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Klimawandel: Meereisschmelze heizt Tundra auf

Forscher über Permafrost-Einbruch
Alaska, das nördliche Kanada und Sibirien könnten sich zukünftig mehr als drei Mal so schnell erwärmen wie bislang gedacht. Dies würde auch den arktischen Permafrost rascher schwinden lassen. Ausgelöst wird die Beschleunigung durch den raschen Schwund des Meereises im Nordpolarmeer, das die Region bislang kühlte, befürchtet David Lawrence vom National Center for Atmospheric Research in Boulder.

Arktis-Erwärmung | In Phasen, in denen das arktische Meereis rapide und umfassend schmilzt, heizt sich auch das angrenzende Festland über Gebühr auf (links): Die Temperaturen steigen stärker und der Einfluss überdurchschnittlicher Erwärmung reicht weiter ins Landesinnere.
Zusammen mit seinen Kollegen wertete er verschiedene Szenarien von Klimamodellen neu aus: Demnach finden ausgeprägte Phasen des Meereisschwundes, die fünf bis zehn Jahre andauern können, stets dann statt, wenn steigende Temperaturen das Eis zuvor stark ausgedünnt haben. In dieser Zeit kann die Ausdehnung dauerhaft gefrorener Meeresflächen um die Größe der US-Bundesstaaten Alaska und Colorado hinter den normalen langjährigen Schnitt zurückgehen. Statt weißer Flächen, die die einfallende Sonnenstrahlung reflektieren und damit die Region kühl halten, dominieren dann dunkle Wasserflächen. Sie wandeln einen größeren Teil der eingestrahlten Energie in Wärme um und speichern ihn im Ozean.

Tauender Permafrost | Einst herrschte hier trockene Tundra, nun hat der tauende Permafrost dafür gesorgt, dass eine Sumpflandschaft entstanden ist.
Zu diesen Zeiten erwärmt sich die Arktis besonders stark, schreiben die Forscher. Der Effekt falle am stärksten über dem Meer aus, doch reiche sein Effekt bis zu 1500 Kilometer ins Landesinnere der einzelnen Kontinente, so Lawrence weiter. Besonders betroffen sei der Herbst, die wärmste Periode in arktischen Gefilden: Bis zu fünf Grad Celsius könnten die Temperaturen dann über dem langjährigen Mittel liegen.

Aufgeheizte Arktis | Aufgeheizte Arktis: Nirgendwo macht sich der Klimawandel ähnlich stark bemerkbar wie in der Arktis, die sich schneller erwärmt als der Rest des Planeten. Für die Menschen dort heißt es schon jetzt "wandeln oder weichen", wenn der Permafrost taut, die Küsten bröckeln und das Eis schwindet.
Mit weit reichenden Folgen: Die Erwärmung taut zunehmend den Permafrost auf, jene Gefrornis des arktischen Bodens, in der auf Grund der mangelhaften Zersetzung von Pflanzenmaterial rund 30 Prozent der weltweiten Kohlenstoffvorräte von Böden eingelagert ist und die bisweilen sehr tief reicht. Vielerorts tauen diese Gebiete in den Sommermonaten oberflächlich auf, frieren dann im Winter aber wieder komplett durch. Lawrence und seine Kollegen fürchten nun, dass sich eine so genannte Talik ausbilden könnte: eine Schicht aus Erdmaterial, dessen Temperatur beständig über null Grad Celsius liegt und die eingequetscht wird zwischen dauerhaftem Bodeneis darunter und saisonalem Frost darüber. Dadurch speichert die Talik Wärme, die den Permafrost stetig nach unten zurückdrängt. Zugleich erlaubt sie eher den Abbau organischen Materials: Methan und Kohlendioxid könnten aus den Böden entweichen und den Klimawandel weiter antreiben.

Permafrost-Ausdehnung | Die Ausdehnung der Permafrostgebiete 1980-1999 (hellblau) und 2080-2099 (dunkelblau): Durch die globale Erwärmung könnte die Fläche bis zur Jahrtausendwende auf ein Zehntel schrumpfen – mit nicht absehbaren Folgen für die Lebewelt und die weitere Klimaentwicklung.
Die Realität scheint die Forscher jedenfalls schon bisweilen zu bestärken: Letztes Jahr lag die Eisbedeckung um ein Drittel niedriger als unter dem langjährigen Durchschnitt seit Aufzeichnungsbeginn. Zugleich waren die Lufttemperaturen von August bis Oktober im Schnitt um zwei Grad Celsius höher als im Mittel der Jahre 1978 bis 2006. In vielen arktischen Regionen brach in den letzten Jahren zudem der Permafrost zusammen und löste sich stellenweise auf, was ebenfalls auf den Klimawandel zurückgeführt wird und mannigfaltig der Infrastruktur vor Ort schadete. (dl)

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  • Quellen
Lawrence, D. et al.: Accelerated Arctic land warming and permafrost degradation during rapid sea ice loss. In: Geophysical Research Letters (im Druck).

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