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Mehrsprachigkeit: Wer mehrere Sprachen spricht, altert womöglich langsamer

Schon eine weitere Sprache regelmäßig zu verwenden, bremst offenbar das Älterwerden, zeigt die Auswertung von Gesundheitsdaten. Noch besser: zwei oder drei.
Eine Person schreibt mit roter Kreide ein chinesisches Schriftzeichen auf eine grüne Tafel. Die Person ist von hinten zu sehen und trägt ein helles Hemd. Die Tafel zeigt Spuren von vorherigem Schreiben.
Es muss nicht unbedingt Chinesisch sein, doch jede weitere Sprache, die wir erlernen, scheint den Alterungsprozess zu verlangsamen. Das zeigt eine statistische Auswertung.

Menschen, die mehrere Sprachen beherrschen, altern im Schnitt langsamer als diejenigen, die nur eine sprechen. Diesen Schluss ziehen Wissenschaftler aus der Untersuchung von Daten zu mehr als 86 000 Erwachsenen aus 27 europäischen Ländern.

Ein Team um Agustin Ibañez vom Trinity College Dublin hat dazu eine umfassende Sammlung medizinischer Daten mit statistischen Methoden ausgewertet. Um herauszufinden, ob jemand biologisch gesehen jünger oder älter war, als es seinem Geburtsdatum entsprach, betrachteten Ibañez und Kollegen unter anderem Angaben zum Gesundheitszustand einer Person, ihrem Fitnesslevel, Lebensstil und dem sozialen Status. Die ausgewerteten Personen waren zwischen 50 und 90 Jahre alt.

Mithilfe der Daten errechneten die Forschenden eine Differenz zwischen dem »biologischen Alter« einer Person und ihrem tatsächlichen Alter und stellten diese dann in Beziehung zur Zahl der Sprachen, die durchschnittlich im Land des oder der Betreffenden gesprochen werden. Wie die Gruppe im Fachblatt »Nature Aging« schreibt, war der schützende Effekt der Mehrsprachigkeit umso ausgeprägter, je höher der Durchschnitt an verwendeten Sprachen im Land.

Diese Verzögerung im Alterungsprozess zeigte sich auch dann noch, wenn die Wissenschaftler andere länderspezifische Faktoren herausrechneten, die bereits bekannt dafür sind, sich auf das Altern auszuwirken. Dazu zählen etwa durchschnittliches Bildungs- oder Gesundheitsniveau oder politische und soziale Unterschiede sowie Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung. Es zeigte sich, dass die Mehrsprachigkeit auch unabhängig von diesen Faktoren das Altern zu verlangsamen schien.

»Der Effekt ist klar belegt – die Herausforderung liegt nun darin, seine Mechanismen zu verstehen und in Strategien für gesundes Altern umzusetzen«, schreiben die Hirnforscher Jason Rothman und Federico Gallo von der britischen Lancaster University in einem begleitenden Kommentar zur Studie. Mehrsprachigkeit sei ein kostengünstiger Hebel für die öffentliche Gesundheit, der ähnlich bedeutsam sein könnte wie Programme zur Förderung von Bewegung oder zum Rauchstopp.

Der »Deutschen Presse-Agentur« (dpa) gegenüber weist Peter Berlit, der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), auf einen Zusammenhang zur Demenz hin. Die Studie bestätige frühere Beobachtungen, die bereits in eine ähnliche Richtung gewiesen hätten. »Mehrsprachigkeit scheint ein Puffer im Gehirn zu sein«, erklärt Berlit, der selbst nicht an der Studie beteiligt war. »Wer mehrere Sprachen spricht, hat mehr Speicher, auf den er im Alter zurückgreifen kann.«

Die Forschenden wollen nun untersuchen, ob es denselben Schutzeffekt hat, wenn jemand eine Zweit- oder Drittsprache schon in jungen Jahren oder erst im höheren Alter erlernt. Nach Auffassung von Rothman und Gallo gilt es außerdem herauszufinden, ob der förderliche Effekt bereits durch das bloße Lernen einer Fremdsprache entsteht oder nur durch deren dauerhafte Benutzung im Alltag.

Erstellt mit Material der dpa.

Anmerkung der Redaktion vom 12.11.2025: Der Artikel wurde nachträglich überarbeitet, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Autoren der Studie Mehrsprachigkeit nur auf Länderebene und nicht auf individueller Ebene erfasst haben, was die Aussagekraft der Studie abschwächt. In unserer ursprünglichen Fassung haben wir das falsch dargestellt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

  • Quellen

Amoruso, L. et al., Nature Aging 10.1038/s43587–025–01000–2, 2025

Rothman, J., Gallo, F., Nature Aging 10.1038/s43587–025–01007–9, 2025

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