Krebsfrüherkennung: Mediziner planen Änderungen beim Prostatakrebs-Screening

Die Früherkennung von Prostatakrebs steht vor einem Umbruch. Das geht aus einer Aktualisierung der entsprechenden ärztlichen Leitlinie hervor. Unter anderem soll die bisher übliche rektale Tastuntersuchung entfallen. Sie würde durch Bluttests auf das prostataspezifische Antigen (PSA) sowie die Magnetresonanztomografie (MRT) als mögliche Folgeuntersuchung ersetzt. Noch sind diese Änderungen nicht gültig; Fachleute diskutieren sie derzeit. Die final beschlossene Leitlinie soll voraussichtlich im Juni erscheinen.
Bislang bekommen Männer ab 45 die rektale Tastuntersuchung zur Früherkennung des Prostatakarzinoms angeboten. Als Bestandteil des gesetzlichen Krebsfrüherkennungsprogramms (Screenings) wird sie von den Krankenkassen bezahlt. PSA-Tests hingegen sind derzeit nicht Bestandteil des gesetzlichen Früherkennungsprogramms.
Laut der neuen Leitlinie sollen Männer ab 45, die sich nach einer Beratung für die Früherkennung entscheiden, einen PSA-Bluttest angeboten bekommen. Deutet der Test auf ein niedriges Krebsrisiko hin, sollen weitere Untersuchungen alle fünf Jahre folgen; bei moderatem Risiko alle zwei Jahre. Ergibt der Test ein hohes Krebsrisiko, wären zusätzliche Diagnostiken erforderlich, etwa eine MRT-Untersuchung.
Umstrittener Test
PSA ist ein Eiweiß, das hauptsächlich in der Prostata entsteht und zum Teil ins Blut gelangt. Ein erhöhter PSA-Spiegel im Blut kann auf Prostatakrebs hindeuten, muss es aber nicht. Sportliche Aktivitäten wie Radfahren, bestimmte Medikamente, Krankheiten oder ein Samenerguss können den PSA-Spiegel ebenfalls erhöhen. Zudem steigt der Wert mit fortschreitendem Alter. PSA-Tests allein sind für eine Krebsdiagnose deshalb nicht sehr aussagekräftig. Sie bergen die Gefahr von Überdiagnosen, unnötigen Behandlungen und sind entsprechend umstritten. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) lehnte eine Kostenerstattung im Rahmen des Screenings dafür bisher ab.
Allerdings gibt es mittlerweile neue Erkenntnisse zur kombinierten Prostatakrebs-Früherkennung mittels PSA-Test und MRT. Schweden setzt sie bereits seit 2020 um und macht offenbar gute Erfahrungen damit. Die Mehrzahl unnötiger Gewebeentnahmen (Biopsien), die zu den gravierendsten Negativfolgen von PSA-Tests zählen, ließ sich so vermeiden. Seit 2022 empfiehlt die EU-Kommission, das kombinierte Screening auf nationaler Ebene schrittweise einzuführen und wissenschaftlich zu begleiten.
»Das rein PSA-basierte Screening nun endgültig zu verlassen, ist ein guter und überfälliger Schritt der deutschen Urologie«, kommentiert Stefan Sauerland vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen gegenüber dem Science Media Center (SMC). Mit dem PSA-Test allein hätten zu viele Männer eine unnötige Behandlung erhalten. »Dass auch die Tastuntersuchung durch den Darmausgang nicht mehr empfohlen wird, ist ebenfalls richtig. Denn sie war nie näher geprüft worden und gehörte eher aus historischen Gründen zur Prostatakrebs-Früherkennung.«
Sauerland hält es allerdings für bedenklich, dass laut aktualisierter Leitlinie die Früherkennung bereits mit 45 Jahren beginnen darf, weil Prostatakrebs hier noch sehr selten auftrete. Zudem fehle in der Leitlinie eine obere Altersgrenze: Mit steigendem Alter werde der Krebs zwar häufiger, gleichzeitig nehme aber der Nutzen einer Früherkennung immer weiter ab. Insgesamt würden die neuen Empfehlungen zu viele Männer und zu viele Tests umfassen; auch sei die kombinierte Screeningstrategie bislang nicht in Langzeitstudien untersucht worden. Männer sollten sich genau informieren, bevor sie sich auf Tests einlassen.
Fachleute halten es zudem für fraglich, ob die MRT-Kapazitäten in Deutschland für ein entsprechend verändertes Screeningprogramm überhaupt ausreichen. »Wenn von den rund zwölf Millionen Männern im Alter zwischen 50 und 70 Jahren die Hälfte zur Prostatakrebs-Früherkennung geht, dann werden bis zu zehn Prozent auf Grund erhöhter PSA-Werte eine MRT-Diagnostik brauchen. Dies sind grob geschätzt 600 000 zusätzliche MRT-Untersuchungen pro Jahr – bei derzeit schon etwa 15 Millionen Untersuchungen jährlich«, erläutert Sauerland.
Ähnlich äußerte sich der Krebsepidemiologe Ola Bratt von der Universität Göteborg (Schweden) gegenüber dem SMC: »Wir müssen anerkennen, dass die regionalen Programme bisher hauptsächlich Männer unter 60 Jahren eingeladen haben und der Bedarf an MRT-Ressourcen steigen wird, wenn in den nächsten Jahren ältere Männer eingeladen werden.« Die technische Entwicklung der MRT habe zu kürzeren Scanzeiten geführt, so dass pro Stunde mehr Männer gescannt werden können als 2020, aber die radiologischen Kapazitäten für die Auswertung der Scans seien nach wie vor ein Engpass.
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