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Ernährung: Scham bewegt zum Umdenken

Tierschutzkampagnen wollen zum Fleischverzicht motivieren, indem sie Tierleid und Umweltschäden vor Augen führen. Das so genannte Meatshaming kommt bei vielen nicht gut an, funktioniert aber.
Bild von Schweinen im Stall, eines reckt den Rüssel in die Kamera
Das Bild stammt aus der Versuchsreihe von Anne Kranzbühler und Hendrik Schifferstein. Zusammen mit der Aufschrift »Fleisch essen verursacht Tierleid« soll es Schuldgefühle erzeugen.

»Für dieses Stück Fleisch ist ein Tier gestorben!« So etwas möchten die wenigsten Menschen beim Fleischkauf lesen. Doch obwohl sich einige über solche Botschaften ärgern: Bei vielen zeigt das so genannte Meatshaming Wirkung. Darauf lassen Online-Experimente schließen, über die Anne-Madeleine Kranzbühler von der privaten Brand University of Applied Sciences in Hamburg und Hendrik Schifferstein von der TU Delft in den Niederlanden in der Fachzeitschrift »Food Quality and Preference« berichten.

Die Konsumforscherin und ihr Kollege hatten mehr als 1000 Versuchspersonen zu einem fiktiven Online-Einkauf gebeten: Sie sollten sich vorstellen, ihr Abendessen einzukaufen. Auf dem Bildschirm sahen die Probandinnen und Probanden ein Bild von einer Packung Hähnchenbrust. Teils war die Verpackung mit einem Aufkleber versehen, darauf ein Bild von Hühnern im Käfig und ein Hinweis auf die Folgen des Fleischessens für Tiere, Umwelt oder Gesundheit. Diese Botschaft war entweder allgemein oder als direkte Ansprache formuliert, zum Beispiel »Wenn du Fleisch isst, müssen Tiere dafür leiden«. In einer weiteren Versuchsvariante stand auf dem Sticker zusätzlich ein Absender: die Vereinten Nationen, Greenpeace oder eine private Umweltinitiative.

Während sie die Fleischpackungen auf dem Bildschirm betrachteten, sollten die Versuchspersonen angeben, wie sie sich dabei fühlten und wie wahrscheinlich sie das Hähnchen kaufen würden. Würden sie in Zukunft nach vegetarischen Alternativen suchen? Oder würden sie ebenso viel Fleisch kaufen wie zuvor?

Meatshaming mit Tierleid am effektivsten

Die Aufkleber wirkten. Die Versuchspersonen äußerten bei ihrem Anblick nicht nur mehr Schuld- und Schamgefühle als angesichts von Packungen ohne Bild und Botschaft, sondern wollten das Hühnchen auch nicht mehr so gerne kaufen. Außerdem gaben sie an, künftig weniger Fleisch und mehr vegetarisch essen zu wollen. Am effektivsten waren die Botschaften, die auf das Leid der Tiere hinwiesen, und am wenigsten erfolgreich jene zu Gesundheitsrisiken.

Ob die Botschaft allgemein formuliert war oder sich direkt an die Person richtete, machte dabei keinen großen Unterschied. Es spielte auch kaum eine Rolle, wer der Absender der Botschaft war: Die private Umweltinitiative wirkte offenbar ähnlich glaubwürdig wie Greenpeace und die Vereinten Nationen. Und auch bei Versuchspersonen, die sehr viel Fleisch aßen, zeigten die Aufkleber Wirkung.

Offen bleibt nach dieser Versuchsreihe zwar, ob das »Meatshaming« auch von echten Käufen im Supermarkt abhalten kann. Am Bildschirm haben sich die Schamattacken aber schon mehrfach als wirksam erwiesen. Wenn sie Gefühle wie Ekel triggerten oder den Genuss minderten, schwand die Lust auf Fleisch.

Peta und andere Tierschutzorganisationen setzen bei ihren Kampagnen regelmäßig auf diese Art der Konfrontation. Die Vorwürfe kommen bei der Fleisch essenden Zielgruppe naturgemäß nicht gut an. Kritik richtet sich auch dagegen, dass die Botschaften mit negativen Aussagen arbeiten, anstatt positive Anreize zu setzen. Doch Letztere hätten sich weniger bewährt, wie die Forschenden schildern. Die Aufschrift »Fleisch essen schadet der Umwelt« bringt demnach mehr als »Vegan essen hilft der Umwelt«. Beim Fleischkonsum sind es offenbar eher negative Gefühle wie Scham und Ekel, die zum Umdenken motivieren.

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