Direkt zum Inhalt

News: Megamoleküle durch Sonnenlicht

Wie bilden sich aus Gasen Aerosolpartikel? Der Blick in die Smogkammer bringt Licht in den Feinstaub. Und zeigt, dass Folgereaktionen zu neuen Substanzen führen, die wesentlich weniger flüchtig sind als die Ausgangsstoffe und so den Anteil der Aerosolpartikel erheblich erhöhen - ein Widerspruch zu bisherigen Modellen.
Wo der Mensch Öl, Gas, Kohle oder Holz verbrennt, gelangen täglich weltweit Millionen Tonnen kleinste, unsichtbare Teilchen in die Atmosphäre. Solche so genannten Aerosole sind kleiner als ein Tausendstel Millimeter und schweben in fester oder flüssiger Form in der Luft. Epidemiologische Studien belegen, dass Aerosolpartikel gesundheitliche Auswirkungen haben. Sie dringen tief in die Lungen ein und sind teils Krebs erregend sowie mitverantwortlich für Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen.

Außerdem beeinflussen sie den Strahlungshaushalt der Erde – unter anderem dadurch, dass sie Sonnenlicht zurück ins Weltall streuen. Die Aerosole haben damit eine abkühlende Wirkung und wirken dem Effekt der Treibhausgase entgegen. Um diese Folgen besser untersuchen und auch quantifizieren zu können, müssten aber die chemischen, physikalischen und optischen Eigenschaften der Aerosole und ihrer Bestandteile genauer bekannt sein.

Bisher ging man davon aus, dass bei hohen Temperaturen die Aerosole am Nachmittag verdunsten und sich demzufolge die Masse der Partikel verringert. Ein Forschungsteam des Paul Scherrer Instituts und der ETH Zürich hat diese Vermutung nun in einer Smogkammer simuliert – und kommt zu einem völlig entgegengesetzten Ergebnis. Denn je länger die Sonneneinstrahlung dauert, desto mehr nehmen diese an Masse und Volumen zu. Ein wesentlicher Anteil der Aerosolpartikel kommt demnach nicht direkt aus Auspuff oder Kamin, sondern wird erst unter Sonneneinwirkung in der Atmosphäre gebildet.

Die Smogkammer besteht aus einem durchsichtigen 27 Kubikmeter fassenden Teflonsack in einem Holzkasten, der mit einem Sommertags-typischen Gemisch des Abgasbestandteils Trimethylbenzol (TMB), Stickoxid und Wasserdampf gefüllt wurde. Die Sommersonne bestand aus vier Hochdruck-Xenon-Bogenlampen, deren Lichtspektrum dem unseres Gestirns weitgehend entspricht – und auch die Leistung, wie ein Mitarbeiter schmerzvoll erfahren musste: Als er längere Zeit ohne Sonnenschutz in der Klimakammer arbeitete, holte er sich einen Sonnenbrand.

Als die Forscher um Markus Kalberer nun ihr Gemisch mit den Lampen bestrahlten, bildeten sich innerhalb einer Stunde aus den Gasen Aerosolpartikel. Chemische Untersuchungen mittels Laser-Massenspektrometrie zeigten, dass im Lauf der bis zu 24-stündigen Experimente sich Moleküle mit sehr hohem Molekulargewicht mit bis zu 1000 atomaren Masseneinheiten entstanden waren – ein deutlicher Hinweis auf Polymerisationsreaktionen, die zu solchen Megamolekülen führen.

Die Wissenschaftler untersuchten auch die Flüchtigkeit der gebildeten Aerosolpartikel. Dabei war deutlich zu erkennen, wie diese bei längerer Einstrahlzeit abnimmt. Die Aerosolteilchen werden stabiler, indem sie bei Erwärmung weniger stark verdampfen.

Diese Ergebnisse ergeben eine einfache Erklärung von bisher rätselhaften Resultaten aus Felduntersuchungen. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass die neu entdeckten Polymere bis über 50 Prozent der gesamten Aerosolmasse ausmachen, was ein wesentlicher Schritt hin zu einer vollständigen Charakterisierung der Aerosole darstellt. Die Tatsache, dass damit ein großer Anteil der Aerosolmasse identifiziert werden konnte, stellt einen wichtigen Fortschritt dar im Hinblick auf die noch wenig erforschten gesundheitlichen und klimatologischen Auswirkungen jenes Feinstaubs.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.