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Hort von Melsonby: Wo Britannier ungeahnte Pracht entfalteten

Wahrhaft reich ist, wer nicht nur Reichtümer anhäuft, sondern diese auch noch vor aller Augen vernichtet. Das zeigte sich nun bei einem außergewöhnlichen Fund im Norden Englands.
Eine Person mit lila Handschuhen hält ein antikes, verziertes Metallartefakt, das möglicherweise Teil eines historischen Fundes ist. Das Artefakt hat eine komplexe, dekorative Struktur mit oxidierten und korrodierten Stellen. Der Hintergrund ist unscharf, was den Fokus auf das Artefakt lenkt.
Die Gegenstände aus Eisen und Kupferlegierung schmückten wohl einst einen hochrangigen Anführer der Briganten und seine Pferde und Reiter.

In der Grafschaft North Yorkshire haben Archäologen einen ungewöhnlich reichen Fund gemacht: Vor rund 2000 Jahren hatten hier Menschen in zwei Gräben mehr als 800 Metallobjekte verbrannt und dann niedergelegt, mutmaßlich als Teil einer Bestattungszeremonie. Zu den Gegenständen zählen kostbares Pferdegeschirr und Zaumzeug für mindestens 14 Pferde, zwei aufwändig verzierte Kessel und 28 Eisenreifen, die wohl zu hölzernen Rädern gehörten.

Insgesamt dürfte es sich um den größten und womöglich bedeutsamsten Hortfund aus dem eisenzeitlichen Britannien handeln, urteilt etwa der britische »Guardian«. Aus der schieren Zahl und der Machart der Gegenstände schließen die Wissenschaftler, dass der Norden Englands dem Süden seinerzeit in nichts nachstand. Die keltischen Eliten des Nordens seien genauso vernetzt, mächtig und wohlhabend gewesen wie die weiter südlich, erklärt der Archäologe Tom Moore von der Durham University, der die Ausgrabungen in der Ortschaft Melsonby leitete.

Er nimmt an, dass die Gegenstände rituell zerstört wurden, als ein hochrangiger Anführer der Briganten bestattet wurde. Die Briganten waren in den Jahrhunderten um Christi Geburt ein Zusammenschluss keltischer Stämme, der große Teile des Nordens dominierte, bald aber mit der römischen Bedrohung aus dem Süden konfrontiert wurde. Antiken Quellen zufolge versuchten sich die Briganten zunächst mit den Invasoren zu arrangieren, gerieten dann aber zusehends in Konflikte mit der Besatzungsmacht. Von der letztendlich gescheiterten Machtpolitik der Brigantenfürstin Cartimandua berichtete ausführlich der Geschichtsschreiber Tacitus (58–120) in seinen »Annalen«.

Auf den Fund war ein Sondengänger bereits im Jahr 2021 gestoßen. Der Hobbyforscher wandte sich an Tom Moore, der wiederum die Bedeutung der Entdeckung schnell erkannte, wie er dem »Guardian« schildert: »Wenn man mal einen Hortfund aus zehn Objekten entdeckt, dann ist das schon etwas Besonderes, aber ein Fund von solchen Ausmaßen ist einfach unerhört und beispiellos.«

Wagenbestandteile und ein Kessel | Bei den Ausgrabungen stellte sich schnell heraus, dass eine unerwartet große Zahl an Gegenständen hier deponiert worden war.

Die Untersuchung im Labor ergab, dass einige Zaumzeugstücke mit Korallen aus dem Mittelmeer und farbigem Glas verziert waren. Entsprechend eindrucksvoll müssen die Reiter ausgesehen haben. Zugleich deutet die Verwendung solcher Materialien darauf hin, dass die eisenzeitlichen Bewohner Englands – und speziell ihre Eliten – über weit reichende Netzwerke verfügten und Kontakte womöglich bis nach Kontinentaleuropa und gar ins Römische Reich hinein pflegten.

Das Zerbrechen oder Verbrennen dieser Reichtümer sollte vermutlich den Wohlstand ihrer Besitzer unterstreichen. Einer der Kessel, dessen Verzierung stilistisch ebenfalls in den Mittelmeerraum verweist, wurde anscheinend absichtlich mit einem Felsbrocken zerschlagen. Ursprünglich dürfte er zum Mischen von Wein gedient haben, erklären die Ausgräber.

Auffällig seien auch die eisernen Radbestandteile, die in Melsonby zu Tage traten. In jener Epoche waren zweirädrige Streitwagen gängig, diese Räder gehörten jedoch wohl einst zu vierrädrigen Fahrzeugen, wie sie laut Moore bislang überhaupt noch nicht im eisenzeitlichen Britannien gefunden wurden. Womöglich habe man damit einen Wagentypus nachgeahmt, der auf dem Festland verbreiteter war. »Wir werden wohl Jahre damit verbringen herauszufinden, wie diese Gefährte aussahen und woher sie kamen«, sagt Moore.

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