TFFF: Ein Megafonds gegen das Verschwinden der Wälder

Wenn sich die Staaten der Erde ab dem 10. November 2025 zur 30. Weltklimakonferenz im brasilianischen Regenwald treffen, will Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva Geschichte schreiben. Zehn Jahre nach der Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens soll der Gipfel einen mit 125 Milliarden US-Dollar ausgestatteten Fonds zum natürlichen Klimaschutz auf den Weg bringen. Ziel dieses Fonds der Superlative: die ungebremste Waldzerstörung auf der Erde bremsen und so das Versprechen in Reichweite halten, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Die verbliebenen Tropenwälder sind für das Erreichen dieses Ziels unverzichtbar. Als Kohlenstoffsenke haben sie bislang die Folgen der menschengemachten Emissionen massiv abgefedert. Doch immer mehr Wälder verlieren diese Senkenfunktion. Trockenheit, Waldbrände und vor allem die massenhafte Abholzung lassen sie vom Speicher zur Quelle zusätzlicher Treibhausgase werden. Damit verschärfen sie sogar die Klimakrise. Allein im vergangenen Jahr gingen 6,7 Millionen Hektar Primärregenwald verloren – mehr als je zuvor.
Diese ungebremste Abholzung und Brandrodung will Lula nun mit einem Geldregen bekämpfen. Auf der Konferenz in Belem will der brasilianische Präsident dazu den TFFF aus der Taufe heben, die Tropical Forest Forever Facility. Mit 125 Milliarden Dollar wäre das der größte jemals eingerichtete Geldtopf für den kombinierten Klima- und Naturschutz. Einziger Verwendungszweck: Tropenländer dafür zu bezahlen, dass sie ihren Wald nicht antasten.
»Geniale Idee«
In Teilen der Bundesregierung gibt es großes Wohlwollen gegenüber dem Konzept. An der Spitze eines Ministeriums wird sogar von einer »genialen Idee« gesprochen. Auch ein finanzielles Engagement werde erwogen, heißt es aus Insiderkreisen.
Hinter dem TFFF steht ein einzigartiges Konstrukt, das Umwelt- und Klimaschutz mit attraktivem Investment verbindet. Das Fondskapital soll langfristig an den internationalen Anleihemärkten gewinnbringend investiert werden. Gut acht Prozent Gewinn pro Jahr wollen die Initiatoren einnehmen, zum Beispiel durch den Kauf festverzinster Staats- und Unternehmensanleihen. Abzüglich der Kosten des Fonds und der Zinszahlungen an die Geldgeber blieben immer noch rund drei Prozent oder 3,4 Milliarden Dollar übrig. Mit diesem Geld soll die Waldprämie finanziert werden.
Pro Hektar nicht gerodetem Wald sollen den Tropenländern jährlich vier Dollar gezahlt werden, die wiederum in den Waldschutz fließen müssen. Selbst für kleinere Länder käme so ein steter Strom an Millionenbeträgen zusammen.
Dass ein Land nicht heimlich doch weiterrodet, wollen die Initiatoren mithilfe von Satellitenüberwachung sicherstellen. Aus dem All lässt sich die Dichte des Blätterdachs leicht ermitteln; fällt sie unter einen kritischen Wert, bleiben die Zahlungen für das Gebiet aus.
Kampf gegen Klimawandel und Artensterben
Mit dem TFFF verbunden ist die Hoffnungen auf einen Doppelnutzen: Nur wenn die Entwaldung gestoppt wird, können zum einen die Pariser Klimaziele erreicht werden und zum anderen die Vorgaben des Weltnaturabkommens, wonach mindestens 30 Prozent der Erde zu schützen sind und der Kampf gegen das größte Artensterben in der Menschheitsgeschichte gewonnen werden muss.
Regenwälder bedecken zwar nur rund sechs Prozent der Erde, beherbergen jedoch mehr als die Hälfte der Artenvielfalt des Planeten. Um die Aussterbewelle zu stoppen – jeden Tag sterben 130 bis 150 Arten aus –, sind sie darum unverzichtbar. Zugleich braucht die Welt sie für den Klimaschutz. Mit diesem Modell könnte in jedem Jahr die Freisetzung von rund vier Gigatonnen Kohlendioxid vermieden werden, heißt es in dem Konzept für den TFFF, das Lula ausarbeiten ließ. Das ist mehr, als Indien ausstößt, der drittgrößte Emittent der Welt.
Um den Megafonds in Belem tatsächlich auf die Beine stellen zu können, muss er in den nächsten Wochen allerdings ausreichend finanzstarke Industriestaaten finden, die sich bereiterklären, als eine Art Premiumpartner einen Sockelbetrag von 25 Milliarden Dollar zusammenzubringen. Mit dieser »Sponsorentranche« sollen unter Ausnutzung der Top-Bonität der Geberländer weitere 100 Milliarden Dollar eingesammelt werden, bei Investmentfonds, Stiftungen und private Investoren. Diese erhalten für ihr Geld jährlich Zinsen. Wie hoch diese Rendite ausfällt, dazu nennt das Konzept keine Zahlen, verspricht aber: »Private Investoren können mit wettbewerbsfähigen Renditen rechnen, die vergleichbar sind mit denen anderer Infrastruktur- und Energiewendeprojekte.« Marktteilnehmer gehen von vier bis sechs Prozent aus, die das Angebot konkurrenzfähig machen würden.
Auch die Sponsorenländer wie möglicherweise Deutschland oder Frankreich spenden ihre Beiträge nicht etwa einfach, zum Beispiel in Form von Entwicklungshilfe. Im Gegenteil: Nach 30 Jahren können auch sie mit einer Rückzahlung ihres eingesetzten Gründungskapitals inklusive Zinsen rechnen.
Deutschland erwägt Beteiligung in Milliardenhöhe
Finale Zusagen der Staaten gibt es noch nicht. Zu den potenziellen Sponsorenstaaten gehören Norwegen, Frankreich, Großbritannien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Deutschland. Sie alle arbeiten in einem Lenkungsausschuss im Hintergrund derzeit gemeinsam mit der Weltbank unter Hochdruck am Zustandekommen des Fonds.
Die in Deutschland federführende Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) hat bei ihren Fachleuten die Ausarbeitung eines Finanzierungskonzepts in Auftrag gegeben. Dieses soll bereits in der kommenden Woche vorliegen. Wie hoch die deutsche Beteiligung ausfallen könnte, ist noch unklar. Unter Fachleuten der Regierung wird ein Betrag zwischen einer und zwei Milliarden Euro genannt. »Alles darunter macht angesichts des Aufwands keinen Sinn«, heißt es. Wie in anderen Ländern könnte auch in Deutschland eine Beteiligung über die nationalen Entwicklungsbanken stattfinden. Die bundeseigene Förderbank KfW ist bereits in die Planung eingebunden.
Die Unterstützer des Fonds mahnen zur Eile. Sollte der TFFF bis zu den Präsidentenwahlen in Brasilien im nächsten Jahr nicht fest etabliert sein und Lula abgewählt werden, wäre die Idee des Megafonds für den Waldschutz wohl tot, mahnen sie.
Allerdings bereitet manchen Insidern auch das Verhalten Lulas selbst Sorge. Die Euphorie, die ihm nach seiner Rückkehr ins Präsidentenamt vor zwei Jahren aus der Klimabewegung entgegenschlug, ist längst verflogen. Denn während Lula einerseits für seinen Superfonds trommeln lässt, treibt er zugleich ungerührt Projekte voran, die für Klima und Natur extrem schädlich sind. Seine Regierung baut Straßen durch den Regenwald, fördert die Erschließung neuer Gasfelder und bereitet ein gigantisches Offshore-Projekt zur Ölförderung vor. »Lulas Glanz hat Kratzer bekommen, er ist nicht mehr der Joker, der so ein Megaprojekt im Zweifel allein mit seiner Autorität durchdrückt«, sagt ein Insider.
TFFF gewinnt Unterstützung von Umweltverbänden
Umweltverbände bewerten den TFFF überwiegend positiv, fordern aber Nachbesserungen. Greenpeace etwa bemängelt eine der Voraussetzungen, unter denen ein Land das Fördergeld erhält: So sollen Länder am TFFF teilnehmen können, wenn ihre Wälder einen Kronenschlussgrad von 20 bis 30 Prozent oder mehr aufweisen, der dann über die Jahre mindestens stabil bleiben muss. Weil intakte Regenwälder oft ein dicht geschlossenes Kronendach von 80 Prozent haben, könnte mit der 20-Prozent-Regel allerdings noch kräftig abgeholzt oder Straßen in den Regenwald gebaut werden und dennoch Geld kassiert werden, lautet eine Kritik. »Das ist aus unserer Sicht zu wenig – besonders dann, wenn keine Anreize zum Schutz von besonders intakten Waldgebieten zusätzlich geschaffen werden«, sagt Greenpeace-Experte Jannes Stoppel.
Entschärft wurde der Streit, in welche Sektoren der Fonds investieren darf, um Renditen für den Waldschutz zu erwirtschaften, ohne selbst Klima- und Naturschaden anzurichten. In einem aktualisierten Konzept wurde festgeschrieben, dass Investitionen in Kohle, Gas, Öl oder Torfprodukte verboten sind. Die Umweltverbände WWF und Campaign for Nature empfahlen nach dieser Nachbesserung den Geberstaaten, in den TFFF zu investieren.
Auch die wissenschaftliche Geschäftsführerin des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig, Katrin Böhning-Gaese, sieht den Fonds positiv. »Der TFFF bietet Chancen, Fortschritte bei den zentralen Umweltzielen Klimaschutz, Erhalt der Biodiversität und Renaturierung zu machen, statt nur auf die Treibhausgase zu starren«, sagt sie. »Angesichts des massiven Waldverlustes in vielen Tropenländern ist auch das Einfrieren des Jetztzustands bereits ein Gewinn«, argumentiert die Forscherin. »Selbst geschädigte Tropenwälder erholen sich sehr schnell, wenn man sie in Ruhe lässt.«
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.