, indem es sie an den Außenseiten des Bands platzierte. Das Graphen wirkt damit wie ein elektrisch und magnetisch leitendes Kabel zwischen den Porphyrinmolekülen. Hergestellt werden die komplexen Moleküle unter Hochvakuum bei einigen hundert Grad Celsius auf einer Oberfläche aus Gold.
Anwendungen sehen die Forschenden unter anderem in der Quantentechnologie. Beispielsweise könnte das Band als eine Reihe von miteinander vernetzten Qubits funktionieren. Besonders interessant sei jedoch auch, dass Porphyrine in der Natur manchmal als Farbstoffe wirken, zum Beispiel als Chlorophyll oder Hämoglobin. In der molekularen Elektronik könnten sie somit Licht emittieren, dessen Wellenlänge sich mit dem magnetischen Zustand des molekularen Systems verändert. Umgekehrt ließe sich auch durch Licht die Leitfähigkeit oder der Magnetismus des Graphens beeinflussen. Zudem wären die Porphyrinmoleküle relativ einfach als chemische Sensoren verwendbar.
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