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Menschen: Noch furchterregender als Löwen

Die Savanne ist ein gefährlicher Ort: Löwen, Büffel, Wilderer. Nun wurde getestet, was Säugetiere in einem südafrikanischen Nationalpark am meisten schreckt.
Ein nasser Löwer liegt im grünen Gras und frisst an einem nicht näher identifizierbaren Kadaver.
Löwen sind Spitzenprädatoren in der Savanne. Doch es gibt jemanden, der den Tieren noch mehr Angst einjagt.

Trotz der starken Wilderei nach Nashörnern ist der südafrikanische Krüger-Nationalpark ein Naturparadies. Unter anderem lebt dort eine der größten noch vorhandenen Löwenpopulationen Afrikas. Dennoch gibt es etwas, das die Tiere vor Ort noch stärker fürchten als die Raubkatzen, wie eine experimentelle Studie in dem Naturreservat zeigt. Liana Zanette von der Western University in Kanada und ihr Team konnten zeigen, dass Säugetiere am stärksten auf menschliche Stimmen reagieren und daraufhin fliehen, wie sie in »Current Biology« berichten.

»Wir verglichen die Angst vor Menschen mit der vor Löwen, um herauszufinden, ob Menschen Furcht erregender sind als die Raubkatzen«, sagt der an der Studie beteiligte Michael Clinchy. Da Löwen im Rudel jagen, erlegen sie auch große Beute, was sie zum Top-Prädator in der Savanne macht.

Für ihren Versuch platzierte die Arbeitsgruppe Kamerafallen und Lautsprecher an Wasserlöchern im Krüger-Nationalpark, worüber sie das Verhalten von insgesamt 19 Säugetierarten beeinflussen und aufzeichnen konnten. Über das System spielten sie den Tieren Hundegebell, Gewehrschüsse, normale Unterhaltungen von Menschen in vier südafrikanischen Sprachen und Löwenkomunikation vor – also deren Knurren und Fauchen, kein lautes Brüllen. »Wir haben die Kamera in einer Bärenbox untergebracht, aber nicht, weil es in Südafrika Bären gibt, sondern wegen der Hyänen und Leoparden, die sie gerne zerkauen«, so Zanette. »Eines Nachts machte die Löwenaufnahme einen Elefanten allerdings so wütend, dass er angriff und das ganze Ding einfach zerschlug.«

© Zanette et al., Current Biology, 2023
Fliehende Nashörner

Die Arbeitsgruppe fand heraus, dass Tiere mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit schneller fliehen, wenn sie menschliche Stimmen hören, als wenn sie Löwen oder Schüsse vernehmen. Das traf auf 95 Prozent der beobachteten Tierarten zu, darunter Giraffen, Leoparden, Hyänen, Zebras, Kudus, Warzenschweine, Impalas und Nashörner, obwohl viele davon selbst Menschen gefährlich werden könnten. Nur Elefanten reagierten stärker auf Löwen. Gleiches galt auch für die Zeit, welche die Tiere an Wasserlöchern verbrachten: Sie blieben meist länger, wenn man ihnen die Löwenlaute vorspielte als bei den menschlichen Stimmen. Nur Wildhunde nutzten diese Situation aus und tranken länger mit menschlicher Beschallung. »Es gibt die Vorstellung, dass sich die Tiere an den Menschen gewöhnen, wenn sie nicht gejagt werden. Aber wir haben gezeigt, dass das nicht der Fall ist«, sagt Clinchy. »Die Angst vor dem Menschen ist tief verwurzelt und allgegenwärtig, deshalb müssen wir uns aus Gründen des Naturschutzes ernsthaft damit auseinandersetzen.«

Das Team untersucht nun, ob ihre maßgeschneiderten Tonsysteme eingesetzt werden können, um gefährdete Arten wie das südliche Breitmaulnashorn gezielt von bekannten Wildereigebieten in Südafrika fernzuhalten. Erste Tests, Nashörner durch den Einsatz menschlicher Stimmen von solchen Gebieten abzuhalten, verliefen erfolgreich.

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