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Medikamentenmangel: Das Kind hat Fieber, Medikamente sind nicht lieferbar – was jetzt?

Grippe, RSV, Covid: Derzeit sind viele Menschen krank. Doch es fehlt an Medikamenten, besonders für Kinder. Über Ursachen und Tipps, wie Fieber auch ohne Säfte und Zäpfchen sinkt.
Eine Frau prüft die Temperatur auf einem Fieberthermometer. Sie fasst mit der flachen Hand einem kleinen Mädchen an die Stirn, die vor ihr liegt.
Kinder entwickeln deutlich häufiger Fieber als Erwachsene. Schon bei harmlosen Infekten erhöht sich bei ihnen die Körpertemperatur.

Die Kleidung ist verschwitzt, die Stirn heiß und die Wangen rot – das Thermometer bestätigt den Verdacht: Das Kind hat Fieber. Eigentlich kein großes Problem, zumindest ein viel kleineres als viele Eltern gemeinhin annehmen. »Fieber ist eine natürliche Reaktion des Körpers, sich mit Erregern auseinanderzusetzen – und in den allermeisten Fällen harmlos«, sagt Professor Markus Knuf, Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Worms. Trotzdem wollen einige Eltern meist schon ab einer Temperatur von 39 Grad Celsius ihrem Kind Fiebersaft oder Zäpfchen geben, um die Temperatur wieder zu senken. Doch in vielen Apotheken deutschlandweit sind die üblichen fiebersenkenden Mittel momentan nicht vorrätig – und können teilweise auch nicht bestellt werden. Es herrscht Medikamentenmangel. Doch woher kommt es zu diesem Engpass? Und wie können Eltern ihren fiebernden Kindern auch ohne die bewährten Medikamente helfen?

Warum es einen Engpass bei fiebersenkenden Mitteln gibt

Es sind eine Reihe von Entwicklungen zusammengekommen, die dazu geführt haben, dass die bekannten fiebersenkenden Medikamente für Kinder mit den Wirkstoffen Ibuprofen und Paracetamol zurzeit sowohl als Saft als auch als Zäpfchen nur schwer zu bekommen sind. Einerseits wurden viele Mittel in den letzten Jahren aus Kostengründen zunehmend in China und Indien produziert. Auch wenn die Lieferketten, die in diesem Jahr nicht zuverlässig funktionierten, sich etwas erholt haben, so kann der hohe Bedarf derzeit noch nicht bedient werden.

Die Nachfrage kommt nicht nur durch die Krankheitssaison in der Winterzeit zu Stande. Eine Reihe von Apotheken haben bereits im Sommer vermehrt die fiebersenkenden Mittel in größeren Mengen bestellt – und so zu einem frühen Mangel beigetragen. Hinzu kommt ein geringeres Angebot an Produzenten: Die Pharmaunternehmen haben die Produktion nicht nur verlagert, viele haben sich ganz aus dem Geschäft mit fiebersenkenden Medikamenten zurückgezogen – weil hier zu wenig zu verdienen ist. Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat kürzlich eingestanden, dass dies eine negative Folge der Ökonomisierung des Gesundheitswesens ist und hier Verbesserungen versprochen. So sollen etwa Anreize geschaffen werden und Unternehmen gefördert werden, die sich wieder auf den Markt für fiebersenkende Kindermedikamente verstärkt engagieren. Bis entsprechende Schritte tatsächlich eingeleitet sind und wirken, dürften allerdings noch einige Monate vergehen, schätzen Experten. Der Mangel, da sind sie sich einig, hält vermutlich noch den ganzen Winter an.

Warum haben Kinder Fieber?

Kinder entwickeln deutlich häufiger Fieber als Erwachsene. Schon bei harmlosen Infekten erhöht sich bei ihnen die Körpertemperatur. Fieber im Rahmen von Erkrankungen ist keine Krankheit, sondern eine Schutzreaktion des Körpers. Die Temperaturerhöhung bewirkt, dass der Körper seine Abwehrkräfte mobilisiert und gegen die verschiedensten Krankheitserreger aus eigener Kraft vorgeht. Viren und Bakterien können sich bei Fieber nämlich schlechter vermehren als bei normaler Körpertemperatur. Wenn ein Kind fiebert, so hilft es sich quasi erst einmal selbst.

Wann leidet ein Kind unter Fieber?

Gesunde Kinder haben eine Körpertemperatur zwischen 36,5 Grad und 37,5 Grad Celsius. Liegt die Temperatur zwischen 37,6 Grad und 38,5 Grad Celsius, hat das Kind erhöhte Temperatur. Ab 38,5 Grad Celsius spricht man von Fieber, über 39,5 Grad Celsius hat das Kind hohes Fieber. Um einen genauen Wert zu erhalten, sollte man die Körpertemperatur im Po (rektal) messen.

Wann sollte mein Kind zum Kinderarzt?

Ein Kinder- oder Jugendarzt sollte unbedingt aufgesucht werden, wenn das Kind jünger als drei Monate ist und eine Körpertemperatur von 38 Grad Celsius oder mehr hat, als auch bei einem älteren Kind ab einer Temperatur von 39 Grad, wenn das Fieber länger als drei Tage anhält. Zudem sollten Kinder zum Arzt, bei denen der Allgemeinzustand stark beeinträchtigt ist, etwa wenn sie teilnahmslos wirken, keine Flüssigkeit mehr zu sich nehmen oder weitere Symptome hinzukommen wie beispielsweise Durchfall, Erbrechen, Bauchschmerzen oder Hautausschlag. Auch ein Kind, welches einen Fieberkrampf hat oder das trotz fiebersenkender Maßnahmen weiterhin deutlich beeinträchtigt ist, sollte von einem Kinderarzt oder einer Kinderärztin untersucht werden.

Wann Fieber kein Grund zur Besorgnis ist – und wann man alarmiert sein sollte

Die erste Frage, die sich alle Eltern stellen sollten, wenn ihr Kind Fieber bekommt: Ist es überhaupt notwendig, das Fieber zu senken? Die Höhe des Fiebers sei für die Beantwortung dieser Frage fast nebensächlich, sagt Markus Knuf aus Worms. Entscheidend sei vielmehr der Allgemeinzustand des Kindes. »Wenn es nur etwas schwach und müde und kränklich ist, aber insgesamt gut ansprechbar, und wenn das Kind gut trinkt, dann gibt es erst einmal keinen Grund, das Fieber zwingend zu senken«, erklärt der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin. Auch mangelnder Appetit – selbst über zwei, drei Tage – seien bei einem Infekt normal. Auf eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme (siehe unten) sollte man aber in jedem Fall achten – selbst wenn das Kind trotz hohem Fieber quietschfidel spielt.

Aufpassen muss man hingegen, wenn das Kind das Trinken verweigert, nicht mehr auf Ansprache reagiert und ein eingeschränktes Bewusstsein hat. »Das sind Warnzeichen, dass es sich womöglich um eine seltene, schwere bakterielle Infektion handelt, etwa eine Lungenentzündung oder eine Hirnhautentzündung, die unbehandelt tödlich enden kann. In solchen Fällen sollte man sich unverzüglich zum Arzt oder in eine Klinik begeben«, so Markus Knuf. Auch das Alter spielt eine Rolle. Grundsätzlich gilt: Je jünger das Kind ist, desto eher sollte man zum Arzt gehen. »Vor allem in den ersten drei Lebensmonaten sollte man mit einem fiebernden Kind in jedem Fall die Kinderärztin oder den Kinderarzt aufsuchen. Denn eine bakterielle Infektion kann hier viel eher eine gefährliche Entwicklung nehmen und beispielsweise eine Blutvergiftung auslösen«, sagt Markus Knuf.

Alternativen zu Ibuprofen und Paracetamol – und worauf man unbedingt verzichten sollte!

Auch wenn es wie beschrieben die Höhe des Fiebers nicht entscheidend ist, werden manche Eltern ab einer Temperatur von mehr als 40 Grad Celsius eben trotz aller Beruhigungen nervös. »Es kann dann auch nicht schaden, das Fieber ein Stück weit zu senken«, sagt Markus Knuf. Am besten ginge das tatsächlich mit Ibuprofen als Saft oder beispielsweise mit Paracetamol-Zäpfchen. »Wir haben uns im Lauf der letzten Jahrzehnte tatsächlich sehr an diese Medikamente gewöhnt. Nicht nur, weil sie das Fieber recht gut senken. Paracetamol und Ibuprofen lindern auch Schmerzen, unter denen Kinder mit Fieber häufig auch leiden«, sagt der Kinderarzt Dr. Marcel du Moulin aus Hittfeld bei Hamburg. Zumindest für die Schmerzen gibt es eine Alternative: »Der Wirkstoff Metamizol, häufig auch als Novalgin bekannt, ist auch für Kinder zugelassen. Mit ihm lassen sich zumindest die Schmerzen behandeln«, sagt Markus Knuf.

Doch was ist mit dem Fieber? Hier gibt es eine Methode, die früher bei Fieber fast immer angewandt wurde: Wadenwickel! Die Idee von Wadenwickeln ist ebenso simpel wie einleuchtend: Der Körper glüht, er versucht, durch eine erhöhte Durchblutung der Extremitäten Wärme abzugeben. Indem wir jeweils einen nicht zu kalten, eher lauwarmen Lappen um die Waden wickeln, wird diese Abgabe von Wärme erleichtert. Eltern sollten zuvor aber die Hände und Füße ihres Kindes befühlen: »Wenn der Körper noch dabei ist, die Temperatur zu steigern, dann sind die Extremitäten kalt, dann möchte er gar keine Wärme abgeben. Dann sollte man keine Wadenwickel machen. Erst wenn tatsächlich die Arme und Beine sehr warm sind, scheint der Körper mit der hohen Temperatur zu ringen – dann kann man ihm mit Wadenwickeln helfen, sich zu kühlen«, erklärt Marcel du Moulin.

Eine weitere Möglichkeit, das Fieber zu senken, ist eine vermehrte Flüssigkeitszufuhr. »Trinken, trinken, trinken, dazu vielleicht auch ein paar Salzstangen essen, um Elektrolyte wieder zuzuführen! Das Trinken ist für Kinder mit Fieber grundsätzlich wichtig, weil sie durch das Schwitzen viel Flüssigkeit verlieren«, sagt Markus Knuf aus Worms. Der Körper beginnt bei Fieber zu schwitzen, weil dies eine Möglichkeit ist, sich zu kühlen: Wenn die Flüssigkeit auf der Haut verdunstet, entsteht die so genannte Verdunstungskälte, durch die der Körper Wärme abgeben kann. Führt man nun vermehrt Flüssigkeit zu – sei es durch Wasser oder in Form von Tees oder Fruchtsäften –, dann hat der Körper neues Potenzial zu schwitzen – und so die Temperatur zu senken.

Trinken und Wadenwickel – das sind diejenigen Methoden, die auch in wissenschaftlichen Studien eine Wirkung zeigen konnten. Für Wadenwickel ist der temperatursenkende Effekt zwar von kurzer Dauer, aber immerhin kann eine Wirkung beobachtet werden. Für andere, vermeintlich bewährte Hausmittel aber lässt sich keine Wirkung nachweisen. Schweißtreibende Tees etwa gibt es laut Professor Hans-Iko Huppertz von der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie nicht wirklich.

Viele Eltern fragen sich: Könnte man fiebersenkende und schmerzlindernde Medikamente für Erwachsene durch mehrmaliges Teilen der Tabletten in eine Dosis zu bringen, die für Kinder geeignet ist? Davon ist grundsätzlich abzuraten. »Das Zerbrechen der Tabletten ist nie exakt, außerdem gibt es keine Garantie, dass der Wirkstoff über die ganze Tablette gleich verteilt ist«, sagt Hans-Iko Huppertz. Bei Ibuprofen sei eine Überdosierung für das Kind meist noch unproblematisch. Aber Paracetamol etwa habe eine sehr geringe therapeutische Breite: »Hier kann schon die doppelte Dosis lebensgefährlich sein und die Leber dauerhaft schädigen, so Hans-Iko Huppertz. Und Medikamente wie Aspirin seien gar nicht geeignet für Kinder.

Was man auch keinesfalls machen sollte, obwohl es manchmal empfohlen wird: Baden in einer bestimmten Temperatur. Die Gefahr, dass man hierbei Fehler macht, dass es zu einer Unterkühlung oder gar Verbrühungen kommt, sei viel zu hoch, sagt Hans-Iko Huppertz. Und sein Kollege Marcel du Moulin warnt: »Kürzlich erzählte mir eine Mutter, dass sie ihr Kind mehrere Minuten unter die kalte Dusche gestellt hat, weil es so heiß war – so etwas sollte man tunlichst vermeiden, das kann sogar gefährlich werden für den Kreislauf.« Bleibt das Fieber über einige Tage oben und verschlechtert sich auch noch der Allgemeinzustand des Kindes, sollte man auf solche Experimente verzichten – und lieber zügig den Kinderarzt oder die Kinderärztin aufsuchen. Wenn dort dann herauskommt, dass aktuell kein Grund zur Besorgnis besteht – umso besser!

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