Schusswaffen: Mehr US-Jugendliche sterben durch Waffen als bei Verkehrsunfällen

Verletzungen durch Schusswaffen sind seit dem Jahr 2020 die häufigste Todesursache unter Kindern und Jugendlichen in den USA. Zu diesem Ergebnis kommt eine Forschungsgruppe um Michael Nance vom Children's Hospital of Philadelphia. Feuerwaffenverletzungen hätten damit Kraftfahrzeugunfälle als häufigste Todesursache in dieser Altersgruppe abgelöst.
Nance und sein Team haben Todesfalldaten der US-Behörde Centers of Disease Control and Prevention für den Zeitraum von 2004 bis 2023 ausgewertet. Über diese zwei Jahrzehnte hinweg waren US-weit in der Altersgruppe bis 19 Jahre insgesamt 91 406 Todesfälle durch Kfz-Unfälle erfasst worden sowie 64 667 Todesfälle durch Schusswaffeneinwirkung. Über die betrachtete Zeitspanne hinweg sank die Rate tödlicher Verkehrsunfälle aber deutlich ab, von 9,35 auf 5,25 Fälle pro 100 000 Personen. Die Rate tödlicher Schussverletzungen wuchs hingegen von 3,63 auf 5,69 Fälle pro 100 000 Personen. Im Jahr 2020 überstieg die Zahl der Schusswaffentoten jene der Verkehrstoten in dieser Altersgruppe, was seither so geblieben ist.
Zwischen den einzelnen US-Bundesstaaten gebe es jedoch große Unterschiede, schreiben die Fachleute. Zu Beginn des Untersuchungszeitraums habe es keinen einzigen Bundesstaat gegeben, in dem Schusswaffenverletzungen die häufigste Todesursache unter Kindern und Jugendlichen darstellten. Alaska sei der erste gewesen, in dem das eintrat, Dutzende weitere hätten nachgezogen – der Großteil von ihnen erst binnen der zurückliegenden fünf Jahre. Am Ende des Untersuchungszeitraums hätten 24 Bundesstaaten diese traurige Bilanz aufgewiesen.
»Die Entwicklung spiegelt zwei gegensätzliche Trends wider: einen stetigen Rückgang der Todesfälle durch Verkehrsunfälle und einen gleichzeitigen Anstieg der Todesfälle durch Feuerwaffen«, schreibt das Team. Es sei an der Zeit, ähnliche Anstrengungen wie jene zur Erhöhung der Verkehrssicherheit auch auf den Umgang mit Schusswaffen anzuwenden. »Die Bekämpfung der häufigsten Todesursache in unserer am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppe ist eine gemeinsame Aufgabe, die es erfordert, die derzeit bestehenden ideologischen Barrieren zu überwinden«, betonen die Fachleute.
In den USA stellt Schusswaffengewalt ein massives Problem dar. Mehrere hundert Millionen Feuerwaffen sind dort in Privatbesitz; das Recht darauf ist in der Verfassung verankert. Jedes Jahr sterben 40 000 bis 50 000 Menschen an Verletzungen durch Schusswaffen. Laut dem Violence Prevention Project der Hamline University in Minnesota hat es allein seit dem Jahr 2000 mehr als 100 »mass shootings« gegeben, bei denen jeweils mindestens vier Personen erschossen wurden, die Schützen nicht eingerechnet. Die Zahl solcher Ereignisse nimmt seit den 1970er-Jahren massiv zu. Versuche, das Waffenrecht in den USA zu reformieren, scheitern immer wieder an politischem Widerstand und dem Einfluss mächtiger Lobbygruppen wie der National Rifle Association.
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