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Medizin: Krankenhauskeim kann Plastik verdauen

Bakterien wie Pseudomonas aeruginosa verursachen zahlreiche Krankenhausinfektionen. Jetzt zeigt sich: Einige von ihnen können Plastik zersetzen – was ihnen Vorteile verschafft.
Mikroskopische Aufnahme von blau gefärbten, stäbchenförmigen Bakterien auf einer orangefarbenen, strukturierten Oberfläche. Die Bakterien sind dicht angeordnet und zeigen feine Details ihrer Zellstruktur. Die orangefarbene Oberfläche könnte eine biologische Struktur wie Gewebe oder eine Zelloberfläche darstellen.
Nachträglich eingefärbte rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Bakterien der Spezies Pseudomonas aeruginosa (türkis) auf menschlichem Nasenepithel (gelb). Die Erreger befallen Tiere einschließlich des Menschen und sind häufig in Kliniken zu finden, wo sie gefährliche Infektionen verursachen.

Pseudomonas aeruginosa ist ein krank machendes Bakterium, das Tiere einschließlich des Menschen befällt. Es überlebt in diversen Umgebungen und besiedelt in Kliniken unter anderem Beatmungsschläuche, Sanitäreinrichtungen, Vasen oder Dosieranlagen für Desinfektionsmittel. Der gefürchtete Krankenhauskeim infiziert oft Patienten mit geschwächtem Immunsystem. Diese entwickeln daraufhin Lungenentzündungen, Haut- und Harnwegsinfektionen oder Augen- und Ohrentzündungen, was in eine lebensbedrohliche Sepsis (»Blutvergiftung«) münden kann. Wie sich nun gezeigt hat, produziert das Bakterium darüber hinaus Enzyme, die Kunststoffe abbauen.

Eine Forschungsgruppe um Sophie Howard von der Brunel University of London hat ein Enzym namens Pap1 aus einem Pseudomonas-aeruginosa-Stamm isoliert, der eine menschliche Wunde besiedelt hatte. Wie die Fachleute feststellten, zersetzt das Enzym die Plastiksorte Polycaprolacton (PCL). Dieser Kunststoff kommt in klinischen Geräten und Materialien häufig zum Einsatz, da er biologisch abbaubar ist.

Plastik verdauende Enzyme kenne man bisher vor allem von Mikroben, die etwa in Meer- oder Abwasser leben, sagt Ronan McCarthy. Er war an der Studie beteiligt und forscht an der Brunel University über Bakterien und bakterielle Infektionen. Dass Kunststoff abbauende Enzyme nun auch bei Krankenhauskeimen zu finden sind, hilft seiner Ansicht nach zu erklären, warum diese Mikroben im klinischen Umfeld so große Probleme bereiten. »Wenn ein Erreger Plastik zersetzen kann, dann kann er kunststoffhaltige Wundnähte, Implantate, Stents oder Verbandsstoffe angreifen, was für den Heilungsverlauf offensichtlich von Nachteil ist.«

Plastik zu fressen, verschafft Krankenhauskeim einen Vorteil

Howard und ihr Team schleusten das Gen, das den Bauplan des Plastik verdauenden Enzyms Pap1 enthält, in Escherichia-coli-Bakterien ein. Daraufhin waren auch diese Mikroben in der Lage, PCL-Kunststoff zu zersetzen. Entfernten die Fachleute jenes Gen wiederum aus dem Erbgut von Pseudomonas aeruginosa, konnte der Krankenhauskeim kein Plastik mehr abbauen.

Zudem wies die Arbeitsgruppe nach: P.-aeruginosa-Stämme, die über das Enzym Pap1 verfügen, bilden in Anwesenheit von Kunststoff mehr Biofilme als in Anwesenheit von Glas. Organisieren sich krank machende Bakterien in Biofilmen, ist das problematisch, weil es die Bekämpfung der Mikroben stark erschwert und die Keime unter anderem resistenter gegenüber Antibiotika macht. Damit übereinstimmend zeigten weitere Experimente, dass P. aeruginosa in Larven der Großen Wachsmotte (Galleria mellonella) schwerere Infektionen verursacht, wenn den Tieren vorher Kunststoffimplantate aus PCL eingesetzt werden. Larven wiederum, die mit Bakterien infiziert sind, denen das Enzym Pap1 fehlt, überleben mit PCL-Implantat genauso lange wie ohne.

Steven Djordjevic, der an der University of Technology Sydney über krank machende Bakterien forscht, hebt die klinische Relevanz dieser Studie hervor. Die Ergebnisse unterstreichen seiner Ansicht nach, dass die menschliche Gesundheit zunehmend von Krankenhauskeimen wie Pseudomonas aeruginosa bedroht ist. »Diese Erreger sind berüchtigt dafür, dass sie in Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäusern überdauern«, betont er – und sie zeigten sich häufig unempfindlich gegenüber klinisch wichtigen Antibiotika. Die Fachleute möchten künftig weitere krank machende Bakterienstämme auf die Fähigkeit testen, Plastik zu verdauen.

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