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Klimawandel: Arktisches Sommer-Meereis ist nicht mehr zu retten

Das Meereis der Arktis könnte schon in den 2030er Jahren im Sommer fast völlig verschwinden. Das ist zehn Jahre früher, als Klimamodelle bisher prognostizierten.
Einige Eisschollen treiben auf einer Wasserfläche. Im Hintergrund untergehende Sonne.
Schon bald könnten vom arktischen Meereis nur noch klägliche Reste übrig sein.

Aktuelle Klimamodelle unterschätzen vermutlich, wie schnell das Meereis des Nordpolarmeers verschwindet. Demnach könnte der Arktische Ozean im Extremfall schon in den 2030er Jahren erstmals nahezu vollständig eisfrei sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine Arbeitsgruppe um den Klimaforscher Seung-Ki Min von der Pohang University of Science and Technology in Korea anhand eines Vergleichs von Modellen und realem Meereisverlust. In ihrer Veröffentlichung in der Fachzeitschrift »Nature Communications« berechnete die Gruppe den Faktor, um den die Simulationen in den Jahren vor 2019 von der Realität abweichen, und wandte ihn auf die von den Modellen berechneten Meereisflächen bis zum Jahr 2100 an.

Das Team kommt anhand des Korrekturfaktors zu dem Ergebnis, dass in allen Emissionsszenarien die Fläche des Meereises im September – dem Monat mit der geringsten Eisbedeckung – mit einiger Wahrscheinlichkeit vor 2040 erstmals auf weniger als eine Million Quadratkilometer sinken wird. Das ist etwa ein Jahrzehnt früher als bisher prognostiziert. Eine Million Quadratkilometer ist zwar immer noch knapp die dreifache Fläche Deutschlands, aber entspricht nur rund 7 Prozent des Arktischen Ozeans. Derzeit bedeckt das Eis im September noch mehr als die vierfache Fläche.

Damit ist die Analyse pessimistischer als die Einschätzung des Weltklimarats IPCC. Dessen 6. Sachstandsbericht bezeichnete es 2021 als »wahrscheinlich«, dass der erste nahezu eisfreie September in die Jahre vor 2050 fallen würde. Allerdings deuteten schon frühere Vergleiche von Modelldaten und realen Meereistrends darauf hin, dass die Modelle den Eisverlust unterschätzen könnten. Um das festzustellen, isolierte die Arbeitsgruppe um Seung-Ki Min mit Hilfe eines so genannten Attributionsmodells den Effekt von Kohlendioxid auf das Meereis von den Beiträgen anderer Faktoren. Sie berechnete, welchen Anteil Kohlendioxid an den beobachteten Trends der Meereisfläche ausmacht. Anschließend verglich sie diesen allein auf CO2 zurückgehenden Eisverlust mit den geringeren Werten in den Modellen.

Den so gewonnenen Korrekturfaktor wendete das Team dann auf die in den verschiedenen Standard-Emissionsszenarien (SSP) prognostizierten Meereistrends an. Tatsächlich macht das genaue Emissionsszenario keinen großen Unterschied mehr dafür, wann die Eisfläche unter die kritische Grenze von einer Million Quadratkilometern sinkt. Verhindern könne man das eigentlich nur noch, wenn man sofort jeglichen CO2-Ausstoß stoppe, erklärt Dirk Notz, Mitautor der Studie, gegenüber »Spektrum.de«. Der Grund dafür sei, dass in den letzten Jahren schon so viel Meereis verloren gegangen ist, dass selbst relativ moderate weitere Emissionen den Rest auch noch verschwinden lassen.

In einer Veröffentlichung von 2016 hatte der Forscher berechnet, dass für jede Tonne ausgestoßenes CO2 etwa drei Quadratmeter Meereis verschwinden. Damit wäre die Million Quadratkilometer Meereis mit weiteren 1000 Gigatonnen CO2 und bei heutigem Ausstoß schon nach rund 25 Jahren erreicht. Die aktuelle Untersuchung bestätigt diesen Befund. Selbst mit den schnell sinkenden Emissionen im günstigsten Szenario verschiebt sich dieser Zeitpunkt nur um wenige Jahre nach hinten.

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