Direkt zum Inhalt

Materialphysik: Dipole machen das Eis rutschig

Kalte Temperaturen, dazu noch Druck und Reibung führen dazu, dass wir auf Eis ausrutschen. Doch das stimmt gar nicht, haben Forscher nun herausgefunden.
Eine Nahaufnahme einer eisigen Oberfläche mit einer hellblauen Tönung. Die Textur zeigt Kratzer und unregelmäßige Muster, die an gefrorenes Wasser erinnern. Die Oberfläche wirkt rau und uneben, was auf eine natürliche Eisbildung hinweist.
Ein dünner Flüssigkeitsfilm auf dem Eis sorgt dafür, dass wir ausrutschen. Doch wie der entsteht, wurde nun neu aufgerollt.

Tritt man im Winter morgens auf den vereisten Gehweg, rutscht man aus. Das liegt an einer feinen, flüssigen Wasserschicht, die sich zwischen Schuhsohlen und Eis bildet. Sie entsteht, so jedenfalls wurde es Schülerinnen und Schüler seit gut 200 Jahren beigebracht, weil die Reibung der Schuhsohle zusammen mit dem Druck durch das eigene Körpergewicht das Eis erwärmt und es schmelzen lässt. Doch die Fachwelt lag in dieser Frage daneben, haben Forscher der Universität des Saarlandes nun in Computersimulationen herausgefunden. Weder Druck noch Reibung haben einen großen Effekt auf die Bildung des dünnen Flüssigkeitsfilms, der das Eis rutschig macht, argumentiert der Materialphysiker Martin Müser. Stattdessen bringe das Zusammenwirken der Dipole der Eismoleküle und der Schuhsohle das Eis zum Schmelzen.

Warum das so ist, erklären die Forscher so: Das Wassermolekül bildet unter null Grad Celsius eine regelmäßige, geordnete Kristallstruktur. Tritt nun ein Schuh auf dieses wohlgeordnete Konstrukt, sorgt nicht dessen Druck oder dessen Reibung dafür, dass die oberste Molekülschicht durcheinandergerät, sondern die unterschiedlich geladenen Dipole dieser Moleküle, die in bestimmte Richtungen zeigen. Die Dipole im Schuh sorgen dann dafür, dass einige Dipole aus dem Eis abgelenkt werden. Auf mikroskopischer Ebene verliert das kristalline Wasser so seine geordnete Struktur an der Grenzfläche von Eis und Schuhsohle und wird ungeordnet, also amorph und letztlich flüssig.

Mit einer weiteren Annahme rund ums Eis wollen die Forscher ebenfalls aufräumen, nämlich dass Skifahren bei Temperaturen unter minus 40 Grad nicht mehr möglich sei, weil sich dann kein dünner Flüssigkeitsfilm mehr unter den Skiern bilden könnte. Auch das ist laut Müser falsch, denn die anziehende Wirkung der Dipole funktioniere sogar noch bei Temperaturen bis hinunter zum absoluten Nullpunkt. Bei sehr niedrigen Temperaturen werde der Film aber noch zähflüssiger als Honig. Das sei der eigentliche Grund, warum das Skifahren bei sehr niedrigen Temperaturen nicht mehr gelinge.

  • Quellen
Atila, A., Physical Review Letters 10.1103/1plj-7p4z, 2025

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.