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Meere: Wracks schützen Fische

Grundschleppnetze rasieren den kompletten Meeresboden, um an Garnelen oder Schollen zu kommen. Gesunkene Schiffe werden von den Fischern aber gemieden.
Ein Taucher untersucht ein dicht mit Muscheln und Algen bewachsenes Wrack in grünlichem Meerwasser
Ein Taucher inspiziert die Lebewesen an einem Wrack vor der britischen Küste. Gesunkene Schiffe wie dieses dienen vielen Arten als Rückzugsorte.

Rund 50 000 Schiffswracks sollen rund um die Küsten der Britischen Inseln verstreut auf dem Meeresgrund liegen. Inmitten der stark befischten Gewässer der Nordsee und des Nordatlantiks bilden sie Refugien für zahlreiche Arten, die sonst in den Netzen der Fischer landen würden. Das berichten Jenny Hickman von der University of Plymouth und ihr Team in »Marine Ecology«. Die Anzahl an Arten und Individuen verschiedener Organismen war im Umfeld der Wracks um durchschnittlich 240 Prozent größer als in Gebieten, in denen noch Grundschleppnetzfischerei erlaubt ist.

Diese Art des Fischfangs gilt als eine der destruktivsten Methoden, um Garnelen oder Schollen aus dem Meer zu holen. Mit Gewichten beschwerte Netze werden dabei über den Meeresboden gezogen, was dort zu schweren Schäden führen kann. Zudem verursacht die Grundschleppnetzfischerei sehr große Mengen an Beifang wie Seesterne, Krebse, Seegurken oder auch unerwünschte bodennah lebende Fische. Sie steht deshalb schwer in der Kritik und regelmäßig wird ein Verbot gefordert.

Aus Sorge um ihre Netze meiden die Fischer allerdings Bereiche, in denen sich das Material verfangen kann: Neben natürlichen Riffen gehören dazu auch Schiffswracks – die nach der Studie von Hickman deshalb vielen Arten Rückzugsmöglichkeiten bieten können. Ein Vergleich von befischten und nicht befischten Flächen zeigte, wie stark die von der Grundschleppnetzfischerei genutzten Gebiete beschädigt und gestört waren. Die Anzahl an Arten und Individuen fiel dort deutlich kleiner aus als in geschützten Arealen oder im Umfeld von Wracks, die wie künstliche Riffe wirken und teilweise 100 Jahre und länger als Refugien dienen.

Die von der Arbeitsgruppe erfassten fünf Wracks vor der Küste von Berwickshire liegen dort seit dem Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts und sind daher auf Karten verzeichnet, weshalb Fischer sie meiden. Der Einfluss der Wracks reicht dabei über den eigentlichen Standort hinaus, da auch das Umfeld in einem bestimmten Radius nicht befischt wird. Hier lagen die Werte für Vielfalt und Dichte der Meeresfauna sogar um bis zu 340 Prozent höher als im Trawlingbereich.

»Der industrielle Einsatz von Grundschleppnetzen ist seit dem 19. Jahrhundert üblich und hat die Meeresgemeinschaften und Leistungen des Ökosystems erheblich verändert. Außerhalb gesetzlicher Schutzzonen werden nur Gebiete bewahrt, die für Trawler unzugänglich sind, etwa Wracks. Da viele von ihnen seit mehr als 100 Jahren an Ort und Stelle sind, bieten sie einen Anhaltspunkt für das ökologische Potenzial, wenn der Schleppnetzdruck verringert oder beseitigt wird«, sagt Hickman. Dass sich das Meeresökosystem erholen kann, wenn diese Art der Fischerei aufhört, zeigten Vergleichsflächen, wo das Trawling verboten ist: Dort lebten noch mehr Arten und Tiere als in und um die Wracks.

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