Direkt zum Inhalt

Evolution: Menschen verhalten sich ähnlich wie ihre tierischen Nachbarn

Egal, ob es ums Essen geht oder die Aufzucht des Nachwuchses: Die Umgebung lenkt das Verhalten ihrer menschlichen und tierischen Bewohner in dieselbe Richtung.
Ein Mann vom Volk der Hadza auf der Jagd

Eine gemeinsame Umwelt bringt in der Evolution von Mensch und Tier ähnliches Verhalten hervor. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die ein Team um den Ökonom Toman Barsbai von der University of Bristol in »Science« veröffentlicht hat. Demnach bestimmen die Umweltbedingungen unter anderem mit, wie Menschen und Tiere ihr Zusammenleben organisieren.

Barsbai und seine Kollegen studierten anthropologische Beobachtungen an 339 Gruppen von Jägern und Sammlern, die der Archäologe Lewis Binford im 19. und 20. Jahrhundert in Afrika, Asien, Australien und Amerika zusammengetragen hatte. Dann verglichen sie das beobachtete Verhalten der Menschen mit dem von Tieren, die in einem Umkreis von 25 Kilometern lebten. In 14 von 15 untersuchten Lebensbereichen entdeckten sie Übereinstimmungen.

Mensch und Tier ähnelten sich beispielsweise darin, wie viel Nahrungsmittel sie lagerten, ob sie zur Nahrungssuche weite Wege zurücklegten und ob sie je nach Jahreszeit in andere Gebiete wanderten. Einige Orte begünstigten die Jagd, so dass die Menschen einen Großteil ihrer Nahrung mit Fleisch deckten; in ihrer Nachbarschaft gab es entsprechend mehr Fleisch fressende Tiere. Übereinstimmungen fanden die Forscher überdies in der Größe der zusammenlebenden Gruppen, der Zahl der Geschlechtspartner und im sozialen Gefüge. Lebten die Jäger und Sammler einer Region in sozialen Hierarchien, traf das auch vermehrt auf die Tiere zu. Bekamen die Menschen früh Kinder, tendierten die benachbarten Tiere ebenfalls dazu. Und zogen die Eltern den Nachwuchs gemeinsam groß, war es bei den Tieren häufig ähnlich.

BaYaka-Jäger, Republik Kongo | Die BaYaka gehören zu den Völkern, deren Verhalten bei der Nahrungssuche in der vorliegenden Studie mit dem von Tieren verglichen wurde, die in derselben Region leben.

Es handelte sich um den ersten Versuch, ein breites Spektrum von Verhaltensweisen bei sehr verschiedenen Spezies systematisch zu vergleichen, sagte Toman Barsbai in einer Pressemitteilung. »Ältere Studien haben bislang nur untersucht, wie Umweltbedingungen das Verhalten von eng verwandten Arten formen.« Der neue Befund zeige, wie umfassend und konsistent sich die Umgebung auf das Verhalten auswirke. Koautor Dieter Lukas, Ökologe am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, bezeichnete die Ergebnisse als überraschend. »Man würde erwarten, dass verschiedene Arten unterschiedlich mit ihrer Umwelt interagieren.«

Die Autoren führen ähnliches Verhalten der Spezies darauf zurück, dass die Umgebung einen Selektionsdruck ausübt und sich deshalb die am besten angepassten Varianten durchsetzen. Man wisse aber noch nicht, welche Umweltfaktoren für welches Verhalten bedeutsam sind und wie genau beide zusammenhängen. Die Studie beschränkte sich überdies auf Jäger und Sammler, die in ihrer unmittelbaren Umgebung nach Nahrung suchten. Daher ist unklar, ob die neuen Erkenntnisse auch auf Gesellschaften zutreffen, die Landwirtschaft oder Handel betreiben. Ein begleitender Kommentar in »Science« warnt davor, die Rolle der Kultur zu unterschätzen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.