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Schulnoten: Gedachte Geschwister-Unterschiede werden zu gemachten

Glauben Eltern, dass ihre Kinder unterschiedlich gut in der Schule sind, beeinflusst das deren zukünftige Leistungen.
Fröhliches Kind mit gutem Test-Ergebnis

Sie teilen sich viel und können doch so verschieden sein: Geschwister. Neben Aussehen und Persönlichkeit unterscheidet sie oft auch die schulische Leistung. Was das mit der Meinung ihrer Eltern über sie zu tun hat, untersuchten Alexander Jensen von der Brigham Young University und Susan McHale von der Pennsylvania State University. Sie fanden heraus, dass Eltern ihre Kinder für unterschiedlich begabt in der Schule hielten, obwohl das nur bei gemischtgeschlechtlichen Geschwistern tatsächlich der Fall war. Zudem beeinflusste die Meinung der Eltern, wie sich die Geschwister zukünftig in ihren schulischen Leistungen unterschieden. Um all ihren Kindern zu Erfolg in der Schule zu verhelfen, so Jensen, sollten Eltern "die individuellen Stärken der Kinder anerkennen und davon absehen, vor den Kindern direkte Vergleiche ihrer Schulnoten zu machen".

An der drei Jahre dauernden Studie nahmen insgesamt 388 Familien teil, die mindestens zwei Kinder hatten. Die Forscher verglichen die durchschnittlichen schulischen Leistungen der Erst- und Zweitgeborenen, die im Schnitt jeweils zirka 16 und 13 Jahre alt waren, miteinander. Die Kinder und Eltern wurden jeweils einmal jährlich einzeln zu ihrer Meinung befragt und mussten die Zeugnisse der Kinder vorlegen. Laut der Studie beeinflusste das Geschlechterverhältnis und die Reihenfolge der Geburt die Meinung der Eltern über die schulischen Fähigkeiten ihrer Kinder: Sie glaubten in der Regel, das erstgeborene Kind sei besser – außer es handelte sich um einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester. In diesem Fall meinten sie, das zweitgeborene Kind sei begabter in der Schule.

Recht hatten die Eltern aber nur bei gemischtgeschlechtlichen Geschwistern: Durchschnittlich hatte die Tochter tatsächlich bessere Noten, egal ob älter oder jünger. Gleichgeschlechtliche Geschwister hingegen zeigten keine Leistungsunterschiede, obwohl die Eltern dies glaubten. Zudem fanden die Forscher einen starken Zusammenhang zwischen der Meinung der Eltern und den Noten der Kinder ein Jahr später. Die Ansicht der Eltern beeinflusste somit die zukünftigen schulischen Differenzen der Kinder.

Geschwister nicht vergleichen

Da es sich um eine Langzeitstudie in der Pubertät der Kinder handelt und vorherige Schulnoten nicht berücksichtigt wurden, stellt sich auch die Frage, was zuerst da war: Dachten die Eltern auf Grund früherer Noten und Erfahrungen, ihre Kinder seien unterschiedlich begabt, oder führte eine unterschiedliche Begabung dazu, dass die Eltern dies dachten? Zumindest während der Studie hatte die schulische Leistung der Kinder keinen Einfluss auf die Meinung der Eltern. Ebenso beeinflusste das Interesse der Kinder an den Schulfächern die Noten im nächsten Jahr nicht. Im Gegensatz dazu bestimmten die Noten das Interesse an den Schulfächern: Schnitt ein Kind im Vergleich zum Bruder oder der Schwester besser ab, verkündete es im nächsten Jahr ein größeres schulisches Interesse.

Als möglichen Mechanismus, wie sich die Meinung der Eltern in der schulischen Leistung der Kinder manifestiert, nennen Jensen und McHale eine unterschiedliche Behandlung der Kinder in Bezug auf Zeit und Ressourcen. Zudem könnten Geschwister die Meinung der Eltern aufschnappen und sich so in die von ihnen erwartete Richtung entwickeln, so die Autoren. Insofern könnte es den Geschwistern helfen, wenn die Eltern mit ihrer Meinung hinter dem Berg halten – zumindest vor den Kindern.

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