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Covid-19: Experten sehen keine erhöhte Thrombosegefahr durch AstraZeneca

Nach Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin ist es zu mehreren Fällen mit Blutgerinnungsstörung gekommen. Ein ursächlicher Zusammenhang ist bislang nicht belegt.
Impfstoff und Nadel

Aktualisierung: Nach mehreren Fällen von schweren Blutgerinnungsstörungen auch in Deutschland wurde die Impfung mit AstraZeneca in der Bundesrepublik wie in anderen EU-Staaten ausgesetzt. Ursache laut dem für Impfstoffsicherheit zuständigen Paul-Ehrlich-Institut seien mehrere über das Wochenende hinzugekommene Fälle von Sinusvenenthrombosen: Insgesamt sei dies bei 1,6 Millionen Impfungen sieben Mal aufgetreten. Dabei handelt es sich um in den großen venösen Zusammenflüssen des Gehirns, die schwer verlaufen können und schwierig zu behandeln sind. Bis geklärt ist, ob es dabei einen Zusammenhang mit Bestandteilen des Impfstoffs gibt, wird seine Verabreichung ausgesetzt. Mehr dazu finden Sie hier.

Mehrere europäische Staaten, darunter Österreich und Dänemark, haben die Impfungen mit AstraZeneca vorerst zumindest teilweise eingestellt, nachdem einige Fälle von schweren Thrombosen in zeitlichem Zusammenhang mit der Vakzingabe aufgetreten sind. In Österreich starb eine Frau zehn Tage nach der Impfung, und auch in Dänemark seien mehrere schwere Fälle einer Blutgerinnungsstörung aufgetreten. Eine Person soll hier gestorben sein, wie Medien unter Berufung auf die dänischen Gesundheitsbehörden gemeldet haben. Die in Dänemark, Norwegen und Island Zuständigen haben die Impfung mit AZD1222 für 14 Tage ausgesetzt, um die Vorkommnisse zu untersuchen. In Österreich wurde die noch vorhandene Impfstoffcharge zurückgezogen, aus der die Frau versorgt worden war, es wird jedoch weiter mit anderen Chargen des AstraZeneca-Mittels geimpft.

Wie das deutsche Science Media Center (SMC) meldet, bestehe nach erster Prüfung kein Hinweis auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Thrombosen und der Impfung. Das schreibt das für die Bewertung und Sicherheit von Humanarzneimitteln zuständige Pharmakovigilance Risk Assessement Committee (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA). Die Anzahl von bisher gemeldeten 30 Thrombosefällen bei knapp fünf Millionen geimpften Personen im europäischen Wirtschaftsraum stelle keine Häufung gegenüber dem Auftreten in der Gesamtbevölkerung dar. Thromboembolien kommen in Deutschland etwa ein- bis dreimal pro 1000 Personen und Jahr vor und gelten daher als relativ häufig. In den präklinischen und klinischen Studien des Impfstoffs AZD1222 seien nach Auskunft der Entwickler Blutgerinnungsstörungen bisher nicht als unerwünschte Nebenwirkungen aufgetreten.

Lesen Sie hier ausführlich, was die bislang in der EU zugelassenen Corona-Impfstoffe leisten können.

Diese Einschätzung teilen die vom SMC befragten Experten.»Bislang zeigt sich nach Gabe von vielen Millionen Impfdosen des AstraZeneca-Impfstoffs zum Beispiel in Großbritannien keine Häufung von thrombotischen Ereignissen unter den Geimpften. Daher ist ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfung und Thrombosen eher nicht zu erwarten«, sagt der Infektionsimmunologe Leif Erik Sander von der Charité in Berlin. Der Chefarzt Clemens Wendtner von der München Klinik Schwabing verweist auf die geringe Zahl der bislang der EMA gemeldeten Thrombosefälle nach einer Impfung verglichen mit der Gesamtzahl der Vakzingaben: »Insgesamt wurden der EMA 30 Fälle von thromboembolischen Ereignissen bis zum 10. März 2021 bei mehr als fünf Millionen mit dem AstraZeneca-Impfstoff geimpften Personen im Europäischen Wirtschaftsraum gemeldet. Das entspricht einem Risiko von zirka 1 zu 170 000. Venöse Thrombosen kommen dagegen unabhängig von Covid-19 mit einer jährlichen Inzidenz von etwa 1 pro 1000 Erwachsenen vor, also mit einem Faktor 100 häufiger in der Allgemeinbevölkerung.«

Wendtner verweist wie andere Medizinerinnen und Mediziner zudem darauf, dass Covid-19 mit einem deutlich erhöhten Risiko für Thrombosen einhergeht. »In einer aktuellen US-amerikanischen Auswertung basierend auf 3334 Patienten traten thromboembolische Ereignisse bei insgesamt 533 Patienten auf. Das entspricht 16 Prozent der Untersuchten«, sagt der Münchner Infektiologe: »Das Risiko, an einer Covid-19 assoziierten Thrombose Schaden zu nehmen, ist also um ein Vielfaches höher. Insgesamt kann man mit derzeitigem Kenntnisstand davon ausgehen, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfung und den wenigen thromboembolischen Ereignissen gibt.«

Bestätigt werden Sander und Wendtner durch britische Experten, die auf die hohe Zahl der Impfungen mit AstraZeneca im Land verweisen, ohne dass es zu einer statistischen Häufung von Thrombosefällen dort gekommen wäre. »Die Zahl an Thrombosen bei Geimpften ist nicht größer als die Anzahl, die natürlicherweise in der Bevölkerung vorgekommen wäre«, sagt zum Beispiel Phil Bryan vom MHRA Vaccines Safety Lead.

Unisono verweisen die Befragten auf die hohe Wirksamkeit von AstraZeneca gegenüber Erkrankungen mit dem Coronavirus. Eine neuere, bisher allerdings nicht von Fachleuten begutachtete Studie legt nahe, dass die Wirksamkeit des Impfstoffs bei etwa 80 Prozent liegen könnte, wenn zwischen der ersten und der zweiten Dosis mindestens zwölf Wochen liegen. Clemens Wendtner hat deshalb auch andere Sorgen: »Bereits jetzt ist ein Schaden gesetzt, aber nicht durch den Impfstoff selbst, sondern durch eine Aussetzung der Impfkampagne in einigen europäischen Ländern wie Dänemark und Norwegen. Nachdem AZD1222 erst im Nachrückverfahren in Deutschland für ältere Patienten über 65 Jahre durch die STIKO empfohlen wurde und die nahezu 100-prozentige Schutzwirkung vor schweren Verläufen nur latent kommuniziert wurde, ist bedauerlicherweise eine weitere vermeintlich negative Nachricht in der Welt, die dem Image des Impfstoffs und der Impfkampagne insgesamt schadet.«

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