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Mathematik: Nach 125 Jahren ist Hilberts sechstes Problem gelöst

Der Mathematiker David Hilbert wollte die Fluiddynamik auf ein solides Fundament stellen. Die Aufgabe entpuppte sich als äußerst hartnäckig – doch nun wurde sie gelöst.
In einer bunten Flüssigkeit schwimmen klare Kügelchen
Flüssigkeiten bestehen aus einzelnen Teilchen – doch es ist nicht einfach, davon ausgehend Strömungen zu beschreiben.

Im Jahr 1900 hielt der deutsche Mathematiker David Hilbert eine Rede, die in die Geschichte einging. Vor dem internationalen Mathematikerkongress in Paris stellte er 23 Probleme vor, denen sich die Fachleute im kommenden Jahrhundert widmen sollten. Seine Auswahl prägte den Verlauf der Wissenschaft bis heute. Und nun, 125 Jahre später, haben Yu Deng von der University of Chicago sowie Zaher Hani und Xiao Ma von der University of Michigan eine Lösung des sechsten Problems in der Liste in einer noch nicht begutachteten Arbeit vorgestellt.

Hilbert war nicht nur an Mathematik interessiert, ihm war es auch ein wichtiges Anliegen, die Physik auf eine solide Grundlage zu stellen. Sein sechstes Problem handelt genau davon: Die theoretischen Modelle der Physik sollen aus möglichst wenigen mathematischen Prinzipien abgeleitet werden. Schwierigkeiten bereitete dabei insbesondere die Fluiddynamik, die Flüssigkeiten und Gase beschreibt. Für diese gibt es nämlich je nach Skala, auf der man die Fluide untersucht, unterschiedliche Modelle: von einzelnen kollidierenden Kugeln über eine statistische »Boltzmann-Beschreibung« der Objekte hin zu den Navier-Stokes-Gleichungen, mit denen man Strömungen analysiert.

Das Problem: Die Modelle existieren nebeneinander, ohne dass sich beweisen ließ, dass sie zusammenhängen. Nun konnten Deng, Hani und Ma aber endlich die Verbindung zwischen den verschiedenen Skalen herstellen. Sie starteten mit dem mikroskopischen Modell kleiner, harter Kugeln und bewiesen, dass diese auf größeren Skalen zum Boltzmann-Modell führen und auf noch größeren schließlich in die Navier-Stokes-Gleichungen münden. Dafür griffen die Mathematiker auf Methoden zurück, die in der Quantenfeldtheorie – einem völlig anderen Bereich der Physik – verwendet werden.

Damit steht die Fluiddynamik nun auf einer stabilen Grundlage. Allerdings sind noch längst nicht alle Probleme ausgeräumt. Die Navier-Stokes-Gleichungen sind nämlich Teil der sieben »Millennium-Probleme«, die in Anlehnung an Hilberts Rede zum Jahrtausendwechsel veröffentlicht wurden. Denn auch knapp 200 Jahre nach der Aufstellung dieser Gleichungen ist unklar, ob ihre Lösungen stets physikalisch sind – viele Fachleute befürchten, dass es Situationen gibt, in denen sie versagen und unendliche Werte liefern. Eine Lösung dieses Problems ist allerdings noch nicht in Sicht.

Sieben hartnäckige Rätsel

Am 24. Mai 2000 veröffentlichte das Clay Mathematics Institute eine Liste mit sieben mathematischen Problemen, deren Lösung es mit einer Million US-Dollar belohnt. Selbst nach einem Vierteljahrhundert sind sie ungelöst geblieben – bis auf eines.

2002 gelang es dem russischen Mathematiker Grigori Perelman, die Poincaré-Vermutung zu beweisen. Über die Fachwelt hinaus erstaunte jedoch seine darauf folgende Reaktion: Der Eigenbrötler lehnte das Preisgeld ab, genauso wie die ihm dafür verliehene Fields-Medaille, eine der größten Auszeichnungen der Mathematik.

Das wohl bekannteste der noch offenen Millennium-Probleme ist die riemannsche Vermutung, aus der unter anderem folgen würde, wie sich die Primzahlen auf dem Zahlenstrahl verteilen. An dieser etwa 160 Jahre alten Aufgabe haben sich bereits etliche Experten und Laien versucht, doch bisher sind alle Anläufe gescheitert.

Die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer ist weniger verbreitet. Sie handelt von den Eigenschaften einer wichtigen Art von mathematischen Funktionen. Die so genannten elliptischen Funktionen ermöglichten es beispielsweise Andrew Wiles in den 1990er Jahren, Fermats letzten Satz zu beweisen.

Ein weiteres eher unbekanntes Problem ist die Hodge-Vermutung. Ähnlich wie die Poincaré-Vermutung beschäftigt sie sich mit dem Ordnen von geometrischen Figuren und fällt damit in den Bereich der Topologie.

Zwei der Millennium-Probleme hängen eng mit der Physik zusammen. Das eine dreht sich um Flüssigkeiten und Turbulenzen, die durch die so genannten Navier-Stokes-Gleichungen beschrieben werden. Das zweite handelt von den Grundbausteinen der Materie, den Quarks, und ihren Wechselwirkungen untereinander, welche die Yang-Mills-Theorie erklärt.

Schließlich lautet beim P-NP-Problem aus der theoretischen Informatik die Frage: Gibt es für bestimmte Probleme keine effizienten Algorithmen, oder kennen wir sie einfach nur noch nicht?

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  • Quellen
ArXiv: 10.48550/arXiv.2503.01800, 2025

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