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News: Mehr als Mundgymnastik

Die ersten Silben aus einem Kindermund erinnern noch sehr an spielerisches Trainieren der Mundmuskulatur. Doch offenbar steckt dahinter mehr als nur eine motorische Übung.
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Eltern erwarten mit Spannung das erste Wort im Leben ihres Kindes. Was wird es sein – Mama? Papa? Oder etwa "Scheißkälte", wie im Fall des Pinguinjungen von Cartoonzeichner Uli Stein? Letzteres wäre aus dem sonst reichlich unverständlichen Gebrabbel der Sprösslinge jedenfalls deutlicher herauszuhören als die wohl eher erhofften Anredeformen.

Bisher stellten sich Wissenschaftler allerdings noch die Frage, ob die ersten Silben, die über ein freudiges "aaahh" hinausgehen, schon das Sprachzentrum des Gehirns beschäftigen oder nur Gymnastik sind, mit der die Kleinen den Gebrauch von Mund, Zunge und Kehlkopf üben. Siobhan Holowka von der McGill University in Montréal und Laura Ann Petitto vom Dartmouth College in Vancouver schauten daher fünf bis zwölf Monate alten Kindern genau auf den Mund, als diese Sprechübungen absolvierten.

Mithilfe von Videoaufnahmen beobachteten sie, ob sich der Mund der kleinen Versuchsteilnehmer gleichermaßen nach links oder rechts verzieht oder ob eine Seite bevorzugt wird. Denn bei Erwachsenen ist eine winzige, kaum wahrnehmbare Asymmetrie festzustellen: Das Sprachzentrum im Gehirn und damit die Kontrolle über das Sprechen liegt links, mit der Konsequenz, dass die rechte Mundseite sich ein bisschen weiter öffnet als die linke.

Bei den brabbelnden Babys war dies kein bisschen anders. Auch sie verzogen ihren Mund rechts etwas stärker als links, wenn sie zusammenhängende Silben mit wechselnden Vokalen und Konsonanten artikulierten – und das unabhängig davon, ob sie als Sprösslinge englisch- oder französischsprachiger Eltern aufwuchsen. Wechselten sie hingegen zu reinen Vokalen oder wiederholten die Abfolge nicht, bewegten sie ihren Mund auf beiden Seiten gleichmäßig.

Die Forscherinnen schließen daraus, dass schon bei den ersten linguistischen Gehversuchen das Sprachzentrum im Gehirn die Kontrolle übernimmt und es sich damit nicht um reine Mundgymnastik handelt. Und es ist offenbar nicht die einzige Gehirnregion, die früher als erwartet in der kindlichen Entwicklung eingreift: Auch gefühlsbetonte Gesichtsausdrücke der Sprösslinge werden womöglich schon im zarten Alter von fünf Monaten von der zuständigen rechten Gehirnhälfte überwacht – denn lächelten die Kleinen spontan, grinste der linke Mundwinkel etwas mehr als der rechte. Und ein solch sympathisches schiefes Lächeln entschädigt doch allemal für ein "Scheißkälte".

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